Grüne Logistik Beispiele : Wie grün will die Logistik sein?

Post-Auto an E-Zapfsäule
© dualpixel.photography

Sie stehen am Pranger. Dreißig Prozent der Treibhausgasemissionen in Österreich kommen aus dem Verkehr. Logistiker verursachen zwar nur einen Bruchteil davon, gelten aber in der öffentlichen Wahrnehmung dennoch als besonders problematisch: LKW­-Kolonnen auf den Autobahnen, Zustellbusse, die die Innenstädte zu­ parken, und erst recht die vielen Leerfahrten – die Branche hat ein Imageproblem.

Was, wie Rainer Schwarz, Geschäftsführer bei dpd Austria, erklärt, vor allem an ihrer Sichtbarkeit liege: „Die Paketzusteller verursachen zwar einen minimalen Bruchteil der Abgase im Stadtverkehr, aber die Fahrzeuge sind dank ihrer großen Logos gut sichtbar. Der Installateur, der zum Kunden fährt, fällt nicht so auf, andere Handwerker auch nicht, dabei stoßen sie Tag für Tag deutlich mehr CO2 in die Luft als Paketdienstleister“, sagt er.

Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in Ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!

Zahlen, die Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU, mit seinem Team erhoben hat, zeigen, dass Schwarz Recht hat. So ist in Wien die City-­Logistik gerade einmal für 0,8 Prozent des Verkehrsaufkommens verantwortlich, Handwerk und Gewerbe kommen mit ihren Fahrten auf 6 Prozent, unschlagbar vorne liegt aber der Individualverkehr mit 86,5 Prozent. Anders als viele Private ist die Paket-­Logistik auch eine Branche, die beim Umstieg auf nicht­fossile Antriebe beträchtliches Engagement zeigt.

Österreichische Post auf dem Weg zur CO2-freien Zustellung

Die Österreichische Post ist eines von vielen heimischen Unternehmen, die erfolgreich Maßnahmen der grünen Logistik in der Praxis umgesetzt haben. Von den 9.700 Fahrzeugen, die die Österreichische Post im Einsatz hat, fahren zum Beispiel schon heute 2.100 elektrisch – mehr als zwanzig Prozent. Weitere 800 Fahrzeuge sind geordert. Schon seit 10 Jahren stellt die Post CO2­-neutral zu. Bis 2030 will sie auf der letzten Meile völlig CO2-­frei sein, dann wird die letzte Meile ausschließlich mit fossilfreien Antrieben bedient werden. In Graz soll dieses Ziel noch in diesem Sommer erreicht werden. „Das wird dann die erste Großstadt Europas sein, die das schafft“, sagt der für den Bereich Paket und Logistik verantwortliche Post­ Vorstand Peter Umundum und ergänzt: „Wir profitieren heute davon, dass wir sehr früh auf das Thema E­-Mobilität gesetzt haben.“

Lesen Sie dazu auch: Die 55 größten Logistiker Österreichs!

Ein anderer Vorteil, den die Post aus­ spielen kann, ist die gemeinsame Zustellung von Briefen und Paketen. Dadurch kann der einstige Monopolist auch für die Paketzustellung kleinere Fahrzeuge nutzen, bei denen der Verlust des Ladevolumens durch den Elektroantrieb nicht so stark ins Gewicht fällt. Auch die durchschnittlichen Fahrtlängen pro Tag sind bei der Post mit knapp 100 Kilometern niedrig genug, um keine Reichweitenprobleme zu verursachen.

Bei dpd, sagt Schwarz, seien es hinge­ gen eher 200 Kilometer pro Tag, die ein Fahrzeug fährt, in manchen ländlichen Regionen auch 300. Batterieelektrisch geht sich das im Moment noch nicht wirklich aus. „Derzeit haben wir daher nur fünfzehn E­-Fahrzeuge im Einsatz, gehen aber davon aus, dass in zwei bis drei Jahren die technische Entwicklung noch einmal einen Sprung nach vorne gemacht haben wird und dann elektrisch sowohl mehr Laderaum als auch mehr Reichweite möglich ist.“

Alternativen zu batterieelektrischen Antrieben

Allerdings: Langstrecken und Schwerverkehre batterieelektrisch zu bedienen, das wird noch länger problematisch sein. In der aktuellen Diskussion wird dieser Punkt aber fast völlig ausgeblendet. Das findet jedenfalls Alexander Friesz, Vorstandsmitglied bei der Salzburger Lagermax­-Gruppe und Präsident des Zentralverbandes Spedition & Logistik: „Ich habe den Eindruck, dass sich das Umweltministerium in dieser Frage etwas vor­ macht. Man tut so, als wäre batterieelektrisches Fahren das allein selig machende Mittel. Aber kein halbwegs informier­ter Mensch kann glauben, dass man in Zukunft Transportverkehre zur Gänze mit dieser Technologie bewältigen wird können. Das ist reines Wunschdenken.“ Das bedeute ja nicht, dass man nicht weiter zu E­-Antrieben forschen solle, sagt Friesz, zugleich sollte man aber auch bei anderen alternativen Antrieben schleunigst in die Gänge kommen, etwa bei Wasserstoff.

Lesen Sie dazu auch: Innio treibt Projekt Grüner Wasserstoff zügig voran

Denn, auch das hat Sebastian Kummer errechnet, selbst wenn das sehr ambitionierte Ziel erreicht wird, den Bahnanteil am Transport bis 2040 auf 40 Prozent hochzuschrauben, wird der Straßengüterverkehr dennoch weiter steigen – selbst in diesem Optimalszenario um satte 21 Prozent.

Dass beim Thema Wasserstoff Eile Not tue, betont auch Alexander Klacska, Geschäftsführer der Klacska-­Group und Obmann der Sparte Transport und Verkehr in der WKO: „Österreich hat bis heute keine Wasserstoffstrategie beschlossen. In Deutschland hat man hingegen erkannt, dass man sich schon jetzt darum kümmern muss, woher der grüne Wasserstoff in Zukunft kommen soll“, sagt er.

Lesen Sie hier noch: Energiewende: Wo es für Wasserstoff keine Alternativen gibt

Europa sollte massiv in Sonnenenergie­ und Windenergieanlagen in Nordafrika und Südamerika investieren und dort eine Infrastruktur aufbauen, um Wasserstoff zu produzieren
Alexander Klacska, Geschäftsführer der Klacska-­Group und Obmann der Sparte Transport und Verkehr in der WKO

Wasserstoff als Schlüssel zur CO2-freien Logistik

Das Bild, das Klacska in der Folge zeichnet, mutet fast visionär an, könnte aber eine Möglichkeit sein, auch den Schwerlastverkehr CO2-­frei zu machen: Europa sollte, findet Klacska, massiv in Sonnenenergie­ und Windenergieanlagen in Nordafrika und Südamerika investieren und dort eine Infrastruktur aufbauen, um Wasserstoff zu produzieren. „Wie heute Erdöl werden wir in Zukunft Wasserstoff importieren. Grün und energieautark – das klingt zwar gut, wird sich aber in Österreich nicht aus­ gehen. So viele Dächer für Photovoltaik, Felder für Windräder und Flüsse für Wasserkraft haben wir gar nicht.“

Lesen Sie dazu auch: Wie die Voestalpine vom PV-Boom profitiert

Wolfram Senger­-Weiss, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Gebrüder Weiss, bringt noch einen weiteren Punkt ins Spiel: das derzeit noch fast völlig inexistente Wasserstoff­-Tankstellennetz. Denn auch wenn einzelne Player wie die OMV mit dem Aufbau einer Elektrolyse-­Anlage in Schwechat erste Schritte in Richtung Wasserstoff gehen – solange der Wasserstoff-­LKW ein Nischenprodukt mit Prototypenstatus bleibt, wird auch kein zuverlässiges Tankstellennetz entstehen.

Lesen Sie hier noch: Unterwegs zum grünen Kraftwerk

Einen Wasserstoff­-LKW habe Gebrüder Weiss – neben weiteren alternativen Antrieben wie Elektro und Gas – bereits in seiner Flotte, erzählt Senger­-Weiss: „Damit wollen wir Erfahrungen sammeln und lernen. Der Wasserstoffantrieb ist vor allem auch vielversprechend auf der langen Strecke im Schwerverkehr. Die Technologie ist ausgereift und stabil. Aber die Kosten sind noch zu hoch und der Einsatzbereich ist aufgrund des reduzierten Radius und der eingeschränkten Verfügbarkeit von Tankstellen nur für ausgewählte Kunden möglich.“ Was man nicht zuletzt auch an den Verkaufszahlen ablesen kann. Hyundai, der im Moment einzige Anbieter von seriengefertigten Wasserstoff­-LKWs, bringt derzeiwelt­ weit 2.000 Stück jährlich auf die Straße. Zum Vergleich: Allein in Österreich wurden im Vorjahr mehr als 40.000 LKWs neu zugelassen, davon kein einziger mit einem Wasserstoff-­Antrieb.

LNG und Schienenverkehr im Blickpunkt

Viele Branchenvertreter wünschen sich daher, dass vor allem im Schwerverkehr auch Übergangslösungen stärker gefördert werden – etwa LNG: „Ja, LNG ist zwar fossil, aber diese Antriebsform hat bessere Werte bei den Stickstoff­-Emissionen und es gibt im Vergleich mit Diesel auch eine deutliche Rußartikelreduktion“, sagt etwa Christian Schöninger, Geschäftsführer bei GLS Austria. Doch anders als in Deutschland, bedauert er, gebe es in Österreich für LNG­-LKWs keine Mautbefreiung. Wie viele andere Logistiker auch setzt GLS seine LNG-­Fahrzeuge daher nur für Linienverkehre, die Deutschland berühren, ein. Rein innerösterreichisch, sagt Schöninger, sei die LNG-­Technologie wirtschaftlich nicht darstellbar und es fehle auch die Infrastruktur.

Wirtschaftlich schwer darstellbar ist in vielen Fällen auch der vehement geforderte Umstieg auf die Schiene. Davor Sertic, Chef von Unitcargo, betreibt ein Geschäft, das im Prinzip wie geschaffen für einen hohen Bahnanteil wäre. Sein Unternehmen bedient auf fixen Routen den Korridor Skandinavien – Balkan.

Lesen Sie dazu auch: Logistik 4.0: Wie die Digitalisierung die Logistikbranche verändert

Sertic hat daher eine Studie in Auftrag gegeben, die klären sollte, ob es möglich wäre, die Kernstrecke zwischen Sopron und Stockholm mit der Bahn zu bedienen: „Die Idee wäre gewesen, dass die kranbaren Auflieger für intermodalen Verkehr per Bahn transportiert wer­ den und die Feinverteilung am Balkan oder in Skandinavien dann mit einer LKW-­Zugmaschine erfolgt.“ Die Bilanz der Studie fiel allerdings ernüchternd aus. Hätte Sertic auf die Bahn gesetzt, wäre es auf einen Schlag um dreißig Prozent teurer geworden. „Das akzeptiert in unserem Geschäft kein Kunde. Intermodale Verkehre rentieren sich bei der aktuellen Preisgestaltung nur für die ganz Großen, die ganze Züge mieten können“, resümiert Sertic. „Wenn du bloß einige Container mitfahren lassen willst, kannst du es leider vergessen.“