Kunststoffindustrie : Verpackungen aus Plastik: Gewessler will ein Pfandsystem und neue Abgaben

Am Alpla-Standort in Vorarlberg wird kräftig Kunststoff-Recycling betrieben.
© Alpla/Texplast

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verstärkt den Kampf gegen Plastikmüll. Mit einem Drei-Punkte-Plan will sie einerseits den Müllberg reduzieren, andererseits Strafzahlungen an die EU vermeiden. Dabei denkt sie an eine Quote für Mehrwegflaschen im Handel, ein Pfand auf Einwegflaschen und eine Abgabe für Erstellung und Import von Kunststoffen, sagte die Ministerin in Wien.

Demnach wird der Handel verpflichtet, bei Getränkeverpackungen ab 2023 mindestens 25 Prozent Mehrwegflaschen zu verkaufen. Der Anteil soll 2025 auf mindestens 40 Prozent, 2030 auf mindestens 55 Prozent steigen. "Die Bringschuld liegt beim Handel", so Gewessler zur Überprüfung der Quote. Grundsätzlich soll es in jedem Geschäft Mehrwegflaschen geben, Ausnahmen seien aber für kleinere Geschäfte angedacht.

In den 1990er-Jahren gab es in Österreich bereits solche Quoten und Mehrweganteile von fast 90 Prozent - jetzt sind es nur mehr 19 Prozent, erinnerte Gewessler. Zu Materialien für Mehrwegflaschen will die Ministerin keine Empfehlung abgeben, wichtig sei die Wiederverwendung. Aber alle Studien zeigten, dass ohne Pfand die EU-Sammelvorgaben nicht einzuhalten seien.

Auf Einwegflaschen soll es künftig daher ein solches Pfand geben. Über die Höhe werde noch diskutiert, sagte die Ministerin. Studien kommen zu Empfehlungen im Bereich von 25 bis 30 Cent je Flasche.

Als Drittes will die Ministerin von Importeuren und Produzenten von Plastikverpackungen 80 Cent Abgabe je kg verlangen. Allerdings soll diese Abgabe nach ökologischen Kriterien gestaffelt werden und bei hohen Sammelquoten sinken.

>> Greiner-Chef Axel Kühner sprach im INDUSTRIEMAGAZIN-Podcast unter anderem darüber, warum er selbst Gurken verpackt sehen will. Das habe nichts damit zu tun, dass er mit der Folie dafür Geld verdienen könnte

Auch die EU verlangt 80 Cent je kg für nicht wiederverwerteten Kunststoff von den Mitgliedsländern. Da Österreich derzeit die geforderten Sammelquoten nicht erfüllt, drohen Strafzahlungen von 160 bis 180 Mio. Euro, erinnerte Gewessler. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) habe angekündigt, diese Summe aus dem Budget und damit mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu begleichen. "Da bin ich anderer Meinung", so die Ministerin, denn so mache es für die Menschen keinen Unterschied ob sie Plastik sammeln oder nicht. Mit ihrem Drei-Punkte-Plan wolle sie hingegen einen Lenkungseffekt erzielen und die Plastikmenge reduzieren.

Aktuell dazu:

Obst und Gemüse im Supermarkt großteils in Plastik verpackt >>

Für die Mehrwegquote und das Pfand auf Einwegflaschen kann es schnell gehen, beides soll in der Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz festgeschrieben werden, die "in den nächsten Wochen" in Begutachtung gehen soll. Über die Verpackungsabgabe gebe es mit den Beteiligten seit Juli Gespräche. Die Umweltschutzorganisationen Greenpeace, Global 2000 und WWF begrüßten den 3-Punkte-Plan gegen die Plastikflut.

In Österreich fallen derzeit jährlich 900.000 Tonnen Plastikmüll an, davon 300.000 Tonnen Verpackungsmaterial, davon wiederum 45.000 Tonnen Getränkeverpackungen. Wobei für Tetrapack-Verpackungen derzeit kein Pfand angedacht ist. (apa/red)

Auf den nächsten Seiten:

Heimische Abfallbetriebe gegen "Dreifachbelastung der Wirtschaft" >>

WKÖ: "Der Plan bringt eine Belastungs-Lawine für Betriebe" >>

Die eigentliche abfallwirtschaftliche Herausforderung für Österreich besteht laut VOEB im Erreichen der ambitionierten EU-Recyclingquoten für Kunststoff. „Wir müssen bis 2025 von derzeit 75.000 Tonnen auf 150.000 Tonnen kommen. Das gelingt, indem wir in modernste Anlagen investieren, um dann das Recycling zu optimieren, aber auch, indem jeder Einzelne von uns Plastikabfall konsequent getrennt sammelt. Wir müssen alle Kunststoffe erfassen. Ein Einwegpfand bringt uns von der Menge her kaum etwas, da PET-Flaschen bereits jetzt gesammelt und rezykliert werden“, erläutert VOEB-Präsidentin Gabriele Jüly.

Erfahrungswerte aus anderen Ländern zeigen zudem, dass ein Einwegpfand das Problem „Littering“ nicht löst. Eine Erhöhung der Sammelmenge kann viel effektiver durch eine österreichweit einheitliche Sammlung bei den Haushalten erzielt werden und erleichtert auch die Öffentlichkeitsarbeit und Bewusstmachung beim Bürger.

Einen funktionierenden Absatzmarkt für Sekundärrohstoffe auf Schiene zu bringen, z.B. über fixe Einsatzquoten von Sekundärmaterial in der Kunststofferzeugung, sollte auf der politischen Agenda deutlich weiter oben stehen als die Pfandfrage, betont Jüly.

Und wenn schon über Steuern auf Kunststoff nachgedacht werde, müsste zuvor sichergestellt werden, dass diese „eine Zweckbindung in Richtung Ökodesign aufweist und somit ein Lenkungsinstrument in Richtung recyclingfähige Verpackungen ist. Alles unter dem Schlagwort ‚Plastik’ über einen Kamm zu scheren, ist mit nachhaltiger Politik nicht vereinbar.“ (ots/red)

„Ein Belastungspaket im ökologischen Mäntelchen ist die falsche Maßnahme zum falschen Zeitpunkt. Weder braucht es eine Kunststoffsteuer, noch Preisaufschläge für recycelbare Verpackungen, noch eine Pfandeinhebung,“ sagt Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), und spricht sich damit klar gegen die von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler heute vorgeschlagenen Maßnahmen aus. Sie würden den Inlandskonsum zu einem Zeitpunkt verteuern, zu dem sich die Bundesregierung bemüht, ihn anzukurbeln. „Viele Geschäfte wissen derzeit nicht, wie sie in das Jahr 2021 kommen sollen, wenn die Kunden ausbleiben oder wenig Geld zum Einkaufen haben. Da brauchen wir keine zusätzlichen Belastungen“, so Kopf.

Der Vorschlag einer Verpackungssteuer für nicht verwertete Kunststoffe ist populistisch, weil die Wirtschaft für die Verwertung gemäß den Auflagen des Klimaschutzministeriums bereits bezahlt. Ob tatsächlich verwertet wird, hängt von den lokalen Sammelsystemen ab. In manchen Bundesländern ist der Verwertungsanteil doppelt so hoch wie in anderen. „Warum sollen zum Beispiel die Konsumentinnen und Konsumenten der westlichen Bundesländer oder der Steiermark, die jetzt schon sehr gut sind, die Steuer für nichtverwertete Kunststoffe zahlen, die in anderen Bundesländern anfallen? Wenn Bundesministerin Gewessler will, dass mehr gesammelt wird, weiß sie, wo sie ansetzen muss, nämlich bei den Nachzüglern“, sagt Kopf.

"Maßnahmen lösen Belastungslawine aus"

Die Einführung eines Einwegpfands kostet mindestens 60 Millionen Euro pro Jahr und würde kleinen Nahversorgern schon wegen des Platzbedarfs der Rücknahme des Pfandgutes die Existenzgrundlage entziehen. Außerdem kostet die vorgeschlagene Steuer laut WKÖ 160 Millionen Euro pro Jahr. Und auch die Mehrwegquoten mit Strafzuschlägen für Einweggebinde kosten demnach zwischen 300 und 600 Millionen Euro pro Jahr und verursachen eine hohe bürokratische Belastung.

„Österreich hat eines der besten Sammel- und Verwertungssysteme der Welt, dieses gilt es auszubauen“, betont Kopf. Er verweist dabei auf den von der Wirtschaftskammer vorgeschlagenen Zehn-Punkte-Plan. „Es geht darum, beim bestehenden System anzusetzen und nach zu justieren. Auf diese Weise werden die Ziele kostengünstiger und letztlich ohne Zusatzbelastung von Konsumenten und Unternehmen erreicht.“ (ots/red)