Forum Alpbach : Technologiegespräche Alpbach: Verzahnung des Verkehrs zentral

Zukünftig werden für die individuelle Beweglichkeit erneuerbare Energien, zuverlässige Fahrzeuge, allgemeine Zugänglichkeit sowie sozioökonomische Verträglichkeit eng verzahnt. Bei den Alpbacher Technologiegesprächen beschäftigt sich ein Arbeitskreis mit der "Mobilität der Zukunft". Nahtlose Übergänge zwischen verschiedenen Mobilitätslösungen werden künftig ganz zentral, so Experten.

"Man möchte ein Ökosystem, das gut funktioniert und an dem man Freude hat, es zu nutzen und bereit ist, einen gewissen Beitrag zu zahlen", sagte der Geschäftsführer der Virtual Vehicle Research GmbH in Graz, Jost Bernasch, im Vorfeld des Arbeitskreises zur APA.

Mark Topal-Gökceli, Leiter des Bereichs Bahnsysteme & Technik (CTO) der ÖBB Holding AG, sieht das ähnlich: "Die ÖBB spricht mittlerweile von einer First- und Last-Mile-Integration. Wir haben erkannt, dass die ersten und letzten Meter des Güter- und Personenverkehrs die Veredelung des Produkts sind." Damit entstehe ein komplexes Mobilitätssystem nicht mehr nur aus einzelnen Anbietern, sondern aus deren Verbindung.

Laut den Optimierungsbestrebungen der ÖBB soll künftig kein Zug mehr stillstehen. Das bedeute beispielsweise eine Kapazitätssteigerung für die Wiener Stammstrecke von bis zu 80 Prozent im Jahr 2030. Es sei geplant, mehr und längere Doppelstockzüge einzusetzen und die Zugfolge zu verdichten. Bereits jetzt erfolgt die Betriebsführung teilweise automatisiert. Längerfristig sollen auch führerlose Systeme betrieben werden. "Das sind aber keine Rationalisierungsbestrebungen. Die spielen gesamtwirtschaftlich überhaupt keine Rolle. Die Überlegung sind getrieben von der Kapazität", betonte Topal-Gökceli.

Der sogenannte "Moving Block", eine eigenständige Standortübertragung der Züge ohne den Zwischenschritt einer Gleisfreimeldeanlage, sorge außerdem für einen flüssigeren Verkehr. Eine Grundvoraussetzung für den Moving Block ist die digitale Erfassung von Fahrzeugdaten (Telematik), die Aussagen über den Versand und den Empfang von Waren zulassen. "Güterzüge werden in ganz Europa über mehrere Wochen und Monate durchgetauscht. Mit dem Einbau einer entsprechenden Telematik und ferngesteuerten Kupplung können die Güter schließlich lückenlos verfolgt werden", erklärte Topal-Gökceli. Doch diese digitale automatische Kupplung ist in Europa noch nicht flächendeckend im Einsatz. Das ist unterschiedlichen Zugsicherungs- und elektronischen Versorgungssystemen in den verschiedenen Ländern geschuldet.

Im Bereich der Automobilbranche verweist Bernasch auf die Notwendigkeit einer guten Mischung aus hocheffizienten Verbrennungsmotoren, emissionsfreiem elektrischen Antrieb und wasserstoffbasierten Lösungen. "Technologien unterliegen verschiedene Strömungen, die auch mit massiven wirtschaftspolitischen Interessen einhergehen. Man darf nicht vergessen, dass Europa den weltweiten Lead im Bereich umweltfreundliche und effiziente Verbrennungsmotoren hat." Den Verbrennungsmotor komplett einzustampfen und Batterien aus China oder digitale Technologien aus den USA zu beziehen, sichere keine Arbeitsplätze in Österreich, so der Virtual Vehicle-Chef.

Darüber hinaus gebe es zu bedenken, dass Lkw oder Schiffe - letztere fahren mit höchst schwefelhaltigen Treibstoffen - derzeit weitaus mehr CO2 ausstoßen als ein moderner Verbrennungsmotor. Für die gesamte Ökobilanz müssten also alle Transportsysteme berücksichtigt werden.

Topak-Gökceli weist diesbezüglich auf die Kostenwahrheit hin: Es könne nicht sein, "dass ein Flug von Wien über Düsseldorf nach Prag günstiger ist als ein Zugticket für die direkte Strecke." Zumindest der Treibstoffverbrauch plus zusätzliche Aufwände müssten von der Flugbranche berechnet werden. Die tatsächlichen Preise würden aber weit darunter liegen. Daher appelliert Topak-Gökceli an mehr Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit aller Beteiligten bezüglich der Kosten.

Laut Bernasch sollte außerdem nicht immer nur auf den Treibstoffverbrauch geschaut, sondern auch die Gesamtenergiebilanz der einzelnen Fahrzeuge beachtet werden. Das beinhaltet auch deren Herstellung und die benötigten Rohstoffe. Denn wie viel Liter Treibstoff ein Auto auf 100 Kilometern verbraucht, sei nur eine Seite der Medaille.

Die "Future Mobility" werde sich schlussendlich auch auf dem Arbeitsmarkt widerspiegeln: Während auf der einen Seite Fahrzeugführer wegfallen und der Bau von Elektrofahrzeugen zu einer Produktionsveränderung führt, brauche es auf der anderen Seite gut bedienbare Softwaretechnologien. "Es benötigt mehr Informatiker, Softwareingenieure und Regelungstechniker, die das Herzstück des Autos fabrizieren können. Das wird den Wert des Fahrzeugs steigern", so Bernasch. Doch um den Weg der nahtlosen Mobilität zu ebnen, müssten auf nationaler und europäischer Ebene noch einige Bestrebungen in den Bereichen Digitalisierung, Teststrecken und Standardisierungen umgesetzt werden. (apa/red)