Interview : Sonja und Norbert Zimmermann: „Da war Stille am anderen Ende der Leitung“

Berndorf
© Thomas Topf

Frau Zimmermann, Sie werden Mitte 2020 den Aufsichtsratsvorsitz in der Berndorf AG übernehmen. War es für Sie immer klar, Ihrem Vater in der Unternehmerrolle nachzufolgen?

Sonja Zimmermann: Das war gar nicht klar. Wir haben das auch lange nicht thematisiert. Aber Berndorf ist irgendwie zum Familienmitglied geworden. Ich habe täglich die Energie und Begeisterung miterlebt, die mein Vater aus dem Unternehmen zieht. Ich bin auch immer gerne auf Geschäftsreise mitgefahren. Gleichzeitig war mir aber wichtig, dass ich meinen eigenen Weg gehe, auch außerhalb des Familienunternehmens. Das hat mir auch sehr gutgetan.

Wann haben Sie für sich Ihre Rolle gefunden?

Es hat vor fünfzehn Jahren ein spezielles Gespräch gegeben, wo mein Vater gefragt hat: "Interessiert dich diese Aufgabe überhaupt?" Ich habe bereits auf diese Frage gewartet, weil die Zeit reif war. Als meine Mutter zuvor ihr Juweliergeschäft aufgegeben hat, hat sie mich genauso gefragt, ob ich es übernehmen will. Ich weiß gar nicht, ob Vater davon weiß. Für mich war aber entschieden, dass Einzelhandel und Juwelen nicht meine Welt sind.

Herr Zimmermann, leben Sie den typischen Vater-Traum, dass die Kinder in die beruflichen Fußstapfen der Eltern treten?

Norbert Zimmermann: Ich habe nie dynastisch gedacht. Ich durfte mein Leben leben und Sonja lebt ihres. Ich wäre nicht enttäuscht gewesen, wenn sie ganz was anderes hätte machen wollen. Aber natürlich freut es mich, dass sich die Dinge so entwickelt haben.

Was hat sich für Sie seit der offiziellen Verkündung der Nachfolge geändert, Frau Zimmermann?

Sonja Zimmermann: Mehr als ich zuvor vermutet habe. Ich denke, ich darf das jetzt erzählen: Es gab 2015 oder 2016 zum ersten Mal Gespräche darüber, ob und wann ich den Aufsichtsratsvorsitz übernehme. Und Vater hätte damals gerne die Übergabe schneller umgesetzt. Allerdings wollte er als einfaches Mitglied im Aufsichtsrat präsent bleiben. Für mich war aber klar, dass das nicht in Frage kommt.

Warum?

Sonja Zimmermann: Mein Vater ist eine starke Persönlichkeit. Im Aufsichtsrat hätten alle zu ihm geschaut, wenn es eine Entscheidung zu treffen gegeben hätte. (zu Ihrem Vater gewandt) De facto hättest du den Vorsitz als einfaches Mitglied weitergeführt. Da hätte ich keine Luft bekommen.

Wie hat Ihr Vater reagiert?

Sonja Zimmermann: Da war Stille am anderen Ende der Leitung. Und er war hörbar enttäuscht: „Ja, aber dann weiß ich ja gar nicht mehr, was im Unternehmen vorgeht“, hat er gemeint. (Norbert Zimmermann schmunzelt). Da habe ich gesagt: "Du, dann lassen wir es jetzt so, wie es ist.“ Ob ich die Position in zwei Jahren oder in fünf Jahren übernehme, war nicht so wesentlich.

Wie ging es Ihnen mit dieser Ansage, Herr Zimmermann?

Norbert Zimmermann: Das hat ein Umdenken bei mir bewirkt. Ich bin draufgekommen, dass ich unbewusst von einer Rolle des Begleiters und Beschützers ausgegangen bin. Und dass dies in diesen Zusammenhängen unpassend war.

Stehen Sie vor einem Pensionsschock?

Norbert Zimmermann: Das sicher nicht. Aber damals habe ich einfach noch Zeit gebraucht. Vor ein oder zwei Jahren war ich mental noch nicht so weit, um Berndorf ganz loslassen zu können. Dafür habe ich 70 Jahre alt werden müssen. Jetzt passt es.

Die Nachfolge bei Berndorf ist die Nachfolge geregelt. Bei Schoeller-Bleckmann scheint das anders auszusehen…

Norbert Zimmermann: Schoeller-Bleckmann ist meine Zukunft (lacht). So lautet unsere Vereinbarung. Ich konzentriere meine Energie voll auf dieses sehr interessante und sehr komplexe Unternehmen. Es ist zudem börsenotiert. Das reizt mich. Sonja ist mein Back-up, denn sie ist bereits im Aufsichtsrat vertreten. Solange ich aber noch geschäftsfähig bin, bleibe ich noch paar Jahre an der Spitze des Schoeller-Bleckmann-Aufsichtsrates. So, wie die Nachfolge bei Berndorf gekommen ist, wird auch die Nachfolge bei Schoeller-Bleckmann kommen. Aber alles zu seiner Zeit.

Frau Zimmermann, was wird sich bei Berndorf ändern, wenn Sie den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen?

Sonja Zimmermann: Was die Kultur und unsere Werte betrifft, wird es Kontinuität geben. Der neue Vorstand ist ja auch schon da. Franz Viehböck und Dietmar Müller mischen stark mit. Franz Viehböck wird dann eben den Hut des Vorstandsvorsitzenden tragen.

Wird es einen dritten Vorstand geben?

Sonja Zimmermann: Das ist momentan nicht geplant. Wir machen im Zweierteam weiter. Im Aufsichtsrat wird es aber zu Änderungen kommen. Wenn Vater ausscheidet, wird auch mein Onkel ausscheiden. Wir haben meinen Onkel Wilfried seit Jahren bitten müssen, dass er noch bleibt. Es werden zwei Externe dazu kommen, die uns gut kennen. Auch der langjährige CEO Peter Pichler wird dann aus dem Vorstand in den Aufsichtsrat einziehen. Thomas Riecker, unser Mitgesellschafter seit dem MBO, bleibt bis zur Hauptversammlung 2021.

Es hat in den vergangenen Jahren immer wieder Investments von Berndorf in technische Start ups gegeben. Wird diese Strategie beibehalten?

Sonja Zimmermann: Wir haben in den vergangenen Jahren etliche große und kleine Akquisitionen getätigt und intern sehr, sehr viel investiert. Für mich ist jetzt einmal die Integration und Stabilisierung vorrangig. Ich bin da noch ein bisschen konservativer als mein Vater. Bevor man große Sprünge machen kann, möchte ich die Eigenkapitalquote stärken und das Gearing (Verschuldungsgrad; Anm d. Redaktion) noch weiter runterbringen. Ich hoffe, dass wir bis 2020 bei der Bilanzstabilisierung ein ganzes Stück weiter gekommen sind. Dann haben wir auch wieder mehr Luft für Wachstum und Akquisitionen.

Es gibt in Berndorf ein spezielles Büro für den oder die Vorsitzende des Aufsichtsrates. Werden Sie es nutzen?

Sonja Zimmermann: Hin und wieder. Mein Hauptstandort wird aber Wien bleiben. Da wird sich wenig ändern. Ich bin häufig in Berndorf und werde das auch in Zukunft sein. Aber dort ist nur der Hauptsitz für Band und Bäderbau. Wir haben in der AG aber noch ganz viele andere Bereiche und Standorte. Auch dort werden Sie mich finden.

Apropos finden: Frau Zimmermann, Sie sind Aufsichtsrätin in der B&C-Holding, der Bank für Tirol und Vorarlberg AG, bei Berndorf und zuletzt Schoeller-Bleckmann. Sind Sie eigentlich eine Quotenkönigin?

Sonja Zimmermann: Quotenkönigin? (Lacht). Die Anzahl der Funktionen hat sicher etwas damit zu tun, dass es vor allem im Industriebereich nicht so viele Expertinnen gibt, wie es der Fall sein sollte. Das neue Gleichstellungsgesetz für Frauen in Aufsichtsräten hat sicher das seine getan, auch wenn die Unternehmen meistens so fein sind, das nicht anzusprechen. Aber alle Beteiligten wissen, dass es so ist.

Wie stehen Sie zu der Quotenregelung im Gleichstellungsgesetz?

Sonja Zimmermann: Ich bin keine Freundin von Quoten und Zwangsregelungen. Aber das Gesetz ist ein Anstoß und für eine Übergangsfrist notwendig. Ich weiß nicht, ob die Unternehmen ähnliche Aktivitäten ohne legislativen Druck gesetzt hätten. Da schadet ein Schubs nicht.

Herr Zimmermann, Sie haben Ihre Unternehmensanteile überwiegend in Stiftungen eingebracht. Wie organisieren Sie jetzt den geordneten Vermögensübergang?

Norbert Zimmermann: Berndorf ist ja kein typisches Familienunternehmen. Wir sind ein Partnerunternehmen. Die Eigentümerstruktur ist im Zuge des MBOs damals sehr vielschichtig geworden. Die Banken, die uns damals bei drei Prozent Eigenkapital finanziert haben, wollten einen Hauptaktionär sehen, der die Mehrheit darstellen muss. Die Verteilung der Aktien ist entstanden, indem jeder in einem verschlossenen Kuvert seine Einlage abgegeben hat. Und ich hatte für die Mehrheit die Einlagen zu verdoppeln. Und so sind die Eigentumsverhältnisse entstanden. Ich habe damals dringend meinen Bruder gebraucht, um meinen Anteil zu stemmen. So ist mein Bruder Wilfried Aktionär und Aufsichtsrat geworden.

Wie kontrollieren Sie die Stimmrechte unter all ihren Partnern?

Norbert Zimmermann: Neben zwei Familienstiftungen gibt es eine Managementgesellschaft, der vertraglich alle Stimmrechte übertragen wurden. So gibt es in der Berndorf AG eine klare Mehrheit und einheitliche Richtung, das ist für das Unternehmen sehr wichtig. Diese Managementgesellschaft mit 51 Prozent aller Stimmrechte gehört mir und wird nach mir vererbt werden.

Gilt dies auch für die Stimmen Ihres Bruders und seines Familienzweiges?

Norbert Zimmermann: Mein Bruder stimmt immer mit uns. Dies ist so festgelegt. Die Syndizierung gilt allerdings nur solange, als die operativen Gesellschaften profitabel sind. Wenn die über fünf Jahre nicht ausreichend ausschüttbare Gewinne erzielen, lebt das Stimmrecht auf. Ein Aristokrat hat mir mal gesagt: ‚Ich bin nur der Treuhänder meiner Enkelkinder.“ In meinem Fall kommt da noch die Familie meines Bruders dazu. Aber Dieser Ansatz gefällt mir gut.

Kommt in dieser Konstruktion das Alemannische in Ihrem Vater durch, Frau Zimmermann?

Sonja Zimmermann: Das kann man so sehen. Aber ich empfinde das vor allem als eine sehr schöne Strategie, die die Nachhaltigkeit und Wertschätzung unterstreicht, mit der wir Berndorf führen. Das ist eine Philosophie, die ich weitertragen kann.