Stahlindustrie : Thyssen mit Klöckner: Neue Hoffnung für neuen deutschen Stahlriesen

Die seit Jahren immer mal wieder aufkeimende Idee einer Deutschen Stahl AG hat durch Berichte über Gespräche zwischen Thyssenkrupp und Klöckner & Co (KlöCo) neue Nahrung erhalten. Thyssenkrupp-Boss Guido Kerkhoff und KlöCo-Chef Gisbert Rühl seien im regelmäßigen Austausch über eine mögliche Zusammenarbeit im Stahlhandel, sagten mehrere mit den Gesprächen vertraute Personen zu Reuters.

"Konkrete Gespräche über eine Übernahme"

Beide Unternehmen führen demnach bereits konkrete Gespräche über eine Übernahme von Klöckner durch Thyssen-Krupp. "Das Vorhaben ist sehr konkret und hat gute Chancen, umgesetzt zu werden", hieß es aus dem Umfeld der Verhandlungen. Die Firmen lehnten einen Kommentar dazu ab. Thyssen will sein Werkstoffgeschäft stärken, das zusammen mit der Stahlherstellung den neuen Kernbereich des Unternehmens bilden soll.

Das Werkstoffgeschäft beider Firmen auf Basis des vergangenen Geschäftsjahres auf einen Umsatz von mehr als 21 Milliarden Euro. Fusioniert wären die beiden Unternehmen der dominante Werkstoffhändler in Europa und Nordamerika mit knapp 27.000 Mitarbeitern.

Der Ausgang sei aber völlig offen. Das "Handelsblatt" hatte berichtet, dass Thyssen KlöCo übernehmen wolle und Branchenkreise zitiert, wonach auch ein Zusammengehen mit Salzgitter Vorteile brächte.

Thyssenkrupp bräuchte dafür viel Geld

Für den Klöckner-Deal bräuchte Thyssenkrupp aber rund 800 Millionen Euro. Klöckner & Co (KlöCo) hat zuletzt die rückläufige Nachfrage seiner Kunden aus der schwächelnden Automobilindustrie und dem Maschinenbau zu spüren bekommen. Im zweiten Quartal wurde einen Gewinneinbruch verbucht.

Um diese und weitere Akquisitionen zu finanzieren, steht das Aufzugsgeschäft von Thyssen zur Disposition. Die derzeit profitabelste Sparte wird für einen Börsengang vorbereitet, allerdings steht der Plan unter Vorbehalt. Auch ein Teilverkauf der Sparte, deren Gesamtwert auf bis zu 14 Mrd. Euro geschätzt wird, an Finanzinvestoren ist möglich, so das "Handelsblatt".

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KlöCo-Chef Rühl heizt Spekulationen an

Spekulationen über einen Zusammenschluss der Geschäfte von Thyssenkrupp und KlöCo gibt es seit Jahren. Die Unternehmen wollten sich dazu nicht äußern. In der Vergangenheit hatte vor allem KlöCo-Chef Rühl die Spekulationen angeheizt. "Wir sind grundsätzlich bereit, bei der Konsolidierung der Thyssenkrupp-Sparte Materials Services eine Rolle zu spielen", hatte er erst Ende Juli gesagt. Thyssenkrupp wiederum hat sich offen für Partnerschaften der Sparte gezeigt.

An der Börse legten die Aktien von KlöCo nach Bekanntgabe der Meldung zeitweise um 17 Prozent zu, bröckelten dann aber auf ein Plus von knapp zehn Prozent ab, Thyssenkrupp-Papiere stiegen um bis zu zwei Prozent. Insider bezweifelten, dass eine Übernahme von KlöCo - der Börsenwert liegt bei 544 Millionen Euro - unmittelbar bevorsteht, auch weil Thyssenkrupps Kassenlage angespannt ist. Nach einem strategischen Zickzack-Kurs will Kerkhoff die milliardenschwere Aufzugstochter teilweise an die Börse bringen oder verkaufen.

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Zweifel unter Insidern

Ein mit der Strategie Thyssenkrupps vertrauter Insider sagte, der Konzern habe im Moment alle Hände voll zu tun, um den geplanten Börsengang zu organisieren. Ein bevorstehender Deal mit KlöCo wäre daher sehr überraschend. Ein Händler sagte, es wäre für Thyssen strategisch schwer zu begründen, die lukrative Aufzugssparte zu verkaufen, um anschließend in das schwächelnde Stahlhandelsgeschäft zu investieren.

Nach der geplatzten Stahlfusion mit Tata und einem Verkauf der Aufzugssparte muss Thyssenkrupp die früher ungeliebte Stahlsparte jedoch wieder in den Mittelpunkt der Strategie rücken.. "Thyssenkrupp bleibt nichts anderes übrig, als sich wieder auf das Stahlgeschäft zu konzentrieren", sagte Michael Muders, Portfoliomanager von Union Investment. Es sei schwer zu beurteilen, was ein Deal mit KlöCo bringen könnte, solange völlig offen sei, wie dieser aussehen könnte. Synergien seien denkbar. "Größe spielt im Stahlhandel durchaus eine Rolle."

Stahlhandel sehr zersplittert

Der Stahlhandel ist zersplittert. Neben Produzenten wie Thyssenkrupp, Salzgitter und ArcelorMittal sind zahlreiche Mittelständler auf dem Markt. Eine Konsolidierung der Branche wird von vielen Experten erwartet. Bei Thyssenkrupp und KlöCo wäre es allerdings ein Zusammengehen zweier schwächelnder Geschäfte. Beide kämpfen mit Gewinneinbrüchen.

Seit Jahren wird auch darüber spekuliert, dass die beiden deutschen Branchenführer Thyssenkrupp und Salzgitter eine Deutsche Stahl AG gründen könnten. Bei Salzgitter-Chef Jörg Fuhrmann stößt die Idee allerdings auf wenig Gegenliebe. "Bis heute habe ich noch kein Konzept zur Fusion mit einem Wettbewerber im Stahl gesehen, das eine für uns erkennbar vorteilhafte Perspektive beinhaltet hätte. Aber ich kann und will natürlich nicht ausschließen, dass es das eines Tages doch geben könnte", sagte er kürzlich der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Auch Experten sehen darin keinen Selbstläufer, zumal hohe Kartellhürden zu erwarten wären. "Die Diskussion über eine Deutsche Stahl AG erinnert an die über die Warenhaus AG zwischen Karstadt und Kaufhof", sagte Union-Experte Muders. Es müsse klar erkennbar sein, was das bringen soll – und zwar für alle Beteiligten: die Beschäftigten, die Aktionäre und die Kunden. "Die wichtigste Frage für Thyssenkrupp ist im Moment, wie der Wert der Aufzugssparte optimal gehoben werden kann." (reuters/apa/red)

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