Autoindustrie : Wiener Motorensymposium: Autos werden für 5.000 Betriebsstunden gebaut

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© Matthias Heschl

Eine Mobilität mit null Emissionen durch einen elektrischen Antrieb ist mit Batterien oder mit Brennstoffzellen und Wasserstoff möglich. Gegenüber dem batterieelektrischen hat der Brennstoffzellenantrieb den Vorteil der höheren Energiedichte sowie dass die Tankzeiten für Wasserstoff kurz sind, so die AVL List in ihrem Beitrag.

Das macht die Brennstoffzelle nicht nur für Pkw, sondern auch für Nutzfahrzeuge, Schifffahrt und Eisenbahn interessant. Je nach Einsatzbereich gelten unterschiedliche Zielvorgaben.

Lebensdauer von Autos: Die wirkliche Zahl zur geplanten Obsoleszenz

Bei Pkw ist derzeit eine hohe Leistungsdichte mit 4 kW pro Liter gefragt, aber eine in Wirklichkeit vergleichsweise geringe Lebensdauer von 5.000 Betriebsstunden. Um zu verdeutlichen, was diese Zahl bedeutet, hier eine Modellrechnung: Jemand, der ein Auto kauft und es jeden Tag 12 Stunden fährt, hat schon nach 14 Monaten deutlich mehr als 5.000 Betriebsstunden zusammen. Anders formuliert: Kauft man sich Anfang Jänner ein nagelneues Auto und fährt damit jeden Tag 12 Stunden, ist das Fahrzeug Ende Februar des folgenden Jahres - rein theoretisch - reif für den Schrottplatz.

Ganz anders bei Bahnen und Nutzfahrzeugen

Ganz anders das Bild bei der Bahn und bei Nutzfahrzeugen, wie es auf dem Wiener Motorensymposium hieß. Bei der Bahn lauten demnach die Vorgaben bei der Leistungsdichte 2 kW pro Liter und bei der Betriebsdauer 30.000 Stunden. Diese Lebensdauer wird auch für Lastwagen erwartet.

In den vergangenen Jahren hat sich, so der Autozulieferer AVL List, "der Schwerpunkt der Entwicklung von Brennstoffzellen-Antriebssystemen von der Pkw- hin zur Nutzfahrzeug-Anwendung verschoben." Ein Grund dafür sind neue Verbrauchsvorgaben: Lkw müssen wie Busse in der EU bis 2025 den CO2-Ausstoß um durchschnittlich 15 Prozent gegenüber 2019 senken, ab 2030 um 30 Prozent. Überschreitungen werden pro Gramm CO2 je Tonnenkilometer (tkm) mit hohen Strafzahlungen von mehreren tausend Euro geahndet. Das macht alternative Lösungen zum vorherrschenden Dieselantrieb unabdingbar.

Die größten Herausforderungen für Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe

Je nach gewünschter Reichweite hat der Brennstoffzellenantrieb für Lkw große Vorteile gegenüber einem batterieelektrischen: Er ist etwa nicht schwerer als ein aktueller Dieselantrieb. Das heißt, dass die Nutzlast voll erhalten bleibt, was für Lkw meist sehr wichtig ist. Der Brennstoffzellenantrieb hat laut AVL List sogar das Potenzial, bei den Total-Cost of Ownership (TCO, Gesamtbetriebskosten) mit dem Dieselantrieb gleichzuziehen, wenn ein Wasserstoffpreis von rund 4 bis 5 Euro/kg erzielt wird. Große Verbesserungen sind noch bei den Brennstoffzellen sowie der Kühlung nötig.

Die AVL entwickelt derzeit im Projekt "Hytruck" ein auf Lkw optimiertes Brennstoffzellensystem, das auch den systemimmanenten Zielkonflikt zwischen hoher Leistungsdichte und Lebensdauer entschärfen soll.

Hyundai hat bereits mehrere Generationen von Pkw mit Brennstoffzellenantrieb in Serie. Neben Bussen wurden inzwischen auch Lkw mit diesem Antrieb zur Marktreife gebracht. Die Brennstoffzellenleistung der Schwerlastfahrzeuge beträgt 190 kW, das entspricht der doppelten Leistung des Hyundai-Pkw Nexo mit diesem Antrieb. In Südkorea sind Busse und Lkw mit Brennstoffzellenantrieb bereits auf der Straße. Bis 2025 will Hyundai 1600 Brennstoffzellen-Lkw in die Schweiz liefern.

Wasserstoff im Verbrennungsmotor

Aus mehreren Gründen könnte Wasserstoff im Verbrennungsmotor eine Renaissance erleben, gerade für Nutzfahrzeuge, wo die Kosten im Vordergrund stehen:

Wasserstoff im Verbrennungsmotor ist deutlich schneller und kostengünstiger einsetzbar als im Brennstoffzellenantrieb. Dies gilt vor allem in Ländern, wo es bereits eine gute

Wasserstoff-Infrastruktur gibt wie Japan, Korea und China.

Der Wasserstoffmotor kann den gleichen Tank verwenden wie ein Brennstoffzellenantrieb, das senkt die Kosten beträchtlich.

Im Verbrennungsmotor muss Wasserstoff nicht den extrem hohen Reinheitsgrad aufweisen wie für Brennstoffzellen. Dies ist besonders bei der Herstellung des Wasserstoffs aus biogenen Quellen („grünem Wasserstoff“) interessant.

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Zwei Vorträge auf dem Symposium widmen sich diesem Thema: Ein Projekt wird von Bosch und dem Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der Technischen Universität Graz vorgestellt. Im Fokus steht ein Wasserstoffantrieb für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.

Der zweite Vortrag stammt von Keyou. Das deutsche Unternehmen konzentriert sich auf den Wasserstoffantrieb für Nutzfahrzeuge. Die Entwicklung wird durch eine EU-Regelung unterstützt: Sie definiert ein schweres Nutzfahrzeug dann als emissionsfrei, wenn es mit oder ohne Verbrennungsmotor weniger als 1 Gramm CO2/kWh emittiert. Dipl.-Ing. Thomas Korn von Keyou: „Von allen bestehenden Verbrennungskonzepten werden Wasserstoff-Verbrennungsmotoren die einzigen sein, die diese Grenzwerte einhalten können.“

Einig sind sich alle, dass bis 2050 der Wasserstoff CO2-neutral („grüner Wasserstoff“) erzeugt werden muss, um die Klimaziele zu erfüllen. Heute wird Wasserstoff noch zum Großteil aus Erdgas („grauer Wasserstoff“) gewonnen. In der EU fehlt bislang laut Shell eine spezifische Wasserstoffstrategie.

Synthetische Kraftstoffe: Größte Herausforderung ist der Aufbau einer Produktion im Gigatonnenbereich

Mehr Offenheit wünscht sich Prof. Dr. Robert Schlögl vom Max Planck Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr bei der Betrachtung der Energieträger für die künftige Mobilität. Die aktuelle Konzentration auf die batterieelektrische Mobilität übersehe mehrere Fakten:

Die weltweite Verfügbarkeit von Strom. Sogar in Zentraleuropa würden die Kraftwerkskapazitäten unter Berücksichtigung realistischer wirtschaftlicher Bedingungen und sozialer Akzeptanz nicht fähig sein, auch nur den Selbstbedarf an fossiler Energie durch Strom zu ersetzen.

Allein in der EU-28 übertraf 2017 der Erdölbedarf des Transportbereichs den gesamten Strombedarf. Gleichzeitig ist das Stromangebot seit zehn Jahren ebenso konstant wie der Verbrauch, nur die Energiequellen haben sich geändert. Es gibt vor allem mehr

Windstrom.

Weltweit werden derzeit jede Sekunde zwei Autos erzeugt, insgesamt rund 80 Millionen pro Jahr. Der Gesamtfahrzeugbestand weltweit beträgt rund zwei Milliarden. Diese auf eine neue Technologie standardmäßig umzustellen, brauche Zeit.

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Hier können synthetische Kraftstoffe den Ansatz des elektrischen Antriebs ergänzen. Sie eignen sich außerdem sehr gut als dringend nötiger Speicher für erneuerbaren Strom. Schlögl ist überzeugt, dass dieser künftig zumindest in der Höhe des aktuellen Imports fossiler Energie importiert werden muss. Auch Shell ist überzeugt, dass das lokale Produktionspotenzial für erneuerbaren Strom in Europa nicht reichen wird. Außerdem könnte dieser Strom in dafür besser geeigneten Regionen deutlich günstiger hergestellt werden.

Wasserstoff ist der erste Kraftstoff, der in der Herstellungskette von synthetischen Kraftstoffen entsteht. Ein Energiesystem ausschließlich auf Wasserstoff aufzubauen, hält Schlögl aber für unrealistisch. Synthetische Kraftstoffe, die aus Wasserstoff und CO2 synthetisiert und auch E-Fuels genannt werden, seien als Energieträger billiger, weniger gefährlich und sozial akzeptierter.

Synthetische Kraftstoffe haben einen weiteren großen Vorteil, erklärt Emissionsexperte Dr. E. Jacob. Sie sind flüssig und können in vorhandenen Motoren eingesetzt werden. Diese E-Fuels der 2. Generation ermöglichen eine signifikante Reduktion der Systemkomplexität des Motors und der Abgasnachbehandlung. Auch als Beimengung zu fossilen Kraftstoffen sind bereits spürbare Emissions-und CO2-Rückgänge festzustellen.

Zwar ist der Gesamtwirkungsgrad synthetischer Kraftstoffe gegenüber einer direkten Elektrifizierung deutlich schlechter, allerdings sind sie in vorhandener Infrastruktur verwendbar und ihr Potenzial ist deutlich höher als der Weltenergiebedarf. China setzt aus Gründen der Energieautarkie für Mobilität nicht mehr allein auf Elektroantriebe, sondern langfristig auf Methanol aus Kohle und Wasserstoff als Energieträger. Jacob: „Die größte Herausforderung ist hierbei, den Aufbau von Produktionsanlagen im Gigatonnenmaßstab zu realisieren.“

(red)