Österreich : Vorwurf von Knebelverträgen: BWB ermittelt gegen Pharmagroßhändler

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ermittelt gegen den heimischen Pharmagroßhändler Herba Chemosan, eine Tochter des Konzerns McKesson Europe, bestätigte eine Behördensprecherin der APA. Herba Chemosan wurde von seinen eigenen Kunden - mehreren Apothekern und Medikamentenhändlern - angezeigt. Sie werfen Herba Chemosan künstliche Marktverknappung, Preisabsprachen und Knebelverträge mit Apotheken vor.

Laut BWB-Sprecherin Sarah Fürlinger ging die Anzeige bereits im Februar anonym über das Whistleblower-System der Behörde ein. Die Vorwürfe sind auch schon in den Medien aufgetaucht. Damals, im Februar, hatten die Grünen eine Prüfung des gesamten Pharmagroßhandels durch die BWB gefordert.

Herba Chemosan hat nach eigenen Angaben in Österreich einen Marktanteil von 43 Prozent und beliefert etwa 90 Prozent aller heimischen Apotheken.

Die Kartellhüter haben die Geschäftspraktiken der ehemaligen Genossenschaft Herba Chemosan jedenfalls unter die Lupe genommen. Gegen wen genau sich die nunmehr eingeleiteten Ermittlungen richten, sagte Fürlinger am Mittwoch nicht. "Das ist eine Ermittlungsfrage." Grundsätzlich gehe man im Wettbewerbsrecht gegen Unternehmen, nicht gegen einzelne Vorstände vor. Auch inhaltlich, zu konkreten Vorwürfen, nahm die Behördensprecherin keine Stellung.

Herba Chemosan gab zu dem Thema gegenüber der APA ebenfalls keine Stellungnahme ab. "Wir sind bis dato nicht von der Behörde kontaktiert worden", sagte Unternehmenssprecher Markus Zirps am Mittwoch. Die Beschwerde, die im Februar durch die Medien gegangen sei, liege Herba Chemosan nicht vor. "Daraus folgt, dass wir weiterhin keine Stellungnahme dazu abgegeben können."

Das deutsche Branchenmagazin "Apotheke Adhoc" berichtete am Dienstag, dass ihm die Anzeige, eingebracht von einer Gruppe aus Apothekern und "Unternehmen aus dem Pharmahandelsbereich", vorliege. Demnach gebe es die Rollenaufteilung zwischen Herstellern, Großhändlern und Apotheken hierzulande nicht mehr. Die Herba-Chemosan-Mutter McKesson Europe, die wiederum mehrheitlich zum US-Konzern McKesson gehört, habe sich des unlauteren Wettbewerbs schuldig gemacht. "Eine Vermischung dieser Rollen, eine horizontale wie vertikale Marktbeherrschung der Pharmagroßhändler über zahlreiche Handelsgesellschaften und Apotheken-Beteiligungen sowie der Arbitrage-Handel zwischen den Ländern stellen die Situation dar", heißt es laut Bericht in der Beschwerde. Der Marktführer stehe, so die Vorwürfe, an der Spitze eines Großhandelskartells, das durch künstliche Lieferengpässe die Preise hochtreibe, um dann die Apotheken mit "absurden Rabatten" an sich zu binden, schreibt "Apotheke Adhoc".

Die Beschwerdeführer störten sich unter anderem an den zahlreichen ihrer Ansicht nach undurchsichtigen Beteiligungen des Großhändlers an einigen heimischen Apotheken. Es gebe zudem ein schwer durchschaubares Netz an persönlichen Beteiligungen der Vorstände in verschiedenen Gesellschaften. Hinzu kämen die "langjährigen Knebel-Lieferverträge", die die "große Masse" der Apotheken "mit den Beschwerdegegnern (welche als 'Finanzierungspartner' agieren) abschließen müssen, um überhaupt Zugang zum Warensortiment zu erhalten".

In der Beschwerde ist dem Magazin zufolge auch von "absurden Rabatt-Aktionen" die Rede, dokumentiert seien 50-Prozent-Nachlässe auf Antibiotika und Antidepressiva und ein 60-Prozent-Rabatt auf einen Cholesterinsenker.

Die Beschwerdeführer richten ihre Anschuldigungen nicht allein gegen die McKesson-Tochter Herba Chemosan. Vielmehr sei diese Teil eines Großhändlerkartells. Es bestehe der begründete Verdacht, dass sich die sechs größten Unternehmen - neben Herba Chemosan seien das Jacoby GM, Kwizda, Pharmosan, Richter und Phoenix - den Markt untereinander aufteilen, indem sie Preise und Rabatte untereinander absprechen. Dazu hätten sie mutmaßlich auch ein Forum: die Firma Datacare, eine gemeinsame Tochtergesellschaft jener sechs Unternehmen zur Datenpflege des Großhandels, heißt es dem Branchenmagazin zufolge in der Beschwerde. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Die BWB kommuniziert mit den Beschwerdeführern übrigens noch immer über ihr Whistleblower-System, wie Sprecherin Fürlinger zur APA sagte. "Das heißt, wir wissen selbst nicht, wer der Beschwerdeführer ist."

Grundsätzlich habe die BWB derzeit den Medizinproduktemarkt im Fokus, was sich durch das Coronavirus noch verstärkt habe, so Fürlinger. Er kürzlich habe man im Bereich von Krebsmedikamenten einen Fall ans Gericht gebracht.

2018 hatte ein Teilbericht der BWB zu Apotheken hohe Welle geschlagen. Die Wettbewerbshüter empfahlen nämlich eine Liberalisierung des Apothekenmarkts, was die Apotheker empörte. Im Herbst 2019 erklärte BWB-Chef Theodor Thanner zur Mindestentfernungsregel im Apothekengesetz: "Wir haben gesehen, dass künstliche Monopole bei Apotheken die Gesundheitsversorgung stören." Thanner meinte, ein Wettbewerb etwa bei Hausapotheken könnte im Kampf gegen den Hausärztemangel am Land helfen. Die Apothekerkammer hielt das für eine Illusion. (apa/red)