Marktsituation : Voestalpine strauchelt in China und Kindberg

voestalpine Konzernchef Herbert Eibensteiner
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Die Voestalpine Tubulars in Kindberg - seit Sommer 2018 massiv von den US-Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumprodukte betroffen - plant Kurzarbeit für bis zu 950 Mitarbeiter (von 1.100). Die Anmeldung zur Kurzarbeit ab März solle helfen, das aktuell schwierige wirtschaftliche Umfeld zu überbrücken, teilte der Konzern mit. Seit September 2019 gibt es eine Reduktion im Schichtbetrieb.

Voestalpine Tubulars ist ein Joint Venture zwischen der Voestalpine und dem amerikanischen Konzern NOV Grant Prideco und stellt im obersteirischen Mürztal höchstbelastbare Nahtlosrohre für die weltweite Öl- und Gasindustrie her. Das Problem der US-Zölle auf europäische Stahl- und Aluminiumimporte in Höhe von 25 Prozent konnte den Konzernangaben zufolge bisher nicht durch die Erlangung von Ausnahmegenehmigungen gelöst werden. Darüber hinaus macht der niedrige Gas- und Ölpreis der vergangenen Monate zu schaffen, was zu einem starken Rückgang des Bedarfs an Rohren für Öl- und Gasfelder in Nordamerika geführt habe. Die Marktsituation habe sich "nochmals deutlich verschlechtert". Das Unternehmen hat eine Exportquote von mehr als 95 Prozent. Der wichtigste Absatzmarkt sind die USA.

Kurzarbeit für maximal 950 Arbeitnehmer

Infolge der US-Strafzölle wurde die Produktion in Kindberg bereits gegen Ende des vergangenen Sommers von Vier- auf Dreischichtbetrieb umgestellt, also von Maximalauslastung auf Normalkapazität angepasst. "Während wir den äußerst schwierigen Rahmenbedingungen in unserem wichtigsten Markt, den USA, bislang durch Kostensenkungsprogramme sowie der forcierten Diversifizierung unseres Produktportfolios entgegenwirken konnten, zwingt uns die aktuelle Marktentwicklung, weitere Maßnahmen am Standort Kindberg zu ergreifen", erklärte Voestalpine-Vorstand und Leiter der Metal Engineering Division, Franz Kainersdorfer.

Man wolle die dritte Schicht des Unternehmens weiterführen und die Mitarbeiter langfristig halten, deshalb werde man in den nächsten zwei Wochen Gespräche mit Betriebsrat, Sozialpartnern und AMS zur Vereinbarung der Möglichkeit von Kurzarbeit führen. Diese soll ab März für maximal 950 Arbeitnehmer "zeitweise zur Anwendung kommen".

"Ziel ist es, uns für die kommenden sechs Monate, in denen wir mit einem weiterhin sehr volatilen Marktumfeld rechnen, mehr Flexibilität zu verschaffen", so Kainersdorfer. Bereits 2016 habe eine ähnliche Kurzarbeitsregelung sehr geholfen, eine konjunkturell schwierige Phase gut zu überstehen und Arbeitsplätze abzusichern. Um nicht mehr so vom US-Markt abhängig zu sein, wolle man den Fokus auch auf andere Weltregionen legen.

Voestalpine Tubulars erzielte im Wirtschaftsjahr 2018/19 einen Umsatz von 534 Mio. Euro. Die Voestalpine hat in den vergangenen fünf Jahren über 120 Mio. Euro in Qualitätssteigerung und Weiterverarbeitung der Hightech-Nahtlosrohre in Kindberg investiert.

Kurzarbeit auch an anderen Standorten möglich

Kurzarbeit ist im Voestalpine-Konzern auch anderen Standorten möglich. "Wenn es zu Auftragsausfällen oder Verschlechterungen kommt, würden wir als nächsten Schritt auf die Möglichkeit der Kurzarbeit in Österreich zurückgreifen", räumte CEO Herbert Eibensteiner vergangene Woche in einem Interview mit der APA ein.

Am Standort Kapfenberg habe diese Maßnahme "zuletzt gerade noch verhindert werden" können, berichtet die "Kleine Zeitung" in ihrer heutigen Freitagsausgabe. Die voestalpine Böhler Edelstahl beliefert den US-Flugzeugbauer Boeing mit Komponenten für den Unglücksflieger Typ 737 Max, der zwar nach zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten seit März 2019 Flugverbot hat, aber bis zum Jahresende in vollem Umfang weitergebaut wurde. Erst jetzt im Jänner stoppte Boeing die Produktion. "Die 737 Max wird uns daher im nächsten Geschäftsjahr Schwierigkeiten machen", sagte Eibensteiner gestern, Donnerstag, vor Journalisten in einer Telefonkonferenz.

Generell stehen bei der Voestalpine weiterhin Überstundenabbau, Reduktion von Leasingpersonal und Nicht-Nachbesetzen von freiwerdenden Stellen im Fokus, um mit dem für den Konzern herausfordernden Umfeld fertig zu werden.

In China stehen neun Werke still

Auch in China steht Voestalpine vor Problemen: Die Coronavirus-Epidemie hat die neun Werke des Linzer Stahlkonzerns lahmgelegt. Die lokalen Produktionsgesellschaften sind bis kommenden Montag, geschlossen. "Das ist die behördliche Vorgabe", sagte Konzernchef Herbert Eibensteiner in einer Telefonkonferenz. Wie es weitergeht, ist unklar. "Wir wissen dort nicht genau, wie die nächsten Maßnahmen aussehen."

Die Betriebsferien ab Chinesisch Neujahr, das heuer auf den 25. Jänner fiel, wurden wegen des Virus bis nächste Woche verlängert. "Im Moment sind alle unsere Werke von den Stillständen betroffen - unser Kenntnisstand ist, dass sie bis 9. Februar geschlossen bleiben, aber wir haben aktuell keine Information, ob verlängert wird oder wie lange geschlossen bleibt", sagte der CEO unter Verweis auf die behördlich verhängten Produktionsstopps in mehreren chinesischen Provinzen.

"Wir müssen abwarten"

Der österreichische Großbetrieb kann den Angaben zufolge insgesamt noch nicht abschätzen, wie sich die Epidemie aufs eigene Geschäft niederschlägt. "Das ist natürlich auch ein Unsicherheitsfaktor für uns als Voestalpine", räumte Eibensteiner ein. "Wir müssen jetzt abwarten, wie sich das bei uns auswirken wird."

Generell habe sich die Stahlproduktion in China aufgrund der hohen Infrastrukturinvestitionen in dem Land zuletzt auf Rekordniveau erhöht. "Und natürlich sind auch die Eisenerzpreise in diesem Umfeld mitgestiegen und unsere Standorte wurden margenmäßig doch unter Druck gesetzt", berichtete der Konzernchef von der dortigen Marktsituation. Im Moment sei es aber auch schwierig abzuschätzen, wie sich das Coronavirus auf die Stahlindustrie in China auswirken wird. So seien etwa die (hohen) Erzpreise "kurzfristig stark zurückgegangen und dann wieder stark gestiegen". Niedrigere Erzpreise wären gut für den Konzern.

Die Voestalpine erzielt rund 550 Mio. Euro Jahresumsatz in China - von zuletzt knapp 10 Mrd. Euro weltweit. Das Unternehmen ist dort mit etwa 30 Standorten, davon neun Werken, vertreten und beschäftigt rund 3.000 Mitarbeiter. Dienstreisen von und nach China wurden bereits eingestellt.

Der Konzern ist in China in verschiedenen Bereichen tätig. "Wir sind dort an einer Gießerei beteiligt und haben dort natürlich auch im Automobilbereich, aber auch im Draht- und Schweißbereich Firmen, und auch in der Bahninfrastruktur", erklärte Eibensteiner. (apa)