Energiewirtschaft : Verbund rechnet mit deutlich höheren Strompreisen - Investitionen geplant

Der Verbund will "den Rückenwind durch die höheren Stromgroßhandelspreise nutzen", so Konzernchef Wolfgang Anzengruber in der Hauptversammlung. Laut Finanzvorstand Peter Kollmann rechnet der Verbund für heuer mit im Schnitt 40 Euro pro Megawattstunde (MWh) Absatzpreis. Die Talsohle sei 2018 mit 29 Euro durchschritten worden, 2017 waren es 30 Euro/MWh. "Nun sind wir in einer Aufwärtsbewegung", so der CFO.

Preisanstieg dürfte 2020 noch höher ausfallen

Für 2020 hatte Kollmann im Bilanzpressegespräch im März 47,3 Euro/MWh als Richtgröße genannt, eventuell sogar noch mehr, je nach den Hedging-Erfolgen.

Der Verbund-Stromkonzern will nicht nur durch den Ausbau der Wasserkraft, etwa durch Ertüchtigungen bestehender Anlagen, noch stärker in die "Erneuerbaren-Energiewelt" hineinwachsen, sondern auch durch noch mehr Aktivitäten im Bereich von Photovoltaik (PV) und Windkraft. Das betonte Verbund-Chef am Dienstag in der Hauptversammlung.

Das Dächer-Programm werde für die PV in Österreich aber nicht reichen, meinte Anzengruber mit Blick auf die #mission2030 der Regierung zu den Erneuerbaren-Zielen. "Da werden wir mit den Hausdächern nicht auskommen. Da braucht es mehr." Man werde sich auch Industrieunternehmen und Freiflächen zuwenden müssen: "Es geht nicht, dass es in Österreich keine Freiflächen-PV gibt." Als Voraussetzung dafür sei das Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EAG) nötig.

Versorgung nur mit Erneuerbaren kaum machbar

Die gesamtösterreichische Wachstumsziele zum Strom aus Erneuerbaren bezeichnete der Verbund-Chef als "ambitioniert". Derzeit verfüge Österreich über 48 Terawattstunden (TWh) "Grünstrom", davon 42 TWh aus Wasserkraft. Die Wasserkraft soll bis 2030 auf 48 TWh zulegen. Das Windstromaufkommen soll um 11 bis 13 TWh auf rund 17 TWh erhöht werden und die PV-Strommenge um ebenfalls 11 bis 13 TWh auf 14 TWh, sodass in Summe 2030 dann 78 TWh aus Erneuerbaren bereitstehen.

Auch im Speicherbereich seien mehr Aktivitäten nötig - da gehe es nicht nur um Pumpspeicher, sondern auch um Power-to-Gas- und um Wasserstoff-Lösungen. Allein für den saisonalen Stromausgleich zwischen Sommer und Winter seien laut Experten Speicher für 10 TWh nötig, verfügbar seien derzeit lediglich 3 1/2 TWh, so Anzengruber.

Thema Wasserstoff

Wasserstoff werde ein wesentlicher Träger der zukünftigen Dekarbonisierung sein, zeigte sich der Verbund-Chef überzeugt. Auch als Sektorkopplungs-Medium sei Wasserstoff geeignet. Für Batteriespeicher als Pufferlösung habe der Verbund drei Pilotprojekte laufen - ein tragfähiges Geschäftsmodell für Batterien fehle aber noch. Auch bedürfte es geeigneter Marktmechanismen dafür, egal ob man das dann Kapazitätsmärkte nenne oder anders.

Nummer 1 bei der Versorgung der Industrie

An Industrie- und Gewerbekunden verkauft der Verbund jährlich rund 10 TWh Strom und ist hier mit 20 Prozent Marktanteil die Nummer 1. An die rund 470.000 Kleinkunden verkaufe man 2 TWh, mit 8 Prozent Marktanteil sei man die Nummer 3, so Anzengruber. An eigenem Strom hat der Verbund voriges Jahr 29.518 GWh aus erneuerbaren Energien (samt Wasserkraft) erzeugt, trockenheitsbedingt etwas weniger als 2017. Kollmann sagte heute, das dritte und das vierte Quartal seien "außerordentlich trocken" gewesen, historisch habe es in den letzten 100 Jahren kaum so trockene Quartale gegeben.

CFO Kollmann verwies auf den Dreijahres-Investitionsplan des Verbund, der für 2019-21 mit fast 2 Mrd. Euro etwa doppelt so hohe Investitionen wie in den abgelaufenen drei Jahren vorsieht. Die Kraft auch für diese Investitionen habe man durch die deutliche Schuldenreduktion und durch drei Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsprogramme gewonnen.

Größere Rechtsstreitigkeiten hat der Verbund - nach der Bereinigung offener Themen mit der EVN für 12 Mio. Euro - nicht mehr anhängig, außer zum Drau-Hochwasser 2012, so Anzengruber in einer Fragenbeantwortung. Der zivilrechtlich beanspruchte Schadenersatz beträgt 108,5 Mio. Euro, die Forderungen werden dem Grunde und der Höhe nach bestritten.

Viel mehr Geld für Zertifikate

Für CO2-Zertifikate musste der Verbund 2018 rund 16 Mio. Euro aufwenden, nämlich für rund 1 Mio. t CO2, "das wird sich aber reduzieren, wenn das Kohlekraftwerk Mellach aus dem Netz geht, also in rund einem Jahr", sagte Anzeingruber. An Einlagezinsen ist beim Verbund für die Veranlagung seiner Überschüsse nichts angefallen, so CFO Peter Kollmann.

Salzburger 380-kV-Leitung: Baubeginn noch immer im Herbst 2019 erwartet

Für die Salzburger 380-kV-Leitung plant die Verbund-Netztochter APG laut Kollmann noch immer mit einem Baubeginn im Herbst 2019. Zunächst warte die APG zu den Einsprüchen die Entscheidung zur Frage einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ab. Klar sei aber, dass der Netzausbau wichtig für die Integration der Erneuerbaren sei, so der CFO.

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Die Präsenz in der HV hatte Roiss zu Mittag mit 1.313 anwesenden oder vertretenen Aktionären mit 315,9 Mio. Aktien angegeben. Mit 51 Prozent hält die Republik Österreich die Mehrheit an der Verbund AG.

Umbau des Aufsichtsrats

Von Anlegerschützer Wilhelm Rasinger vom Interessenverband für Anleger (IVA) kamen etliche Anregungen und Fragen. So bezeichnete er das Aufsichtsgremium mit zehn Kapitalvertretern als zu groß. Sechs bis acht müssten auch reichen, meinte er, dabei sollte aber die Staatsholding ÖBAG stärker vertreten sein, nämlich mit zwei bis drei Leuten. Auch ein Vertreter des Streubesitzes im Aufsichtsrat gehe ihm ab.

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An den AR-Vertretern von EVN und Wien Energie - beide Unternehmen halten Anteile am Verbund - stieß sich Rasinger daran, dass dies AR-Funktionen von operativ tätigen Managern selbst wahrgenommen werden, etwa im Falle der EVN durch den Vorstandssprecher Stefan Szyszkowitz. Es wäre vielleicht angebracht, nicht auf direkte Organe zurückzugreifen, solang EVN und Wien beteiligt sind, meinte Rasinger.

Kritik von Vertretern des Finanzmarkts

An den Betriebsrat appellierte Rasinger, sie sollten vielleicht auch auf Vorstandsmitglieder einwirken, damit sie ihre Urlaubsrückstände aufbrauchen, also "nicht ausbeuterisch auf die notwendige Erholung verzichten". Bezüglich der Vorstände komme dem Betriebsrat gar keine Zuständigkeit zu, betonte Neo-Vorstandsdirektor Michael Strugl zu.

Das Engagement im Kleinkundenbereich stellte der IVA-Vertreter, der nach eigenen Angaben 250 Aktionäre mit über 6 Mio. Stimmen oder 3,5 Prozent des Streubesitzes vertritt, infrage. Dazu betonte Strugl, dass sich das Retail-Engagement sehr wohl rentiere - 2018 habe es bei 575,7 Mio. Euro Umsatz einen EBITDA-Beitrag von 6,7 Mio. Euro geleistet; die Werbeausgaben 2018 in diesem Bereich bezifferte Strugl mit 1,3 Mio. Euro.

Dass Vize-AR-Chef Michael Süss zu selten an Sitzungen teilgenommen habe, wie von Rasinger kritisiert, wollte AR-Chef Gerhard Roiss so nicht stehen lassen: Süss habe sehr wohl Beiträge als Aufsichtsrat geleistet, Abwesenheiten seien krankheitsbedingt gewesen, Süss sei zu einer AR-Sitzung sogar aus dem Krankenhaus telefonisch zugeschaltet gewesen. (apa/red)