Interview : "Wir agieren auf einem unbespielten Feld"

Schöndorfer FACC
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Herr Schöndorfer, Sie leiten die neue Innovationseinheit bei FACC. CEO Robert Machtlinger bündelte darin die Innovationsagenden – angefangen von F&E, Material- und Prozesstechnologie bis hin zur Innovation und dem Bereich geistiges Eigentum. Lastet hier folgerichtig ein Megaressort auf Ihren Schultern?

Christoph Schöndorfer Die Rollen sind klar vergeben und die Verantwortung ist auf mehrere Schultern verteilt. Mit Hannes Schlosser aus dem Automatisierungsbereich und Alexander Hochmeier, der im Oktober die Leitung im IT­-Ressort der FACC übernommen hat, sind wir gut aufgestellt.

Welche Idee stand hinter der Gründung der Einheit?

Schöndorfer Als wir vor eineinhalb Jahren dem Vorhaben ein Gesicht gaben – nämlich meines –, war noch nicht klar, wohin wir uns genau bewegen werden: Wird der Schwerpunkt im Produktionsumfeld, beim Etablieren digitaler Geschäftsmodelle oder etwa beim Internet der Dinge liegen? Heute sind wir bei der Frage ein großes Stück weiter. Das Bild ist viel klarer.

Das Geschäft mit Instandhaltung und Nachrüstung – Stichwort sensor-gestützte Komponenten oder barrierefreie Bordtoiletten – soll FACC zusätzliche Einnahmen in die Kassen spülen. Ihr Fokus liegt aber auch auf den digitalen Produkten der nächsten Jahre. Und den daraus entstehenden neuen Services.

Schöndorfer Es geht um die großen Zukunftsfragen in einem sehr konservativen Geschäft. Denn was hat sich in der Luft­ fahrt groß getan in den letzten 20 Jahren? Wie viel Sensorik sehen Sie im Innenraum eines Flugzeugs? Optisch sitzen wir oft noch in denselben grauen Möbeln, auch wenn sich hier technisch viel getan hat. Eine Frage, die sich im Übrigen auch der Schienenverkehr stellen muss: Welche Innovationen hat es außer einer Steckdose für den Laptop im Zug noch gegeben? Schienenverkehr und Luft­ fahrt sind massiv gefordert, das Thema Nutzererlebnis zu überdenken.

Was stellen Sie sich vor?

Schöndorfer Natürlich ist vieles bei uns noch im stillen Kämmerlein. Aber denken Sie an smarte Komponenten. Ein Flugzeug verdient nur Geld, wenn es in der Luft ist. Alles, was der Fluglinie hilft, das Boarding zu beschleunigen, ist zu prüfen. Die sensorgestützte, automatisierte Zuweisung von Gepäckfächern wäre so ein Benefit für den Betreiber. Die Standzeiten wären niedriger, und damit auch die Höhe der Flughafengebühr – und am Ende die Ticketpreise. Ein extrem spannendes Feld, mit dem wir unseren Kundenkreis grundlegend neu definieren wollen.

Ist da Ärger mit den OEMs, den Flugzeugbauern vorprogrammiert?

Schöndorfer Ich sehe jetzt nicht die riesige Gefahr einer konfrontativen Situation. Viel­ mehr agieren wir auf einem relativ unbespielten Feld. Der Markt darf frei entscheiden, ob er die FACC-­Lösung will oder womöglich eine Standardlösung. Wir wollen und werden uns jedenfalls behaupten.

Was Tradition im Unternehmen hat...

Schöndorfer Betrachtet man die Geschichte, bot FACC immer Lösungen an, die es so auf dem Markt vorher nicht gab. In den Anfängen noch bei Fischer Ski beherrschte man eine Technologie, für die dann die Luftfahrt zur Paradebranche wurde. FACC behauptete sich gegen große Mitbewerber. Es ist ja nicht so, als ob die Welt damals auf FACC gewartet hätte. Auch heute werden wir im globalen Wettbewerb selbst mit den tollsten Automatisierungsinitiativen und der digitalen Fabrik nicht die Rolle des preiswertesten Anbieters einnehmen können – das streben wir auch nicht an.

Wie steht es um das Flugtaxi-Projekt mit Ihrem chinesischen Air-Mobility- Partner EHang?

Schöndorfer Technisch ist das Produkt, das wir hier am Standort produzieren, voll einsatzfähig. Der chinesische Partner liefert das Mobilitäts­-Ökosystem, wir den extremen Leichtbau und das Luftfahrt­ Know-­how. Im nächsten Schritt geht es um die Zulassungen. Diese können im Gegensatz zu kommerzieller Luftfahrt sehr regional erteilt werden, für Megacitys wie Dubai oder auch Kommunen wie London.

Schon das Testen ist ja strengen Auflagen unterworfen. Wie wollen Sie das lösen?

Schöndorfer Etwa über ein Forschungsprojekt gemeinsam mit der FH Joanneum, die als Konsortialführer mit uns an der Etablierung von Testgebieten für die Open­-Air­-Mobilität arbeitet, und zahlreichen Partnern. Korridore, Zeitslots, Infrastruktur, das volle Programm. Das braucht es auch. Würden wir aktuell bei uns auf der grünen Wiese die Maschine nur fünf Zentimeter abheben lassen, hätten wir ein Problem mit der Luftfahrtbehörde Austro Control.

Sie sind ausgebildeter Physiker und promovierten im Bereich Nanotechnologie. 2010 gingen Sie unter die Start-up-Gründer. Ihre Story?

Schöndorfer Zwei Gläser Blaufränker bei Wein&Co am Wiener Naschmarkt, zwei Personen, die sich dabei ungezwungen austauschten, und wider Erwarten war die Idee am nächsten Morgen immer noch gut. Bald hatten wir für ein Photovoltaik­-System, das sich wie die Blüte einer Blume nach der Sonne aus­ richtet, ein Patent in der Tasche und genügend Start­ kapital gesammelt. Und dann ging es auch schon los.