Standort Österreich : Wifo und IHS: Coronahilfen waren richtig - aber die Schuldenlast ist enorm

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Die Geld- und Konjunkturhilfen der Regierung gegen die Coronaviruskrise waren absolut notwendig und richtig, auch wenn dies das Budgetdefizit enorm hochtreibt - das betonten die Chefs von Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und Institut für Höhere Studien (IHS). Gegen das größte, länger bleibende Problem der hohen Arbeitslosigkeit forderten sie Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.

"Der Arbeitsmarkt ist das sozialpolitisch dramatischste Kapitel" an der Coronakrise, meinte Wifo-Leiter Christoph Badelt, weil nicht einmal alle Betroffenen in der Statistik auftauchen würden, etwa Ein-Personen-Unternehmer, die gleich in die Mindestsicherung abzurutschen drohten. Die Arbeitslosenrate, 2019 nach nationaler Rechnung 7,4 Prozent, dürfte laut neuen Konjunkturprognosen von Freitag heuer auf 9,7 (Wifo) bis 10,2 (IHS) Prozent klettern und auch 2021 mit 8,9 bzw. 9,2 Prozent recht hoch bleiben.

"Arbeitsmarkt ist das dramatischste Kapitel"

"Wir werden eine aktive Arbeitsmarktpolitik brauchen, um möglichst wenig Langzeitarbeitslosigkeit entstehen zu lassen", sagte IHS-Chef Martin Kocher vor Journalisten. Vor allem Einsteiger in den Beruf seien betroffen, hier müsse man eine "verlorene Generation" vermeiden, forderte er im Radio aktive Arbeitsmarktmaßnahmen. Für den Herbst bedürfe es eines großen Pakets an Maßnahmen. Die Sozialpartner würden schon darüber verhandeln, auch zum Thema Qualifizierung. Klarheit darüber erhoffe er sich bereits für Juli: "Wir müssen schauen, dass möglichst wenig aus der Kurzarbeit in die Arbeitslosigkeit kommen., so Kocher.

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Sowohl IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer als auch, bedingt, Wifo-Chef Badelt können sich eine Verlängerung der speziellen Corona-Kurzarbeit für bestimmte besonders belastete Branchen vorstellen, etwa Tourismus oder Gastronomie. Ansonsten würde man zum normalen Kurzarbeitsmodell zurückkehren, wie es seit 1968 besteht, so Hofer im Pressegespräch. "Gegen die Kurzarbeit alt hab' ich nichts", meinte Badelt, warnte zugleich aber davor, die jetzigen Sonder-Alimentierungen zu lange, in eine bessere Konjunktur hinein zu geben. Wenn das Einkommen gleich hoch sei ob man arbeite oder nicht, sei das ökonomisch kein guter Anreiz, betonte der Wifo-Chef, auch wenn das die Gewerkschaft nicht freue. Großzügigere Branchenlösungen, für Tourismus oder auch einige Industriesparten wie die voestalpine, die unter Exportproblemen leide, könne er sich schon vorstellen.

"Kleine Selbstständige als neue Form des Proletariats"

Dass das Arbeitsmarktservice (AMS) für die Krise nicht die richtigen Instrumente habe, wolle er nicht sagen, so Badelt vor Journalisten, aber vor allem bei den Jungen werde das AMS oft als Substitut für Ausbildung verwendet. Junge Menschen seien besonders gefährdet, das sei "fatal". Dringend nötig seien Qualifizierungsmaßnahmen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Schwierig werden könnte es für kleine Selbstständige, "da kann sich eine neue Form des Proletariats bilden", sagte er im Radio.

"Das regt uns nicht wahnsinnig auf", dass das Budgetdefizit durch die "wichtigen Nothilfen" der Regierung heuer auf 10 oder 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen wird, meinte Badelt - nach einem kleinen Maastricht-Überschuss im vorigen Jahr. "Hätten wir diese Rosskur", nämlich die Regierungshilfen, nicht gehabt, hätte es "eine Katastrophe" gegeben, erklärte Badelt.

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Sehr hohe Schuldenlast - über Jahre hinaus

Für die Staatsschuldenquote rechne man mit einem Wert "bis in die oberen 80 Prozent" gegenüber früher 70 Prozent. Bei der Defizitquote werde Österreich "bis 2024 nicht unter die 3 Prozent kommen", erwartet der Wifo-Chef: "Das 2021er Budget steht noch im Schatten von Corona, da wird man jedes Defizit akzeptieren." Auch Kocher begrüßt das rasche Handeln der Regierung: "Die Maßnahmen waren zur Bewältigung der Krise notwendig, auch wenn sie den Staatshaushalt belasten."

Nach Abflauen der Krise werde man trachten müssen, Klein- und Mittelbetrieben eine bessere Kapitalausstattung zu ermöglichen - viele KMU hätten nämlich zu wenig oder gar ein negatives Eigenkapital, so Badelt. Es gebe derzeit viele Firmen, "die es eigentlich nicht mehr geben sollte". Im Konjunkturprogramm der Regierung stehe zum Eigenkapital derzeit nicht mehr als die "Überschrift"; es gelte privates Kapital, Risikokapital "herauszulocken", auch aus den Stiftungen. (APA/red)

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