Atomkraft : Tschechien will nach AKW Dukovany nun auch Temelin ausbauen

Tschechien will nach dem AKW-Neubau in Dukovany auch das umstrittene bestehende Atomkraftwerk Temelin ausbauen, kündigte der tschechische Industrie- und Handelsminister Karel Havlicek an. "Im Zeitraum von fünf Jahren erwartet uns eine neue Diskussion über den Atomausbau. Ich bin wir fast sicher, dass wir einen Ausbau Temelins nicht vermeiden können." Umweltschützer kritisieren die beiden Anlagen seit Jahren als störanfällig und veraltet. Temelin ist nur rund 60 Kilometer von den Grenzen zu Deutschland und Österreich entfernt.

"Unrealistisch, Kohle durch Erneuerbare zu ersetzen"

Dort gebe es nämlich schon Kapazitäten für neue Reaktorblöcke, argumentierte der Minister. Als "völlig unrealistisch" bezeichnete er die Idee, die Kohle künftig durch erneuerbare Quelle und Gas zu ersetzen, "falls man nicht finanziell ausbluten will". "Und auch wenn wir das wollten, könnte man das höchstwahrscheinlich nicht meistern. Für Windkraft haben wir nicht die geografischen Bedingungen und für Solarenergie müssten wir die Hälfte des Landes mit Paneelen verbauen", meinte Havlicek.

"Ich sage nicht, dass erneuerbare Quellen schlecht sind. Diese werden zunehmen, deren Zahl kann sich verdoppeln, aber den Anteil der Kohle können wir nicht anders als durch Atomkraft senken. Der Energiemix muss auch ein bestimmtes Maß der Unabhängigkeit respektieren, deswegen kann man sich nicht in einem größeren Maß auf Gas verlassen", sagte der Minister weiter.

Nach bisherigen Plänen soll das AKW Dukovany mit seinen vier Reaktorblöcken um zwei Reaktoren erweitert werden. Bis Ende des Jahres will die tschechische Regierung mit dem Energiekonzern CEZ einen entsprechenden Vertrag unterzeichnen, damit kommendes Jahr das Ausschreibungsverfahren beginnen kann. Derzeit stammt ein Drittel der Energie in Tschechien aus Atomstrom.

Starke Kritik aus Österreich

Österreichische Spitzenpolitiker haben mit Kritik auf die Ankündigung Havliceks reagiert. Ex-Umweltministerin Elisabeth Köstinger und der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober wiesen vor allem das Klimaargument zurück. "Wer ernsthaft behauptet, dass man in Solarenergie nicht investieren kann, weil sonst 'die Hälfte des Landes mit Solarpaneelen verbaut wird', der hat sich sichtlich zu wenig mit Erneuerbaren Energien befasst", kritisierte die stellvertretende ÖVP-Klubchefin Köstinger in einer Aussendung. Die Ausbaupläne für Temelin seien der nächste Schritt einer "fehlgeleiteten Energiepolitik" in Tschechien. "Ich halte das wirklich für eine völlige Fehlentwicklung, die für die österreichische Bevölkerung höchst gefährlich und in der Sache unverständlich ist. Atomkraft kann nie und nimmer eine taugliche Alternative für mehr Klimaschutz sein."

Ähnlich äußerte sich Anschober. Der tschechische Minister "zimmert sich eine Schein-Welt zurecht, die es so nicht gibt", schrieb der Grün-Politiker in einer Aussendung. Mit Blick auf Havliceks Aussage, man würde bei einem Ausstieg auf erneuerbare Energieträger "finanziell ausbluten", verwies er darauf, dass die Kosten der Atomkraft um 23 Prozent explodiert seien, während jene für Solarstrom um 88 Prozent und jene für Windkraft um 69 Prozent gefallen seien. Atomenergie sei "ein schwerer Schaden für den Klimaschutz, denn sie ist völlig unwirtschaftlich und bindet Milliarden, die für die echte Energiewende zu Erneuerbaren und Energieeffizienz fehlen", meinte Anschober.

Atomausbau „notfalls gegen EU-Recht“ durchsetzen

Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis will den Bau neuer AKW-Blöcke allerdings mit allen Mitteln erreichen. "Wir müssen das durchsetzen, selbst wenn wir europäisches Recht brechen müssten", sagte der 65-Jährige nach Angaben der Agentur CTK vor Abgeordneten in Prag. Die Sicherheit der Energieversorgung habe für Tschechien Priorität.

Offen blieb, ob sich die Aussage auf die Prüfung der Umweltverträglichkeit, die Frage staatlicher Beihilfen oder andere EU-Vorgaben bezog. Man habe schon vor geraumer Zeit mit dem Ausbau beginnen sollen, erklärte der Gründer der populistischen Partei ANO. "Bei der Atomkraft haben wir die Zeit verschlafen", kritisierte der Unternehmer und Multimilliardär. Die Regierung plant, den Anteil der Atomkraft am Strom-Mix bis 2040 auf die Hälfte zu erhöhen.

FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch forderte die EU zum Einschreiten gegen die tschechischen "Atomfantasten" auf. "Tschechien entwickelt sich immer mehr zum Pulverfass für Europa", schrieb Rauch in einer Aussendung. Es könne nicht sein, dass die meisten europäischen Staaten auf erneuerbare Energien setzen und ihre Hausaufgaben machen, Tschechien aber nicht. "Ein weiterer (Atom-)Ausbau gefährdet nicht nur Österreich, sondern ganz Europa."

In einer tschechischen Umfrage aus dem Jahr 2015 hatten nur 9 Prozent der Befragten große Ängste vor Atomkraft geäußert, 24 Prozent hatten mittelgroße und 63 Prozent keine oder geringe Befürchtungen. Als wichtige Interessenten für den Bau neuer Reaktoren gelten das koreanische Unternehmen KHNP und die russische Rosatom. (apa)