Bahnindustrie : Statt Bombardier: Jetzt verhandelt Siemens mit Alstom

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© Peter Martens

Der deutsche Industriekonzern Siemens und der französische Zughersteller Alstom stehen vor einer möglichen Vereinigung ihrer Bahntechnik-Geschäfte.

Ein Zusammenschluss unter der Führung von Siemens könnte am 26. September bekanntgegeben werden, berichtete die in Paris erscheinende Zeitung "Le Monde" unter Berufung auf Eingeweihte. Mitarbeiter des Kanzleramtes von Angela Merkel und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron seien in entsprechende Gespräche eingebunden. Weder Siemens noch Alstom noch Bombardier wollten sich zu dem Bericht äußern.

Siemens würde in diesem Fall eigene Unternehmensteile im Wert von 7 Mrd. Euro beisteuern und im Gegenzug eine 45- bis 50-prozentige Beteiligung an Alstom erhalten, hieß es in dem Bericht.

Bombardier und Siemens haben große Standorte in Wien

Wie mehrfach berichtet hat Siemens laut Eingeweihten in den vergangenen Monaten auch ein Bündnis mit dem kanadischen Zughersteller Bombardier ausgelotet.

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Siemens hat die Wahl

Denn Alstom oder Bombardier: Siemens hat für die geplante Großfusion im Zuggeschäft die Wahl zwischen zwei Partnern.

Bei Alstom würde Siemens seine eigene Zug-Sparte bei Alstom einbringen und im Gegenzug die Mehrheit an dem Konzern übernehmen, der an der Börse knapp sieben Milliarden Euro wert ist.

Ob die Verhandlungen mit den Franzosen fortgeführt werden oder sich Siemens doch für zwei Gemeinschaftsunternehmen mit Bombardier entscheidet, werde bereits in wenigen Tagen klar sein, sagte eine mit den Entwicklungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg über die Pläne berichtet.

Hintergrund: Neuer massiver Druck aus China

Den Platzhirschen Siemens, Bombardier und Alstom war zuletzt neue Konkurrenz aus China erwachsen, wo durch eine Fusion mit der staatlichen CRRC ein Weltmarktführer entstanden ist, der massiv auch auf den westlichen Markt drängt.

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"Natürlich wird man eine starke Nummer zwei bauen müssen", hatte er im August gesagt. Das werde aber möglicherweise nicht so schnell gehen wie gedacht. Die Verhandlungen von Siemens mit Bombardier waren Insidern zufolge im Sommer bereits weit gediehen, im Aufsichtsrat aber vertagt worden. Unsere Meldung dazu: Siemens vertagt Entscheidung zur Fusion mit Bombardier >>

Das waren die Pläne mit Bombardier

Mit Bombardier ginge es um die Gründung zweier Gemeinschaftsunternehmen für Züge und Signaltechnik, von denen das Erstere von den Kanadiern und letzteres von Siemens geführt würde. Damit wollten die Partner die erwarteten Bedenken der Kartellwächter ausräumen.

Heutige Skepsis - und die Unterschiede zu Alstom

Inzwischen sei man bei Siemens aber skeptisch, wie stabil das Konstrukt mit den Joint Ventures sei, sagte der Insider. Die Eisenbahn-Sparte von Bombardier, die aus der ehemaligen deutschen Adtranz hervorgegangen war, ist der wichtigste Pfeiler der Finanzierung des kanadischen Konzerns, dessen Flugzeug-Sparte angeschlagen ist.

Alstom ist dagegen nur im Zug-Geschäft aktiv. Bei einer Zusammenlegung könnte Siemens damit dem Modell folgen, das die Münchener bei ihrer Windkraft-Sparte erprobt hatten. Diese war im spanischen Rivalen Gamesa aufgegangen, der weiterhin börsennotiert ist, aber mehrheitlich Siemens gehört. Die Wettbewerbshürden seien in beiden Fällen - mit Alstom und Bombardier - etwa gleich hoch.

Der zentrale Termin am 17. Oktober

Ein wichtiger Termin, der bei den Verhandlungen eine Rolle spielt, ist der 17. Oktober. Bis dahin muss die französische Regierung entscheiden, ob sie einen 20-Prozent-Anteil an Alstom von dessen Großaktionär Bouygues erwirbt.

Wenn nicht, hat Bouygues das Recht, seine komplette Alstom-Beteiligung von 28,3 Prozent zu verkaufen. Dass es zu einer Verbindung von Alstom und Bombardier kommen könnte, bei der Siemens außen vor bliebe, sei sehr unwahrscheinlich, sagte der Insider.

Kündigungen werden wohl kommen - pünktlich nach der Wahl in Deutschland

Für die Konsolidierung im Zuggeschäft brauchen Siemens und sein möglicher Partner die Unterstützung der deutschen Politik und von den Arbeitnehmervertretern. Denn in jedem Fall drohen dabei Stellenstreichungen. Alstom beschäftigt in Deutschland 3.000 Menschen, Bombardier sogar 8.500.

Der Siemens-Zugsparte geht es deutlich besser als der Konkurrenz bei Bombardier. Die Kanadier hatten im Juni eine Neuordnung ihrer deutschen Standorte - die im Osten konzentriert sind - beschlossen. Im Zuge dessen sollen bis 2020 bis zu 2.200 Arbeitsplätze wegfallen: Bombardier bestätigt tausende Kündigungen in Deutschland >>

(red/reuters/apa)

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