Energieversorger : Wiener Stadtwerke: Sektorkopplung im Mittelpunkt der Energiewende

Umwelt Industrie Wien Emissionen Emission Klimawandel Abgase
© APA/ROLAND SCHLAGER

Wiener-Stadtwerke-Vizegeneraldirektor Peter Weinelt hält die Energiewende für machbar, sie muss seiner Ansicht nach aber rasch angegangen werden. Die Sektorkopplung ist dabei für ihn ein Schlüssel zum Erfolg auf dem Weg zu einem CO2-freien Energiesystem. Nur den Strombereich zu betrachten, würde zu kurz greifen, sagte Weinelt im APA-Gespräch.

Speicher im Zentrum - und Sektorkopplung

Wenn man das Energiesystem ändern wolle, müsse man das gesamte Energiesystem betrachten, da gehörten auch der Wärme- und der Verkehrssektor dazu. Angesichts dessen, dass immer mehr Menschen in Städten leben, sei das Thema Energiewende in den Städten daher vorrangig zu lösen. Wien sei eine der am stärksten wachsenden Städte in Europa.

Weinelt betont die Wichtigkeit von Speichern bei Energie aus erneuerbaren Quellen. Kurzfristig seien dafür große Batterien möglich, "aber das wird nicht ausreichen", man werde Energie langfristig speichern müssen. Bei Photovoltaik etwa gibt es im Sommerhalbjahr die stärkste Sonneneinstrahlung, im Winterhalbjahr den stärksten Bedarf an Strom und Wärme, daher seien Jahresspeicher nötig. Eine Möglichkeit neben Stau- und Speicherseen sei die Umwandlung von Überschussstrom etwa aus Windkraft in Gas. Die entsprechende Infrastruktur sei vorhanden.

Die Sektorkopplung sei eine Schlüsseltechnologie, um die Energiewende zu schaffen. In Wien sei ihm dabei wichtig, dass man mit den Stadtwerken und mit den Tochterunternehmen Wien Energie und Wiener Netze Vorreiter sei und das in der praktischen Umsetzung mit den Kunden entsprechend weitertreibe.

Die Energiewende hänge auch von den politischen Rahmenbedingungen ab. Die Wiener Stadtwerke hätten sich genau angeschaut, wie man auf der Strom-, Wärme- und Mobilitätsseite auf eine CO2-freie Welt umsteigen könnte. "Das wäre bis 2050 machbar mit einem sehr engagierten Programm, und wir machen das auch." Laut einer im Vorjahr präsentierten ecofys-Studie im Auftrag der Wien Energie dürfte es 28 Mrd. Euro an Investitionen kosten, damit Wien bis zum Jahr 2050 CO2-frei werden könnte. Das größte Dekarbonisierungspotenzial gibt es demnach bei Wärme und Verkehr.

Die für Produktion und Vertrieb zuständige Tochtergesellschaft Wien Energie werde heuer in Summe mehr PV installieren als in den letzten zehn Jahren, so Weinelt. In Betrieb genommen habe man im Vorjahr auch eine Großwärmepumpe, es würden mehr werden müssen. Die Wärmeversorgung der österreichischen Haushalte könnte mittelfristig auf "grünes Gas" und andere erneuerbare Systeme umgestellt werden, das entspreche einem Volumen von 2 Mrd. Kubikmetern. Das sei bis 2050 machbar - wenn politisch gewollt, vielleicht auch schon 2040.

Man müsse jedenfalls mit Volldampf anfangen. Um das Regierungsziel von bilanziell 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen bis 2030 zu erreichen, bräuchte man das 100.000-Dächer-Programm im Bereich Photovoltaik ab heuer jedes Jahr bis 2030. "Wir sind Gewehr bei Fuß, wir sehen uns als Branche ja nicht als Verhinderer", man wolle investieren, aber es müsse Rahmenbedingungen geben, um das auch wieder verdienen zu können. Das sei auch abhängig von Förderungen, mit denen es sehr schnell gehen solle. Dabei gehe es nicht nur monetäre Unterstützung, sondern auch um gesetzliche Rahmenbedingungen, etwa im Bereich Photovoltaikanlagen auf Eigentumswohnungshäusern. Die Verbrennung von Biogas sei von der Erdgasabgabe befreit, die Einspeisung dagegen nicht - damit werde die Durchsetzung solcher Technologien nicht gerade begünstigt. Weinelt betont auch die Wichtigkeit der Langfristigkeit, denn es handle sich im Energiebereich um Investitionen für Jahrzehnte, etwa bei Gebäudesanierungen aber auch Kraftwerksbauten.

Es gebe bereits verschiedene Förderschienen, die man zweckwidmen könnte - einerseits Forschung und andererseits Anwendung gemeinsam mit der Wirtschaft. Vieles könne noch nicht von der Stange geliefert werden, das sei auch eine große Chance für die Industrie in Österreich. Weinelt verweist in diesem Zusammenhang auf die Aspern Smart City Research (ASCR) in Wien. Die ASCR wurde von Siemens, Wien Energie, Wiener Netze, Wirtschaftsagentur Wien und der Seestädter Entwicklungsgesellschaft Wien 3420 AG ins Leben gerufen und forscht mit Echtdaten aus dem Stadtentwicklungsgebiet Aspern-Seestadt an Lösungen für die Energiezukunft im urbanen Raum.

Zum Thema Förderung der Gas-Kraft-Wärme-Kopplung(KWK)-Anlagen erwartet Weinelt, dass diese im Zuge der Gesetzwerdung, die im Rahmen der Klima- und Energiestrategie "Mission 2030" kommen müsse, wieder thematisiert wird. Die Gaskraftwerke werden für das Engpassmanagement zur Stabilisierung der Stromnetze eingesetzt: Für drei Jahre wurde die Bereitstellung einer Leistung von 1.555 MW mit vereinbart. Insgesamt umfasst der Kraftwerkspark der Wiener Stadtwerke eine installierte Leistung im Strombereich von rund 2.158 Megawatt (MW). "Damit sind wir für die nächsten drei Jahre einmal gut unterwegs", sagte Weinelt. Man lebe aber von der Substanz, vom für die Zukunft wichtigen Neubau sei man weit weg. Der Kraftwerkspark in Wien, aber auch im Umland, habe ein gewisses Alter erreicht. Neue Kraftwerke könnten aber nicht in einem Zeitraum von unter fünf Jahren gebaut werden, dies bereits unter der Annahme einer sehr schnellen Umweltverträglichkeitsprüfung und bestehender Standorte. Bei der Gesetzwerdung werde man - sehr optimistisch angenommen - 2020 sein.

Smart Meter sollen bis 2022 kommen - bei allen Kunden

Bei den digitalen Stromzählern sind die Wiener Netze mitten im Ausrollen und halten daran fest, bis 2022 alle Kunden mit Smart Meters ausgestattet zu haben. Der Kunde müsse den Zählertausch nicht extra bezahlen, dieser werde über die Netztarife abgerechnet. Die Netztarife werden von der Energieregulierungsbehörde E-Control festgelegt.

Dazu:

Burgenländerin will keinen Smart Meter - Versorger dreht Strom ab >>

Das 900 Mitarbeiter im Energiebereich umfassende und 2016 gestartete Sparprogramm wurde im Vorjahr abgeschlossen. Das Ziel dieses Sozialprogramms sei - mit allen Maßnahmen, darunter auch Golden-handshake-Programme, Altersteilzeit und Umschulungen - erreicht worden. Die Fachleute würden von den Stadtwerken selbst ausgebildet. Pro Jahr werden zwischen 100 und 120 Lehrlinge aufgenommen. Die Stadtwerke versuchen auch verstärkt, weibliche Lehrlinge in die technischen Berufe zu bekommen. "Das gelingt uns immer besser, wir sind aber nicht zufrieden", so Weinelt. Ziel sei ein Anteil von 50 Prozent, aktuell sind es über 10 Prozent.

Die im Eigentum der Stadt Wien stehende Wiener Stadtwerke GmbH machte 2017 einen Umsatz von 3,45 Mrd. Euro und einen Konzern-Jahresgewinn von 96 Mio. Euro. Beschäftigt sind mehr als 15.000 Mitarbeiter. Wichtige Tochtergesellschaften sind die Wiener Linien, Wien Energie, Wiener Netze und Bestattung Wien. (apa/red)