Textilindustrie : So will Lenzing sein Kreislaufmodell stärken

Täglich zweigen 60 bis 70 mit Buchenbaumstämmen beladene Waggons in Vöcklabruck von der Westbahn nach Süden Richtung Lenzing ab. Dort wird aus Holz zunächst Zellstoff, danach die Fasern Viskose, Modal und Lyocell, die zu 70 Prozent in Textilien verwendet werden: in Bettwäsche und Handtüchern ebenso wie in Jeans, Oberbekleidung, Unterwäsche, Sportbekleidung und Schuhen.

Der über 6800 Mitarbeiter zählende oberösterreichische Weltkonzern will in Zukunft mehr Spezialfasern produzieren, weil er daran besser verdient als an Viskosefasern. Derzeit macht Lenzing 45,5 Prozent des Umsatzes mit Spezialfasern, 2020 soll dieser Anteil bei 50 Prozent liegen. Eine Strategie des Unternehmens ist, mit Spezialfasern wie die der Marke Tencel auch beim Endkunden sichtbarer zu sein. Denn über Nachhaltigkeit und CO2-Footprint diskutieren längst nicht mehr allein Wissenschaftler und Ökoaktivisten. Der Erfolg am Markt hängt immer mehr vom sich verändernden Verhalten kritischer gewordener Konsumenten ab. So befinden sich beispielsweise Tencel-Fasern in Produkten von Levis, Löffler oder Esprit und bei der Supermarktkette Billa gibt es Mehrwegnetze für Obst und Gemüse aus Lenzing-Modalfasern.

„Gold-Status“

Wo und unter welchen Bedingungen der Rohstoff Holz wächst, in welchem Ausmaß die daraus gewonnenen Fasern ökologisch nachhaltig produziert werden, darüber gibt es Vergleichsstudien mit anderen Basisstoffen wie Wolle, Baumwolle oder Seide. Die Spezialfasern schneiden dabei besser ab und 2016 erfolgte erstmals eine Bewertung von Lenzing und seinen Lieferanten durch EcoVadis, einer anerkannten Nachhaltigkeits-Bewertungsplattform für globale Beschaffungsketten. Lenzing erreichte in den meisten Bewertungskategorien Top-Bewertungen und den „Gold-Status“ für die gesamte Gruppe.

Holz ist viel zu schade, um nur Zellstoff für Fasern daraus zu gewinnen und den Rest zu verbrennen. Lenzing nutzt es in seinen Bioraffinerien im tschechischen Paskov und in Lenzing selbst zu 100 Prozent: Erst wenn neben der Zellstoffproduktion alle weiteren biobasierten Materialien wie Essigsäure, Xylose oder Furfural aus dem Holz gewonnen wurden, wird der Rest zum Betrieb von Produktionsanlagen genutzt, die dadurch nahezu energieautark sind.

Investitionen

Dieser Zug zum nachhaltigen Wirtschaften schlägt sich unter anderem auch darin nieder, dass die Lenzing-Aktie fixer Bestand im Portfolio zahlreicher international ausgerichteter Nachhaltigkeitsfonds ist. Die Aktionäre durften sich Ende April übrigens über eine Dividende von 3 Euro plus 2 Euro Sonderausschüttung freuen. Das vergangene Geschäftsjahr verlief nämlich trotz schwieriger Umstände aufgrund niedriger Preise für Standardviskose, ungünstiger Währungsrelationen und gestiegener Preise für Schlüsselrohstoffe und Energie gut: 2,18 Mrd. Euro Umsatz und 382 Mio. Euro Betriebsergebnis vor Abschreibungen bescherten dem Konzern den viertbesten Wert seiner Unternehmensgeschichte. Bis zum Jahr 2022 will Lenzing rund 100 Millionen Euro in nachhaltige Fertigungstechnologien und Produktionsanlagen investieren, um das Kreislaufmodell weiter zu stärken. Vorstandschef Stefan Doboczky: „Anfang des zweiten Halbjahres wird über den Bau eines Lyocellwerkes in Thailand entschieden, zudem soll Ende des zweiten Halbjahres die Entscheidung über den Bau eines Faserzellstoffwerkes in Brasilien fallen.“