Industrie 4.0 : Vorhersagen sind schwierig, besonders über die Zukunft

Das World Economic Forum in Davos ist vorüber, und zwei wichtige Botschaften bleiben: erstens, die bevorstehenden Transformationen werden eine Größenordnung erreichen, die viele unserer Selbstverständlichkeiten und Rationalitäten einfach hinwegfegen werden. Zweitens, Transformation ist niemals eine Frage des Schicksals, sondern der politischen Gestaltung.

Ergänzend zu den technischen Prognosen, auf die ich hier nicht eingehen möchte, lassen sich bereits einige Trends zur „Vierten Industriellen Revolution“ aufzeigen: der Arbeitsmarkt wird sich radikal verändern, und zwar nicht nur durch wegfallende Jobs, sondern das gesamte Angebots­/Nachfrage­ Modell für Dienstleistungen wird sich insgesamt verändern. Im Bereich der Organisationsentwicklung werden neue Geschäftsmodelle und Kommunikationsmodelle dringend zu entwickeln sein. Der Kommunikationsbereich wird sich zweifellos wesentlich wissensintensiver gestalten müssen, und die Human Resources werden gefordert sein, „Problemlöser“ zu finden, mit breiten Denkhorizonten um sich schnell in neue Arbeitsumgebungen einarbeiten zu können, hoher sozialer Kompetenz und erstklassigen Kommunikationsfähigkeiten.

Skills die zwar unisono gefordert werden, die den aktuellen Ausbildungspraxen aber diametral gegenüber stehen. Die Folgen der Re­Konzentrationsprozesse der Produktion in den Städten, werden die Versäumnisse vieler europäischer Metropolen offenlegen, und sie vor massive Herausforderungen stellen. Im Bereich der Innovationspolitik wird man erkennen müssen, dass die produkt­zentrierte high­tech­Obsession vergangener Jahre vorüber ist, und man nur in breiteren Bahnen wirklich Neues entstehen lassen kann. Es muss klar werden, dass es sich bei „Innovation“ mehr um die Ermöglichung von Ideen handeln sollte, als um ein administratives Großvorhaben.

Bedenken wir dabei, dass es bei Zukunftsprognosen immer so war, dass wir Wertewandel in der Gesellschaft stets viel konservativer eingeschätzt haben, als die technischen Möglichkeiten. Nach dem Motto, unsere Fernsehgewohnheiten ändern sich nie, aber siedeln auf dem Mars und künstliche Intelligenz? Bald. Kein Problem. Naturwissenschaftler die sich mit der Zukunft beschäftigen sind meist recht konservative Menschen, die sich mit Zukunftsprognosen auf ein sehr komplexes Terrain vorwagen. Ein Schicksal, das so mancher Informatiker mit so manchem Nachrichtentechniker teilt. Deswegen findet die Zukunft nach Vorstellung von Naturwissenschaftlern immer in einer biedermeierlich­möblierten Stube der Mondbasis Alpha 1 statt.

Wenn dem so wäre, würden wir den technischen Prognosen folgend, Meinungsverschiedenheiten über diesen Artikel mit Laserschwerten austragen. Tun wir aber nicht. Sondern wir kommunizieren vielleicht, und zwar mit Geräten die in den 1980er in keiner Technik­Fantasie vorkamen. Das Innovationsgeschichte nicht unbedingt Technikgeschichte ist, betont übrigens auch der CNN­Journalist Fareed Zakaria, in dem er anmerkt, dass in Facebook genauso viel Soziologie und Psychologie steckt, wie Technologie.

Ohnedies ist es eine Frage der Methodik und des Blickwinkels: wendet man sozialwissenschaftliche foresight­Methoden an, sitzt der zukünftige Mensch plötzlich nicht mehr kulturell degeneriert und von Robotern beherrscht in einer menschenfeindlichen Umgebung (da das „Waldsterben“ ja auch genauso eingetreten ist), sondern in einer Welt die Wertewandel genauso zulässt wie technologische Entwicklungen und damit einhergehende Regulierungen.

Das Moralisieren von gesellschaftlicher Transformation ist absurd. Auch bleibt man die Begründung schuldig, warum genau die aktuelle Transformation ein Endspiel zwischen Mensch und Maschine sein sollte. Also langsam mit den selbstfahrenden Autos. Foresight­Analysen sollen Entscheidungswissen bereitstellen, und nicht finstere Dystopien zeichnen helfen.

Mag. Bernhard Seyringer ist foresight­-Analyst und Herausgeber von XING Magazin