Breitenfeld AG : "Vor voller Schüssel verhungern"

Breitenfeld AG links Jurak Kalibauer
© Helene Waldner

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Jurak, Sie haben am 14. Jänner Ihren Vorstandsvorsitz zurückgelegt und sind in den Aufsichtsrat gewechselt. Warum haben Sie sich entschieden, die Breitenfeld nicht selbst durch die Wirtschaftskrise zu führen? Rudolf Jurak: Auf Grund meiner mehr als fünfzigjährigen Berufstätigkeit wollte ich mich eigentlich schon Ende 2008 aus dem operativen Bereich zurückziehen. Aber mein Nachfolger, Herr Kailbauer, konnte nicht vorzeitig aus seinem Vorstandsvertrag bei der Energie Steiermark aussteigen, so dass ich meine Entscheidung um ein Jahr verschieben musste. Mit der Estag hat Herr Kailbauer in einem staatsnahen Unternehmen gearbeitet, wo andere Regeln gelten als in der Privatwirtschaft. Warum haben Sie sich dennoch für ihn entschieden? Rudolf Jurak: Herr Kailbauer ist ein Generalist, was hier im Hause sehr wichtig ist. Und zudem war er viele Jahre im internationalen Anlagenbau tätig, der auch Höhen und Tiefen durchlebt hat. Franz Kailbauer: Natürlich erfolgt mein Wechsel zur Breitenfeld in einer wirtschaftlich schwierigen Phase. Die Entscheidung fiel allerdings bereits Mitte 2008, also in der absoluten Hochkonjunktur. Ich habe daran festgehalten, weil ich mir im Laufe meines Berufslebens zur Devise gemacht habe, einmal gemachte Verträge auch einzuhalten. Seit 1. August 2009 bin ich im Vorstand der Breitenfeld, seit Mitte Jänner Vorstandschef. Mir geht es jetzt vor allem darum, aus der aktuell schwierigen Situation das Beste zu machen. Schwierig ist die Situation auch deshalb, weil das neue Stahlwerk mitten in der Rezession fertig wurde. Dadurch haben sich Ihre Kapazitäten verdoppelt. Wie viel davon können Sie derzeit überhaupt nutzen? Rudolf Jurak: Unsere durchschnittliche Auslastung in der Produktion liegt bei rund 50 Prozent. Unsere Aufträge sind zwar lediglich um rund 30 Prozent zurückgegangen, aber unser Umsatz ist noch stärker eingebrochen. Das lag insbesondere an den niedrigeren Rohstoff- und Schrottpreisen, die wir an unsere Kunden weitergeben mussten. Derzeit wäre es sogar möglich, die eine oder andere Menge dazu zu bekommen. Allerdings sind die Preise so schlecht, dass wir nicht mal Fixkosten abdecken könnten. Solche Aufträge nehmen wir erst gar nicht an. In Zeiten wie diesen muss man aufpassen, dass man nicht vor der vollen Schüssel verhungert. Franz Kailbauer: Ich würde zwar sagen, dass wir die Talsohle erreicht haben. Aber es macht schon einen Unterschied, ob man einen Tag Zahnweh hat oder mehrere Monate. Derzeit beobachten wir eine deflationäre Logik. Immer mehr Investoren verschieben ihre Großprojekte, weil sie darauf setzen, dass sie billiger werden. 2010 wird ein schwieriges Jahr, sogar noch herausfordernder als das vergangene.

Beim Edelstahl-Produzenten Böhler-Uddeholm droht die Kündigung mehrerer hundert Mitarbeiter. In welchem Umfang haben Sie bisher Personal eingespart und welche Maßnahmen werden Sie noch setzen? Rudolf Jurak: Wir haben bereits zum 01. November 2008 rund 100 Mitarbeiter abgebaut, das sind rund 20 Prozent der Stammbelegschaft. Darüber hinaus haben wir Wochenendarbeit eingeführt, um von den billigeren Energiekosten am Samstag und Sonntag profitieren zu können. Da diese Maßnahmen allein nicht ausreichten, haben wir Anfang dieses Jahres ein Rotationsprinzip eingeführt. Wie sieht ein solches Rotationsprinzip in der Praxis aus? Rudolf Jurak: Da wir derzeit nicht genügend Aufträge haben, um alle Mitarbeiter zu beschäftigen, setzt ein Teil von ihnen für ein bis drei Monate aus. Das Dienstverhältnis wird in dieser Zeit beendet, die Leute beziehen Arbeitslosengeld und danach stellen wir sie wieder ein. Wie viele Mitarbeiter sind von den Kündigungen mit Wiedereinstellungszusage betroffen? Rudolf Jurak: Rund 30 bis 35 Mitarbeiter sind davon betroffen. Ich halte das Modell für eine faire Lösung. Schließlich wäre die Alternative ein weiterer Abbau der Stammbelegschaft gewesen – und das wollten wir unbedingt vermeiden. Herr Kailbauer, Sie haben in den 90er Jahren im Anlagenbau gearbeitet und in dieser Zeit Produktionsverlagerungen ins Ausland begleitet. Wird die Breitenfeld unter ihnen internationaler werden? Frank Kailbauer: Ich gehe davon aus, dass wir bei unseren Kunden eine Schwerpunktverlagerung von Europa in andere Regionen erleben werden. Daher werden auch wir uns hier diversifizieren müssen. Rudolf Jurak: Die Breitenfeld ist sehr schlank organisiert. Die Personalkosten liegen aufgrund der Mengenrückgänge derzeit bei rund elf Prozent; bei höherer Auslastung wären es acht Prozent. Dieser Posten ist also kein Grund, Produktionskapazitäten zu verlagern. Was für mich Priorität hat, sind Investitionen, mit denen wir die Wertschöpfungskette besser abdecken können. Wir haben zwar eine Schmiede, die unseren eigenen Stahl verarbeitet. Aber das sind keine großen Mengen. Hier kann man sehr wohl ansetzen, ohne unseren Kunden, den großen Schmieden, Konkurrenz zu machen. Mittelfristig könnte ich mir vorstellen, die Kapazität zu verdreifachen, also rund 40.000 Tonnen zu verarbeiten. Franz Kailbauer: Bei den Ausbauplänen ist zu berücksichtigen, dass wir hier in Mitterdorf platzmäßig beschränkt sind. Zudem gibt es Limitationen, was den Transport unserer Produkte angeht. Wirtschaftlich macht es keinen Sinn, sehr große Stahlblöcke über weite Entfernungen zu führen. Sich bei Nischenprodukten nach neuen Absatzmöglichkeiten umzusehen, ist also sicherlich notwendig. Rudolf Jurak: Ein zweiter Standort generiert grundsätzlich hohe Zusatzkosten. Wir sollten uns daher zunächst auf Mitterdorf konzentrieren. Hier haben wir bereits den ersten Schritt gesetzt und das neue Stahlwerk gebaut. Nun haben wir noch die Option, den Schmiedebereich und das Sonderstahlwerk zu erweitern. Natürlich kann es sein, dass sich neue Märkte nur erschließen lassen, wenn man vor Ort ist.

Das Thema Internationalisierung scheint bei Ihnen noch für reichlich Gesprächsstoff zu sorgen. Wenn Sie sich dazu entschließen – eignet es sich als neue Story für den Börsengang? Franz Kailbauer: Es ist viel zu früh, um über eine Story für einen möglichen Börsengang zu spekulieren. Wir müssen zunächst einmal beweisen, dass wir die Krise gut überstehen. Dann müssen wir eine mittelfristige Strategie festlegen, wie wir die neu geschaffenen Stahlwerkkapazitäten so ausfahren können, dass sie das Unternehmen in einen hochprofitablen Zustand versetzen. Und dann muss es natürlich entsprechende Wachstumsschritte geben. Rudolf Jurak. Ein Börsengang ist sicherlich eine elegante Art, um Wachstum zu finanzieren. 2007 musste ich leider kurzfristig die Notbremse ziehen, das wirtschaftliche Umfeld war einfach zu schlecht. Wann wir einen erneuten Anlauf wagen, lässt sich derzeit aber nicht sagen. Das hängt davon ab, wie sich die Wirtschaft entwickelt. Vielleicht 2012, vielleicht auch später. Der Anteilseigner DZ Equity Partner wollte aussteigen, nachdem Sie den Börsengang abgesagt hatten. Mit Morgan Stanley Private Equity haben Sie sich dann wieder einen Finanzinvestor an Bord geholt. Wie groß ist der Druck von dieser Seite? Rudolf Jurak: Die Zusammenarbeit mit Morgan Stanley funktioniert sehr gut. Es ist kein Haus, das darauf spezialisiert ist, ein Stahlwerk zu führen. Von daher gibt es nicht wirklich eine Mitwirkung im operativen Geschäft. Aber natürlich erhalten wir Unterstützung bei allen Kapitalmarktthemen. Morgan Stanley als auch die Wiener Bast-Gruppe, die einen kleinen Anteil hält, stellen je einen Aufsichtsrat. Sie haben den Aufsichtsratsvorsitz jetzt von Morgan Stanley übernommen. Wie wollen Sie diese Rolle ausfüllen? Rudolf Jurak: Die Herren im Vorstand wissen bereits: Ich werde ein aktiver Aufsichtsrat sein. Mein Schwerpunkt wird auf der strategischen Ausrichtung des Unternehmens liegen. Interview: Vanessa Voss

Edelstahl-Produzent Breitenfeld AG Sitz: Mitterdorf im Mürztal Umsatz 09/10e: 130-140 Mio. Euro Mitarbeiter: 372 EBITA: positiv EGT: k. A. Franz Kailbauer (47) Nach Maschinenbaustudium und Promotion an der TU Graz arbeitete Kailbauer mehrere Jahre im internationalen Anlagenbau. Als Geschäftsführer der Babcock-Tochter für Umwelttechnik wechselte er 2004 in den Vorstand der Energie Steiermark. Im Sommer 2009 kam er zu Breitenfeld, Mitte Jänner übernahm er den Vorstandsvorsitz Vorsitz übernommen. Rudolf Jurak (64) Als Sanierer wurde er 1996 von der Eigentümerfamilie Pengg zur angeschlagenen Breitenfeld geholt, an der er dann fünf Jahre später die Mehrheit erwarb. Jurak investierte in den vergangenen zehn Jahren 158 Millionen Euro in das Unternehmen und wollte es 2007 an die Börse bringen. Auf Grund des schlechten Marktumfeldes sagte er den IPO allerdings in letzter Minute ab. Mitte Jänner wechselte Jurak vom Vorstand in den Aufsichtsrat, dem er auch vorsteht.