Management : Traumjob Unternehmer?

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Claudia Androsch winkt ab. Eine Geschichte über Erben, die ihren Weg abseits der elterlichen Bahnen gemacht haben? Sehr nett, dass wir an Sie gedacht haben, aber dazu wolle sie nichts sagen. „Wissen Sie, ich habe so lange gebraucht, um mich von dem stets anwesenden Schatten meines Vaters zu lösen, dass ich an einer solchen Geschichte kein Interesse habe. Am Ende wird’s dann ja doch eine Geschichte über ihn.“ Seit vielen Jahren geht die heute 48-jährige als Schauspielerin einen Berufsweg weitab von den Geschäften ihres Vaters. Derzeit steht sie „Geliebte Sisi“ auf der Freien Bühne Wieden im Rampenlicht. Einem breiten Publikum ist sie mit der Fernsehserie „Kaisermühlenblues“ bekannt geworden, wobei auch da viele Zuseher vermutlich nicht realisiert haben, wenn sie da als resolute Sabine Leitner vor sich hatten.

Der Wunsch, sich vom übermächtigen Vater zu befreien, war immer schon ein Grund, warum Manager- und Unternehmerkinder Karrieren fernab des von den Eltern vorbestimmten Weges gegangen sind. Die Unternehmensberatung Stanton Chase International hat jetzt eine groß angelegte Studie veröffentlicht, die nahe legt, dass ein großer Teil der Eltern dies gar nicht so schlimm finden. 56 Prozent der männlichen 69 Prozent der weiblichen Führungskräfte in österreichischen Unternehmen (1500 Befragte), so die Stanton Chase Studie, legen ihren Kinder einen anderen Beruf als den eigenen nahe. Nur am Willen, dem Papa eins auszuwischen, liegt es also nicht, wenn potentiellen Nachfolgern der Job als Industriekapitän unattraktiv erscheint.

Stress am Chefsessel.

Es ist vor allem die extrem hohe persönliche Belastung, die gegen den Platz auf dem Chefsessel spricht. Nur 23 Prozent der befragten Manager schätzt sie als gering ein, der Rest stöhnt darunter oder klagt gar über Überforderung. Dass Kinder unter dem Druck, der auf ihren Vätern (seltener: Müttern) lastet, leiden, überrascht nicht wirklich. In diesem Punkt gleichen sich die Geschichten der Manager-Nachfahren. Vom Vater, der gerade mal abends zum Guten-Nacht-Sagen ins Kinderzimmer huschte, ist da die Rede und davon dass die Firma ein Endlosthema war, wenn der Primus Familiae es doch einmal an den sonntäglichen Mittagstisch schaffte. Aber, so versichern die von Industriemagazin befragten unisono: Als Kind nimmt man das zuerst gar nicht wahr, weil man ja nichts anderes kennt.

Dass für viele Manager ihr Unternehmen der nahezu ausschließliche Bezugspunkt im Leben ist, wird auch von nackten Zahlen bestätigt. So schafft es nur jeder zweite österreichische Manager, in seiner Freizeit noch Freunde zu treffen. Der Rest regeneriert, wenn überhaupt, zuhause oder beim Sport und gerät dabei, auch wenn er im Job ständig von Menschen umgeben ist, dennoch in eine tiefe Isolation.

Was auch ein Generationenproblem ist, wie Norbert Zimmermann, 66, und inzwischen nur noch im Aufsichtsrat seiner Berndorf AG tätig, zu bedenken gibt. „Wenn ich in meine eigene Vergangenheit zurückblicke: Wir waren Nachkriegskinder, wir haben nichts gehabt. Arbeit war daher wichtiger als alles andere. Leute die in den sechziger und siebziger Jahren geboren wurden und heute für Führungspositionen in Frage kommen, sehen das anders und sagen: Arbeit ist gut, aber auch das Privatleben ist wichtig.“

Industriemagazin hat mit unzähligen Erben gesprochen – vier völlig unterschiedliche Lebensläufe sollen hier exemplarisch portraitiert werden. Das Fazit: Am Ende sind sie ihren Eltern eben doch ziemlich ähnlich, die verlorenen Unternehmersöhne und Töchter. Sie treibt, was die Elterngeneration dazu trieb, Unternehmer zu werden: Den unbedingten Wunsch nach Selbstverwirklichung.

Doch dann kamen – es war mitten in der Hippieära – ein paar Millionstel eines Pilzderivats dazwischen, gemeinhin LSD genannt. „Das hat mein Weltbild völlig verändert, oder, wenn sie so wollen: neu geordnet. Ich habe gemerkt, dass ich das, wovon ich glaubte, dass ich es wollte - Vermögen, Macht, Ruhm - in Wirklichkeit gar nicht will. Was ich wirklich will – und das verbindet mich nicht nur mit allen Menschen, sondern auch mit allen anderen fühlenden Wesen - ist glücklich sein.“

Die Folgen der neuen Erkenntnis sind fundamental. Palmers trampt durch die Welt, lebt zehn Jahre in einem buddhistischen Kloster, wird selber Zen-Mönch. Und er engagiert sich im Tierschutz. Lange Jahre ist er unter anderem Vorsitzender des Vereins gegen Tierfabriken. Heute betreibt er die überkonfessionellen Meditationszenter Haus Puregg im Pinzgau und Felsentor im Schweizer Kanton Luzern, wo auch das eine oder andere dem Schlachthof entkommene Tier Zuflucht gefunden hat, darunter auch Anton, „ein mittlerweile 300 Kilo schweres Säuli“.

Ein weltfremder Romantiker ist Palmers dennoch nicht. Dass er den Betrieb und die Finanzierung seiner Meditationshäuser so gut schafft, liegt auch an seiner Herkunft aus einer Großunternehmerfamilie. „Wenn man mit so etwas aufwächst, verliert sich das nicht so schnell“, sagt er, deshalb liege ihm das Managen und Geschäftemachen eben doch im Blut.

Was sich auch beim Verkauf von Palmers als praktisch erwies, den er 2004 mit verhandelte. „Obwohl ich mit dem erzielten Ergebnis durchaus zufrieden bin, fand ich mich am Ende der Gespräche darin bestätigt, dass diese Form von Wirtschaft etwas ist, bei dem ich auf Dauer nicht mitmachen mag.“, sagt Vanja Palmers heute und beklagt vor allem die „Atmosphäre der Unehrlichkeit“, in der Verhandlungen dieser Art stattfinden.

Die Geschichte, die er zur Illustration erzählt, ist nicht untypisch für die Abwege, auf die Big Business geraten kann: „Wir hatten einen Wirtschaftsanwalt, der für eine Tätigkeit, von der alle wussten, dass sie vielleicht drei, vier Stunden dauert über 200.000 Euro verrechnet hat. Weil wir diesen Anwalt aber brauchten und er wusste, dass wir ihn brauchten, hat er das Honorar auch bekommen. Alle taten einfach so, als würden sie seine Geschichte, er hätte derart horrende Aufwendungen gehabt, glauben.“

Was ihm zumindest so viel Realitätssinn zurückgab, dass er als kleiner Schalterbeamter einen Neustart in der heimatlichen Raika wagte. Der Rest der Geschichte ist bekannt und führte an die Spitze der Bank Austria.

Der Sohn hatte auch nicht von Anfang an einen klaren Plan. Eine Weile schien ihm das Militär und Flugzeugtechnik eine spannende Option zu sein. Doch die Bundesfachschule für Flugtechnik in Langenlebarn, samt angeschlossenem Bundesheer-Internat konnte in Leonard Cernko letztlich keine dauerhafte Leidenschaft erwecken. Was zum nächsten Versuch, der Gastronomie, führte. Allerdings ohne übergroße Erwartungen, wie sich der Top-Koch heute erinnert: „Es war nicht so, dass ich gesagt hätte: Ich will unbedingt in die Küche, weil ich schon der Mama so gern in beim Backen geholfen habe. Nein gar nicht. Es war am Anfang auch nicht die Vorstellung, dass das jetzt der Traumjob wird. Das hat sich alles erst später gezeigt. Ich habe nur gewusst, dass mich das, was mein Vater als Manger macht, einfach nicht interessiert.“

Der Vater selbst beobachtete die kochlöffelschwingenden Anfänge des Filius mit wohlmeinender Skepsis: „Meine Forderung an meinen Sohn war nur die: Arbeite zehn Tage bei einem Spitzenkoch und absolviere dort das volle Programm. Wenn du dann noch immer Koch werden willst, ist das für mich okay!“ Es sollte deutlich mehr werden als zehn Tage: Cernko junior lernte bei Habenkoch Toni Mörwald, machte in der Folge Station bei unzähligen Großen der Branche wie Reinhard Gehrer oder Heinz Winkler, bis ihn Toni Mörwald als Küchenchef wieder zurückholte.

„Ich habe immer Chefs gehabt, die an mich glaubten und mich auch förderten“, sagt Cernko rückblickend. Was ihm aber auch geholfen habe, sei das Bewusstsein, dass in jedem Geschäft die Kundenbeziehung das Wichtigste ist: „Du kannst der beste Koch der Welt sein, wenn du dich immer in der Küche versteckst, wird das nie etwas. Man muss schon rausgehen zu den Leuten.“

Gut möglich, dass Leonard Cernko diese Kundenorientierung von daheim mitgebracht hat. Und offenbar doch auch einiges mehr an Managerfertigkeiten. Denn seit einem Jahr steht der heute 33-jährige nicht mehr in der Küche, sondern ist im Berliner Traditionshaus Adlon-Kempinski für die gesamte Gastronomie verantwortlich. Eigentlich ein typischer Managerjob. Was den Vater, auf die Frage, was er davon hält, dass der Sohn nicht in seine Stapfen getreten ist schmunzeln lässt: „Heute ist er ohnehin dort angelangt.“

Sie wollte eben eine Karriere machen, die sie erst gar nicht in den Verdacht bringt, durch ihre Herkunft begünstigt worden zu sein. Denn, so Krainer Senger-Weiss überaus streng zu sich selbst: „Für ein Familienmitglied ist das Familienunternehmen immer ein bisschen eine geschützte Werkstätte. Deshalb habe ich meine Zulassung als Anwältin in New York gemacht und dort und später in London gearbeitet. Das ist weit genug von Wien, dass niemand sagen konnte, dass ich nur deshalb Erfolg habe, weil ich aus einer bekannten Familie komme.“

Was nicht heißt, dass Krainer Senger-Weiss, die sich unter anderem auf die Beratung von Familienunternehmen und Betriebsübergaben spezialisiert hat, nicht dennoch von ihrer Abstammung profitieren würde: „Natürlich habe ich den Vorteil, dass ich mich gut in die Gefühlswelt meiner Mandanten einfühlen kann, weil ich ja aus eigener Erfahrung weiß, wie Familienunternehmen funktionieren.“ Der Austausch funktioniert allerdings auch in die andere Richtung. Bei Vetragserrichtungen oder Immobiliendeals ist die Juristin eine gern gesehene Beraterin für den durch ihre Brüder und zwei Externe geführten Gebrüder-Weiss-Vorstand.

Und was rät sie, die nicht operativ im Familienunternehmen tätig wurde, obwohl sie es können hätte, Eltern, in deren Unternehmen ebenfalls der Generationenwechsel ansteht? Situationsadäquat zu handeln: „Es gibt Fälle, wo Familienmitglieder, andere wo externe Geschäftsführer an der Spitze besser sind.“ Und noch etwas ist ihr wichtig: Genauso wie Umstände, können sich Lebenswege von Menschen ändern. Deshalb will sie auch nicht ausschließen, irgendwann einmal sich vielleicht doch noch stärker in das Familienunternehmen einzubringen als sie es in unterstützender Funktion jetzt schon tut.

Und obendrein kann er, wie er zugibt, inzwischen davon auch gut leben. „Die ersten Jahre als Designer waren kein Honiglecken. Vor allem am Beginn habe ich schon um jeden Kunden kämpfen müssen“, erinnert sich der heute 50-jährige.

Zumindest in dieser Hinsicht hätte es der einzige Sohn des damaligen Hälfte-Eigentümers der Umdasch AG einfacher haben können und einfach in das väterlich Unternehmen einsteigen. Was für ihn aber als Idee sehr bald vom Tisch war: „Ich habe dann Industrial Design auf der Angewandten studiert, mit der Idee, dass ich nach diesem Studium meinen Stärken nachgehen kann.“

Ein Schritte, den er nie bereut und das nicht nur, weil er im Gegensatz zu seinem stets gestressten Vater sich die Zeit nehmen kann, seine Kinder täglich zur Schule zu bringen. „Manches wäre vielleicht im Unternehmen personell für mich leichter und einfacher. Dafür habe ich aber auch mehr Spielraum und kann mir Auszeiten dann nehmen, wenn ich sie brauche. Das ist im kreativen Prozess auch ganz wichtig.“

Den Kontakt zum Familienunternehmen sucht er trotzdem regelmäßig. Nur weil sein persönlicher Weg ihn woanders hingeführt hat, heiße das ja noch lange nicht, dass ihn das Familienunternehmen nicht interessiere: „Im Gegenteil, ich informiere mich regelmäßig, es liegt mir sehr am Herzen. Auch deshalb, weil ich ja die Entwicklung der Firma als Kind hautnah miterlebt habe. Ganz lässt einen so etwas nie mehr los- und ich pflege auch den Kontakt zu vielen Mitarbeitern im Unternehmen.“

Wie er überhaupt gerade im zwischenmenschlichen Bereich sehr viel davon profitiert habe, dass er mitten in der großen Wirtschaftswelt aufgewachsen ist: „Ich habe zum Beispiel von meinem Vater schon ganz früh mitbekommen, dass Mitarbeiterführung und Kundenbeziehung sehr wichtig und die Schlüsseln zum Erfolg sind. Das ist sicher etwas, was meine Familie sehr gut macht.“

Und dann sagt Stefan Umdasch einen Satz, der zeigt, dass er, wären da nicht die vielen schönen Karaffen, Tische, Küchen, die einfach entworfen werden müssen, genausogut ein fähiger Industrieboss geworden wäre: „Ein guter Manager sollte menschlich sein, und er sollte Visionen haben.“ Der Apfel fällt eben doch nicht weit weg vom Stamm, auch wenn er oft woandershin rollt.