Rohstoffe : Vattenfall verkauft deutsches Braunkohlegeschäft an Tschechen

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall will nach zähen Verhandlungen sein Braunkohlegeschäft in Deutschland an den tschechischen Versorger EPH abstoßen. Der Konzern habe dazu eine Vereinbarung mit EPH und dem Finanzinvestor PPF getroffen, teilte Vattenfall mit.

Weitgehend unbekannte tschechische Finanzfirma übernimmt

Der Wert der Transaktion war zunächst unklar, da neben Vermögenswerten auch Finanzverpflichtungen übergehen. Vattenfall rechnet jedoch im zweiten Quartal mit einer Belastung von 2,4 bis 2,9 Mrd. Euro. Die Schweden beschäftigen in den ostdeutschen Tagebauen und Braunkohlekraftwerken rund 7.500 Mitarbeiter.

Die Regierung in Stockholm muss dem Deal noch zustimmen. Vattenfall gehört zu 100 Prozent dem Staat. Im Rennen war auch ein Konsortium um den Versorger Steag und die australische Macquarie Bank. Die schwedische Regierung hatte von dem Staatskonzern Vattenfall den Verkauf der Braunkohlegeschäfte gefordert, damit sich dieser verstärkt auf den Ökostrom konzentriert. Die Regierung teilte mit, in den nächsten Monaten eine Entscheidung über den geplanten Verkauf zu treffen.

Vattenfall konzentriert sich auf Atomkraft und Wasserkraft

Vattenfall bezeichnet EPH als erfahrenen Betreiber, da der Konzern in Deutschland bereits mit der Tochter Mibrag im Braunkohlegeschäft tätig ist. Vattenfall hatte vor eineinhalb Jahren den Verkauf der Geschäfte angekündigt. Damals hatten Branchenexperten den Wert auf bis zu 3 Mrd. Euro geschätzt. Eigentlich hatte Vattenfall den Verkauf 2015 abschließen wollen.

Der Prozess hatte sich jedoch immer wieder verzögert. Durch den Verfall der Strom-Großhandelspreise im Zuge des Ökostromausbaus hat sich der Wert deutlich verringert. 2015 hatte Vattenfall auf die Braunkohlegeschäfte 1,6 Mrd. Euro abgeschrieben. In Schweden konzentriert sich der Versorger auf Wasser- und Atomkraft. (APA/Reuters)

Die tschechische Energie- und Industrieholding EPH hat den Zuschlag für die Übernahme der Braunkohle-Sparte von Vattenfall in Ostdeutschland erhalten. Die Tagebaue und Kraftwerke in Brandenburg und Sachsen werden auf einen Wert von 3,4 Mrd. Euro taxiert. In Deutschland ist der Investor aus dem Nachbarland noch relativ unbekannt. Einige Hintergründe in Fragen und Antworten:

Wer steht hinter EPH?

Der Kopf hinter dem Unternehmen heißt Daniel Kretinsky. Er ist erst 40 Jahre alt - und doch schon einer der reichsten Tschechen. Nach dem Jura-Studium in Brünn (Brno) legte er eine Blitzkarriere beim slowakischen Finanzinvestor J&T hin. Gemeinsam mit dem Finanzmogul und J&T-Mitgründer Patrik Tkac startete Kretinsky 2009 die EPH-Gruppe, die innerhalb kürzester Zeit zu einem der wichtigsten Akteure in der mittelosteuropäischen Energiebranche avancierte.

Schultert EPH den Kauf der Vattenfall-Braunkohle allein?

Nein. EPH hat sich mit einem zahlungskräftigen Partner zusammengetan, der PPF-Gruppe des Multimilliardärs Petr Kellner. Nach einer Schätzung der Zeitschrift "Forbes" ist Kellner der reichste Tscheche. Er soll Berichten zufolge mit einer privaten Boeing 737 durch die Welt jetten.

Warum investiert EPH in die ostdeutsche Braunkohle?

Kretinsky ist überzeugt davon, dass erneuerbare Energiequellen wie Wind, Solar und Biomasse die fossilen Träger Kohle, Gas und Atom noch lange nicht ersetzen können. Bis zum Ende der Übergangszeit jedenfalls lasse sich mit den alten Kraftwerken vielleicht noch gutes Geld verdienen. Die Wirtschaftszeitung "Hospodarske Noviny" aus Prag spricht von einer "Wette darauf, dass die Energiepolitik einiger europäischer Staaten undurchdacht ist" - gemeint ist damit auch die Energiewende in Deutschland.

Zugleich brauchen die klassischen Versorger dringend frisches Geld, um ihre Geschäfte angesichts immer unrentablerer Kohlekraftwerke neu zu ordnen. Da lässt sich aus Sicht der Tschechen das eine oder andere "Schnäppchen" machen. Deutschland ist für EPH kein Neuland: Seit 2011 ist der Braunkohleförderer Mibrag mit Sitz in Zeitz (Sachsen-Anhalt) eine 100-prozentige Tochter.

Warum kaufen die Tschechen nicht zuerst im eigenen Land ein?

Einige der größten Braunkohle-Tagebaue in Nordböhmen wie "Bilina" bei Teplice und "Nastup" bei Chomutov gehören dem zu zwei Dritteln staatlichen Energiekonzern CEZ - und stehen nicht zum Verkauf. Andere gingen bei der oftmals undurchsichtigen Privatisierung großer Teile des einstigen Staatsvermögens an konkurrierende Finanzgruppen.

Tschechien hat den Tagebau-Ausbau zudem im Jahr 1991 per Gesetz begrenzt und bestimmte Fördergebiete festgelegt. Seither wurden die geltenden Beschränkungen nur stellenweise aufgeweicht.

Was weiß man sonst noch über Kretinsky und Co?

Kretinsky ist Mitbesitzer des Fußballvereins Sparta Prag. Nur seine Fußball-Leidenschaft sei noch größer als seine Begeisterung für die Energiebranche, heißt es. Er spielt Golf, sammelt Kunst und mag italienische Sportwagen. Kretinsky lebt nach eigener Aussage in einer Villa, die einst der kunstinteressierte und bibliophile Bankier Jaroslav Preiss (1870-1946) für sich und seine Geliebte bauen ließ. Im Kommunismus wohnte dort zeitweise das ZK-Mitglied Vasil Bilak. Obwohl er mitunter wegen seines Bubengesichts belächelt wird, gilt Kretinsky als harter Verhandler.

Gibt es auch Kritik an EPH?

Finanzanalysten weisen auf den hohen Schuldenstand hin. Bei einem Umsatz von knapp 3,7 Mrd. Euro 2014 lag der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen bei fast 1,4 Mrd. Euro - die Schulden nach einer Schätzung der Zeitschrift "Ekonom" aber zugleich bei über 5 Mrd. Euro. Ein teilweiser Börsengang ist in Planung, um Geld in die Kassen zu spülen.

Andere halten Kretinsky für ein "weißes Pferd" - im Tschechischen ein Begriff für Stellvertreter, hinter denen sich anonyme Besitzer verstecken. Sein Name taucht auch im Zusammenhang mit den "Panama Papers" auf. Dass ihm die Firma "Wonderful Yacht Holdings" auf den Britischen Jungferninseln gehört, bestreitet sein Sprecher nicht: "Ihr einziger Zweck ist der Besitz eines Katamarans."

(dpa/APA)