Interview : Wirtschaftsministerin Schramböck: "Wir arbeiten an einem weiteren Instrumentenkoffer für Betriebe und Arbeitsplätze in Österreich"

Margarete Schramböck schramboeck
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Etwas, das die Corona-Krise gezeigt hat, ist die Abhängigkeit der heimischen Wirtschaft von Produzenten in China und die Fragilität von Lieferketten. Als eine Lösung wurde vorgeschlagen, Schlüsselindustrien nach Österreich bzw. nach Europa zurückzuholen. Wie realistisch ist das in einer globalisierten Wirtschaft?

Margarethe Schramböck Mehr Autarkie ist ein Teil unserer neuen wirtschaftspolitischen Strategie, um die Krisenfestigkeit der österreichischen Wirtschaft zu erhöhen. Wir wollen Schutzkleidung und Medikamente im Notfall selbst herstellen können. So wie wir es zum Beispiel mit dem Konsortium von Herrn Grabher in Vorarlberg erleben. Wichtig ist auch, dass die Qualität bei den Produkten, die wir brauchen, passt. Aus diesem Grund haben wir beim Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen eine unabhängige Prüfstelle eingerichtet, um Zertifizierungen solcher Produkte vorzunehmen. Das dritte ist: man muss bei Schutzkleidung Recycling betreiben: Es wird nicht möglich sein, den Weg der Wegwerfproduktion so fortzuführen. Wir müssen Schutzausrüstung wiederverwendbar machen. Genau diesem Zweck dient etwa die Reinigungsstraße für Schutzausrüstung von Christof Industrie zusammen mit Ortner Reinraumtechnik und Saubermacher.

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Wie bewerten Sie den Status-quo der heimischen Industrie nach dem wochenlangen Lock-Down?

Schramböck Wir hatten keinen generellen Lock-Down. Das ist ganz ein wichtiger Punkt. Viele Industriebetriebe haben weiter produziert. Ich bin mit österreichischen Industrieunternehmen, die für mehr als ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts zuständig sind, laufend in Kontakt. In bestimmten Bereichen war die Produktion während der letzten Wochen sogar höher als sonst. Es ist richtig, dass einige Industriebetriebe aufgrund von Problemen mit den Lieferketten oder aufgrund der Auftragslage Bereiche oder vielleicht auch das gesamte Unternehmen vorübergehend in Kurzarbeit bringen mussten. Aber bei ganz vielen Betriebe laufen die Maschinen. Und das ist auch gut so.

Ein Nebeneffekt war der Run auf regionale Erzeuger und regionale Onlineshops, den Sie auch aktiv unterstützt haben: Wird dieser Effekt nach Corona Bestand haben?

Schramböck Was den Handel angeht: Meine Devise ist hier: kauft lokal, das geht auch digital. Ich arbeite natürlich daran, dass das entsprechend weitergeht. Es haben sich ganz viele heimische Plattformen gemeldet. Und das wird auch stark angenommen und sollte unser Kaufverhalten ein bisschen verändern. Gerade in dieser Zeit ist es nicht notwendig, bei Amazon oder Zalando zu bestellen.

Ist es nicht ein bedenklich, wenn die obersten Organe eines Staates den Leuten sagen: kauft nicht bei internationalen Unternehmen. Würde ein anderes Land die Bevölkerung aufrufen, nicht bei österreichischen Unternehmen zu kaufen, wäre die Empörung bei uns ziemlich groß. Oder?

Schramböck Es ist ein Wunsch, den ich als Politikerin wie früher auch als CEO genauso geäußert hätte.

Ein neues Investitionskontrollgesetz soll Unternehmen in den Bereichen künstliche Intelligenz, Robotics, Wasser, Infrastruktur, Medien, Lebensmittel und Arzneimittel vor Übernahmen schützen. Bedeutet das ein Abgehen von der bisherigen EU-Ideologie, dass staatliche Interventionen tabu sein sollten?

Schramböck Wir haben seit der Spanischen Grippe keine derartige Pandemie mehr gehabt und befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation. Darum ist es auch wichtig, dass wir die kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch die Leitbetriebe Österreichs schützen. Die grundsätzliche Idee des Investitionsschutzes ist in Deutschland auch schon umgesetzt. Wir arbeiten an einer entsprechenden konkreten Regelung für Österreich - wie schon im Regierungsprogramm verankert.

Die Stadt Wien ist noch einen Schritt weiter gegangen und möchte sich an Unternehmen in der in der Krise beteiligen um die Eigenkapitaldecke zu stärken. Sie haben zuletzt eher Zurückhaltung gezeigt und gemeint, keine Verstaatlichung zu wollen. Wie sehen Sie das heute?

Schramböck Ich sehe das auch weiterhin ganz genauso. Zuerst sollten die Unternehmen und ihre Eigentümer die 38 Milliarden Euro an staatlichen Hilfen möglichst effizient nutzen, um durch diese Krise zu kommen. Auf der anderen Seite ist das Instrument, das Sie jetzt am Beispiel Wien angesprochen haben, gar so neu auch wieder nicht. Sehen Sie sich den Mittelstandsfonds an. Da spricht auch niemand von Verstaatlichung, sondern es ist ein ganz normales Instrument über Krisen drüber zu helfen.

Österreich hat bereits in der Finanzkrise mit Staatsbeteiligungen gehadert. Die Republik stellte Banken ab 2009 Partizipationskapital, eine Hybridform der Hilfe, zur Verfügung. Dafür zahlten Banken zwar hohe Zinsen, doch die Republik erwarb keine Anteile an Instituten, profitierte also nicht von späteren Wertsteigerungen und hatte kein Mitspracherecht. Soll das diesmal wieder so sein?

Schramböck Ich würde es als sehr eigenartig erachten, wenn der Staat jetzt überall Beteiligungen an Familienbetrieben erwirbt. Wenn es zu Beteiligungen aus Anlass der Krise kommt, sollte es meines Erachtens keine Mitspracherechte des Staates geben. Das steht aber – wie bereits gesagt – auch gar nicht im Vordergrund. Was wir jetzt tun müssen, ist, unsere österreichischen Unternehmen vor ungewolltem Ausverkauf zu schützen.

Sie haben in einem Interview gemeint, dass wohl ein Konjunkturpaket samt Investitionen in die Infrastruktur kommen wird. Wie sollen diese Investitionen in die Infrastruktur aussehen?

Schramböck Wir sind im Moment in einer Erstversorgungsphase für die Wirtschaft. Das bedeutet, dass wir vor allem auf Liquidität und auf Arbeitsplatzsicherung schauen. Später wird ein Konjunkturpaket notwendig werden. Da gehört es aus meiner Sicht dazu, auch Investitionen in Infrastruktur auf europäischer und nationaler Ebene verstärkt voranzutreiben.

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Wie könnte die Investitionsgüterindustrie von einem solchen Konjunkturpaket profitieren?

Schramböck Für die europäische Automobilindustrie etwa und die heimischen Zulieferer war die Ausgangslage schon vor Corona eine herausfordernde. Letztlich geht es hier um die Frage, wie es insbesondere Deutschland gelingt die Automobilindustrie wieder anzutreiben. Wichtig ist, dass wir unsere Betriebe mit voller Kraft dabei unterstützen, so rasch wie möglich wieder voll arbeiten und damit Beschäftigung sichern zu können.

Planen Sie konkrete Maßnahmen für die Maschinenbauer und OEM-Zulieferer?

Schramböck Mit dem 38 Milliarden Corona-Hilfspaket haben wir Soforthilfe geleistet. Die Garantien für Überbrückungskredite helfen vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, auch in der Zulieferbranche. Die Kurzarbeitsregelung, Steuerstundungen und die ab Mai vorgesehenen Fixkostenzuschüsse können hier weitere Unterstützungsmaßnahmen auch für diese Branchen sein. Für die österreichischen Maschinenbauer und OEM-Zulieferer wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass ihre Lieferketten wieder annähernd friktionsfrei funktionieren. Für die Zeit nach Überwindung der unmittelbaren Krise arbeiten wir an einem weiteren Instrumentenkoffer für unsere Betriebe und damit Arbeitsplätze in Österreich.

Umweltökonomen wie Stefan Schleicher fordern, dass man alle Corona-Investitionshilfen jetzt in Richtung Umwelt und Klimaschutz tätigt. Meine Frage: könnte sollte dieses Konjunkturpaket eine Ökoausrichtung haben?

Schramböck Wenn uns die Renaissance der Produktion in Europas gelingt, bedeutet das fast automatisch einen Beitrag zur CO2- Bilanz. Weil ich die Produkte nicht mit Frachtschiffen über die Weltmeere bringen muss. Und weil die europäischen Produzenten in der Regel sauberer und mit weniger CO2-Ausstoß produzieren als anderswo. Wir haben in Österreich viele kleine Unternehmen und mittelständische Familienbetriebe, die in Generationen und über lange Zeiträume denken. Auch die Großen – denken wir etwa an die voestalpine – arbeiten umweltbewusster als die internationale Konkurrenz. Das neue Stahlwerk in Kapfenberg wird das modernste der Welt. So traue ich mich schon zu sagen, dass jede Tonne Stahl, Zement oder Papier, die in Österreich produziert wird, ein Beitrag zum globalen Klimaschutz ist.

Sollen darüber hinaus grüne Technologien wie Wasserstoff besonders gefördert werden?

Schramböck Die heimische Umwelttechnologiebranche ist sehr innovativ und dynamisch wachsend. Beispielsweise stammt die weltgrößte Wasserstoffpilotanlage von einem österreichischen Unternehmen. Wir sind klarer Vorreiter auf diesem Gebiet, und darauf sollen wir auch in Zukunft bauen.

Was schätzen Sie wie lange wird es dauern bis die heimische Industrie wieder mit 100 Prozent produziert?

Schramböck Ich habe keine Glaskugel, in die ich schauen kann. Es gibt die unterschiedlichsten Prognosen, die aufgrund der volatilen Situation natürlich laufend angepasst werden müssen. Die meisten Prognosen gehen aber von einem Wachstum ab 2021 aus, und wir werden alles tun, damit wir so rasch wie möglich auf Vollproduktion zurückkommen. Ob das gelingt, hängt allerdings auch von der Entwicklung der umliegenden Staaten und unseren Haupt-Handelspartnern ab. Vor allem von den USA, China, Deutschland und Italien.