Bahnindustrie : "Velaro Novo": Mit diesem ICE rüstet sich Siemens für die Fusion

Die Spitze des Schweißgeräts blitzt blau, es riecht verbrannt. Ein Mitarbeiter mit Atemschutzmaske kniet im silberfarbenen Aluminiumgerippe eines künftigen Zugwaggons. Im deutschen Krefeld entsteht der Wagenkasten für einen neuen Regionalzug, den Siemens für Pendler produziert.

Hier montiert der Technologiekonzern auch die Wagen für den neuen ICE 4. Und hier entwickelt Siemens auch seinen neuesten Hochgeschwindigkeitszug, den "Velaro Novo".

Auslieferung des "Velaro" auf Hochtouren

Die Auslieferung der aktuellen ICE-Generation ICE 4 "Velaro" läuft übrigens gerade auf Hochtouren. Diese Baureihe ist mit dem neuen europäischen Zugkontrollsystem ETCS ausgestattet. Außerdem setzt Siemens hier ein neues Triebwagenkonzept um: Bei den Zügen auf der Basis von fünf Wagentypen sind je nach Bedarf 24 Zugkonfigurationen möglich. Mehr dazu: Siemens: Auslieferung der neuen ICE-Generation auf Hochtouren >>

Intensive Entwicklungsarbeit am Nachfolger "Velaro Novo"

Vor der Ausgliederung aus dem Mutterkonzern und der Fusion mit Alstom sieht sich die Zugsparte von Siemens in einer starken Position. Die Sparte mache seit vier Jahren stabile Profite und arbeite erfolgreich an großen Zukunftsprojekten, so die Chefs der Siemens-Sparte, der Deutsche Michael Peter und die Französin Sabrina Soussan.

Am Zukunftsprojekt "Velaro Novo" arbeitet bereits seit 2013 ein Team von bis zu 300 Entwicklern. Sie bauen am Nachfolger des "Velaro", der in Deutschland und Österreich als ICE bekannt ist.

Siemens hat viel investiert - Velaro Novo soll über Jahre produziert werden

Mit der neuen Baureihe versprechen die beiden Chefs der Zugsparte Großes: Schneller soll der Zug sein, nämlich bis zu 360 Stundenkilometer. Sparsamer soll er sein und bei Tempo 300 um 30 Prozent weniger Strom verbrauchen als der Vorgänger. Gleichzeitig hat er zehn Prozent mehr verfügbaren Platz. Seit April laufen bereits Tests des "Velaro Novo" bei der Deutschen Bahn.

Das Prestigeprojekt soll noch auf Jahre weiterlaufen - auch, weil Siemens schon viel Geld investiert hat. 2023 könnten nach Unternehmensangaben die ersten regulären Passagiere im neuen Zug sitzen. Bestellungen gibt es allerdings noch nicht.

Eine Botschaft Richtung Paris

Siemens-Chef Joe Kaeser hatte der Zeitung "Le Figaro" gesagt: "Siemens Alstom wird ein französisches Unternehmen sein." Mit Hauptquartier in Frankreich, einem französischen Chef und Notierung an der Pariser Börse.

Jetzt wirkt der Zeitpunkt der Präsentation kurz vor Beginn der Transportmesse Innotrans wie eine Botschaft in Richtung Paris - bevor ab August die Mobilitätssparte von Siemens aus dem Mutterkonzern ausgegliedert und im ersten Halbjahr 2019 mit Alstom fusioniert werden soll.

Der "Velaro Novo" ist ein deutliches Signal, dass die jetzige Siemens-Sparte im künftigen Konzern nicht unter die Räder geraten soll, zumindest für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Was das in Bezug auf den Abbau von Doppelstrukturen heißt, wo also Arbeitsplätze wegfallen, wie es bei Fusionen die Regel ist, muss sich zeigen. Die beiden Spartenchefs halten sich bedeckt.

Als die gebürtige Pariserin Sabrina Soussan gefragt wird, welchen Zug sie bevorzuge, den ICE oder den TGV, antwortete sie lächelnd: "Ganz politisch korrekt würde ich sagen: Ich finde beide gut".

Siemens baut am ICE weiter - trotz des TGV von Alstom

Das heißt, dass Siemens auch die neueste Generation seines Hochgeschwindigkeitszugs ICE weiter entwickelt, obwohl Alstom mit dem TGV selbst einen erfolgreichen Hochgeschwindigkeitszug baut. Peter und Soussan erklären das mit dem Hinweis, dass die Zugsparte von Siemens bis zum Abschluss der Fusion weiterhin mit Alstom konkurriere. "Wir haben viel Geld in den Velaro investiert, und er ist international sehr erfolgreich", sagte Soussan.

Peter meinte dazu, dass sich Alstom und Siemens trotzdem gut ergänzten. Alstom sei in anderen Ländern tätig als Siemens. Als Vorbereitung auf die Fusion wird die Mobilitätssparte Anfang August eine rechtlich eigenständige Tochtergesellschaft von Siemens. Nach der Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden soll sie wohl im ersten Halbjahr 2019 mit Alstom fusionieren.

Eckdaten zur Fusion

Siemens bringt 30.500 Mitarbeiter und einen Umsatz von 8,1 Milliarden Euro in die neue Firma mit. Nach der Fusion soll Siemens Alstom 65.000 Mitarbeiter sowie einen Umsatz von 15,6 Milliarden Euro haben und damit zweitgrößter Zugbauer der Welt werden. Weltgrößter Zugbauer ist das chinesische Unternehmen CRRC mit einem rund doppelt so hohen Umsatz. (red mit AFP/APA)

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