Diesel-Manipulation : VW-Zulieferer bleiben auf Teilen sitzen

Mann + Hummel lieferte Kraftstoff- und Luftfilter für die betroffenen Dieselmotoren von Volkswagen. Nun bleibt er auf den Teilen sitzen. Die Vertragsverhältnisse im Autozulieferergeschäft sind dabei hart: Braucht der Hersteller die bestellten Teile nicht, bezahlt er auch nicht. Nur für bereits produzierte Teile und noch nicht ausgelieferte Teile gebe es einen "Verhandlungsspielraum", sagt die Mann + Hummel-Sprecherin. Das könne Geld sein, aber auch Ausgleichslieferungen für andere Fahrzeuge. Wie hoch der Ausfall am Ende sein wird, kann man bei dem Zulieferer, der aktuell Stellen streicht, nicht abschätzen. Man gehe aber davon aus, dass sich die Lage in den kommenden Monaten entspanne.

Über 200 Unternehmen von VW abhängig

Volkswagen hatte wegen des Dieselskandals teilweise die Produktion an einzelnen Standorten zurückgefahren und Sonderschichten an Samstagen gestrichen. Betroffen sind die Werke in Salzgitter, Puebla (Mexiko) und Polkowice (Polen). Die Produktion unter der Woche laufe auf normalem Niveau weiter, so ein Konzernsprecher. Doch die Kapazität ist gedrosselt. Und das bleibt nicht ohne Auswirkungen für die Lieferanten. Laut einer Analyse des "Handelsblatts" mit Hilfe des Finanzdatenspezialisten Bloomberg sind mehr als 200 Unternehmen weltweit von VW abhängig, weil sie direkt Geschäfte mit dem größten europäischen Autobauer machen.

Noch will man in der Zuliefererbranche aber keine Schreckensszenarien heraufbeschwören. "Relativ gelassen", ist man beim Dichtungsspezialisten und VW-Lieferanten Elring Klinger. Selbst beim weltweit größten Zulieferer Bosch, dessen Software für die Motorsteuerung Volkswagen zur Manipulation der Abgaswerte verwendet haben soll, wiegelt man ab. Die betroffene Motorsteuerung könne Bosch in abgewandelter Form auch an andere Hersteller liefern, sagt ein Bosch-Sprecher. Ansonsten äußert man sich bei Bosch zu den Vorgängen bei dem wichtigen Kunden nicht. Auch beim Abgasspezialisten Eberspächer, der noch bis 2014 Teile für die betroffenen VW-Diesel geliefert hat, will man sich nicht an Spekulationen über mögliche Auswirkungen auf die Branche beteiligen.

Einige wenige profitieren

Einige wenige Firmen, so Marcus Berret, Autoexperte der Strategieberatung Roland Berger, könnten sogar kurzfristig von den angekündigten Rückrufen profitieren. "Mittelfristig werden Zulieferer im Abgasbereich davon profitieren, dass die Hersteller noch intensiver darauf achten werden, die Emissionen im reellen Fahrzeuggebrauch weiter zu verringern." Der Stuttgarter Zulieferer Mahle sieht durchaus Hoffnungen: "Sollte es zu einer Verschiebung zugunsten des Pkw-Ottomotors kommen, wären unsere Technologien zur Effizienzsteigerung noch stärker gefragt", sagt eine Sprecherin. Das Gleiche gelte für die Weiterentwicklung des Diesels.

Noch unklar sind allerdings die indirekten Auswirkungen - auch auf andere Autohersteller. Frank Schwope, Auto-Analyst der Nord/LB, erwartet allein für Volkswagen einen Absatzrückgang von ein bis vier Prozent. Daimler und BMW könnten der VW-Tochter Audi seiner Einschätzung nach dagegen sogar Marktanteile abjagen. Der Zulieferer Schaeffler hatte seinen Börsengang wegen des Dieselskandals verschieben und seine Erwartungen an die Aktie zurücknehmen müssen. Doch es überwiegt die Zuversicht. Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann, Gesellschafterin der Schaeffler AG, sagte dem Fernsehsender n-tv: "Dass VW sicher Sorgen bereitet, ist auch keine Frage. Aber ich denke, auch da wird es einen guten Weg geben und einen richtigen Weg."

Große Zulieferer weniger betroffen

Schlägt Volkswagen einen strengeren Sparkurs ein - nachdem der damalige VW-Chef Martin Winterkorn schon im vergangenen Jahr Milliarden-Einsparungen angekündigt hatte - dürfte das an Lieferanten weitergegeben werden. Der neue VW-Chef Matthias Müller warnte bereits: "Klar ist: Unser Ergebnis und die bisherige Finanzplanung kommen massiv unter Druck."

Es liegt auf der Hand, dass es besonders diejenigen träfe, die abhängig von Volkswagen oder dem Dieselgeschäft sind. "Je größer der VW- beziehungsweise Diesel-Anteil ist, desto schwieriger", sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. In Gefahr seien vor allem die Firmen, die mehr als 30 Prozent der Teile an einen Konzern liefern. Großkonzerne wie Bosch und Continental, die zu den größten Zulieferern gehören und Autohersteller weltweit beliefern, haben dagegen weniger zu befürchten. Ein Conti-Sprecher sagte, der Konzern sei auch mit seinem Reifen- und Industriegeschäft so gut aufgestellt, dass man für den Konzern eher Chancen sehe.

Auch bei Mann + Hummel ist man noch nicht in Alarmbereitschaft. "Dafür sind wir auch zu breit aufgestellt", sagte die Sprecherin. "Das trifft jetzt zwei Produkte für einen Kunden." Allerdings bleibt auch bei den Ludwigsburgern ein Quäntchen Unsicherheit: "Wir hoffen, dass es nicht zu sehr andere Hersteller trifft."

Keine Branchen-Krise

Der Automobilzulieferer Schaeffler rechnet durch den Abgasskandal ebenfalls nicht mit einer umfassenden Krise in der Branche. "Die deutschen Automobilhersteller und auch die Zulieferer stehen gut da", sagte Klaus Rosenfeld, Chef des seit kurzem börsennotierten Unternehmens, der "Welt am Sonntag". Die Branche sei global aufgestellt. "Wir partizipieren so seit Jahren auch am Wachstum der aufstrebenden Märkte. Denken Sie etwa an die lokalen Automobilhersteller in China", erklärte Rosenfeld.

Auch wenn manche Experten nun einen erheblichen Rückschlag für die gerade in Deutschland stark vorangetriebene Dieseltechnologie insgesamt erwarten, ist es nach Rosenfelds Ansicht für eine belastbare Prognose noch zu früh. "Bei Schaeffler sind wir fest überzeugt, dass es in Zukunft unterschiedliche Antriebskonzepte nebeneinander geben wird", sagte Rosenfeld. "Die größte Chance, möglichst CO2-frei zu fahren, sehen wir aktuell bei der weiteren Hybridisierung und Elektrifizierung des Antriebsstranges." In diesem Geschäft sei man "sehr gut vertreten".

Das größte Potenzial liegt laut Rosenfeld dabei allerdings eher außerhalb Europas. "Es ist zweifellos richtig, dass die Hybridtechnik gerade in China und in Japan eine sehr wichtige Rolle spielt. In diesen Märkten wird Schaeffler weiter wachsen", sagte der Manager. Man wolle den Anteil Chinas am Geschäft des Autozulieferers auf 20 Prozent ausbauen und in der übrigen Asien-Pazifik-Region auf zehn Prozent kommen. Die konjunkturelle Abkühlung in China mache ihm keine Sorgen: "Das Wachstum im Automobilgeschäft in China wird mittelfristig weiter anhalten. Denken Sie etwa an die rasant zunehmende Mittelschicht in China und die nach wie vor geringe Anzahl von Autos pro 1.000 Einwohner." (apa/afp/Reuters)

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