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Lehre : So will die Industrie den Fachkräftemangel eindämmen

Jeder zweite 15-Jährige in Österreich soll eine Lehre beginnen, das ist das erklärte Ziel einer neuen Initiative mehrerer Unternehmen: Mit „zukunft.lehre.österreich“ (z.l.ö) will die Wirtschaft den Trend zu sinkenden Lehrlingszahlen stoppen. Initiator und "Erst-Ideen-Lieferant" war Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich, der auch als Präsident fungiert, KTM hat die Initiative schließlich gegründet. Mit dabei sind neben KTM und Energie AG Oberösterreich auch Unternehmen wie Kapsch, Schoeller Bleckmann, Wacker Neuson, Becom, Viessmann und viele mehr.

In den 1980er-Jahren lag der Anteil der 15-Jährigen, die eine Lehre begannen, noch bei über 45 Prozent. Derzeit hadere man mit 40 Prozent, sagte Steinecker in einer Pressekonferenz in Wien. Laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer entschieden sich 2017 österreichweit 39,3 Prozent für eine Lehre, 2016 waren es 38,2 und 2015 37,8 Prozent. Heuer ist der Abwärtstrend Steinecker zufolge auch in absoluten Zahlen gestoppt worden. Die Zahl der Lehrlinge stieg von 106.000 auf 108.000.

"Schäden in Milliardenhöhe"

Die Initiative will Mitte 2019 einen Lehrabsolventenverband sowie eine Lehrlingsplattform mit Events, einem Bonusprogramm, Weiterbildungsangeboten und zur Vernetzung starten. Daneben soll in Schulen, bei Eltern und Lehrern, für die Lehre geworben werden. Auf politischer Ebene will man sich für eine flexiblere Gesetzgebung zur dualen Ausbildung einsetzen.

Aus Sicht der Wirtschaft sind die Lehrlinge von heute die Fachkräfte von morgen. Laut Steinecker drohen 2030 bis zu 500.000 Fachkräfte zu fehlen, für die Wirtschaft Österreichs wäre das ein Schaden in Milliardenhöhe. Nach Bundesländern zeigt sich, dass die Lehre in Vorarlberg und Tirol deutlich beliebter ist als im Osten Österreichs.

KTM hat kein Problem, Lehrlinge zu finden

Den Elektro-Schuster in Pöchlarn, ebenfalls Mitglied der Initiative, gibt es seit über 70 Jahren. Seither hat der Betrieb rund 300 Lehrlinge ausgebildet. "Heuer ist es das erste Mal, dass wir keinen Lehrling erhalten haben", erzählte Renate Scheichelbauer-Schuster, in der Wirtschaftskammer Bundesobfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk und Chefin des Elektrobetriebs. Insgesamt würden etwa die Hälfte aller Lehrlinge österreichweit im Gewerbe und Handwerk ausgebildet - das seien genauso viel wie in der Industrie, im Handel und dem Tourismus zusammen, so Scheichelbauer-Schuster. Anderen kleineren Betrieben gehe es dabei ähnlich, große Industriefirmen würden sich leichter tun. Die Lehrlingssuche sei höchst unterschiedlich.

"Die Not, keine Lehrlinge zu finden, haben wir nicht", schilderte der für das Personal zuständige KTM-Finanzvorstand, Viktor Sigl. Der oberösterreichische Motorradhersteller hatte heuer für 40 Lehrstellen über 270 Bewerber. KTM investiere dabei etwa 3,3 Millionen Euro jährlich in die Lehrlingsausbildung. Der Hintergrund sei wohl, erklärt Sigl, dass das akademische und schulische Angebot in Mattighofen, wo KTM seinen Sitz habe, nicht so stark sei. „Doch wir haben viele große, namhafte Unternehmen in der Gegend, die im gleichen Becken fischen wie wir“, erklärt Sigl. Das sei auch einer der Gründe, warum KTM bei der Initiative dabei ist.

Motorrad und Einstellungsgarantie

Den Fachkräftemangel spürt KTM aber trotzdem. Vor zwei Jahren gab es Probleme in der Produktion, weil KTM zu wenige Schweißer hatte und es auch keine am Arbeitsmarkt gab. Kurzerhand verpflichtete KTM seine Lehrlinge, zusätzlich eine Schweißausbildung zu machen - „dadurch hatten wir keine Produktionsausfälle“, so Sigl.

Lehrlinge bei KTM, die ihre Lehre mit gutem oder ausgezeichnetem Erfolg abschließen, bekommen von KTM ein Motorrad geschenkt - „eine Duke 125 oder eine Enduro EXC“ und eine Einstellungsgarantie: „diese Möglichkeit haben Akademiker nicht“, erklärt Sigl. Von den etwa 35 bis 40 Lehrlingen, die jährlich ihren Abschluss feiern, könnten laut Sigl etwa zwei Drittel einen solchen Erfolg nachweisen. So binde KTM seine Mitarbeiter auch an den Betrieb - 70 Prozent der Lehrlinge arbeiten immer noch bei KTM, so Sigl.

Image der Lehre

Eine Umfrage des Market Instituts für z.l.ö. unter 1.000 Österreichern hat ergeben, dass 82 Prozent der Meinung sind, dass es derzeit zu wenige Menschen gibt, die eine Lehre machen wollen. Lehrlinge selbst halten die Lehre für sehr attraktiv, in der Bevölkerung ist es um das Image der Lehre laut Market-Chef Werner Beutelmeyer aber schlecht bestellt. Berufseinstieg und Karrierechancen werden bei Matura oder Studium demnach deutlich besser eingeschätzt. Dabei gelte eine Ausbildung etwa bei Elektro Schuster auf Level 6 - das entspreche dem Meister - einer Ausbildung mit Bachelor-Abschluss, erklärte Scheichelbauer-Schuster.

Auch die Entlohnung sei ein Faktor, der für die Lehre spreche: Ein Facharbeiter verdiene ähnlich viel wie ein Akademiker beim Berufseinstieg, mit dem Unterschied, dass ersterer schon seit er 15 ist, Geld verdient. Laut den Angaben der Initiative ergibt sich daraus ein höheres Lebenseinkommen.

Wirtschaft sei auch selbst schuld

Das Problem des Fachkräftemangels ist zum Teil aber auch von der Wirtschaft selbst verschuldet. Die Zahl der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, ist seit Jahren rückläufig und lag Ende 2017 bei nur noch rund 29.000. Die Gewerkschaftsjugend kritisiert seit längerem, dass niemand darüber spreche, dass in den letzten zehn Jahren rund 10.000 Ausbildungsbetriebe verloren gegangen sind. Steinecker heute dazu: "Das liegt auch daran, dass viele Betriebe resignieren, weil sie keine Lehrlinge bekommen."

Im Fall der offenen Lehrstelle für Elektroinstallationstechnik bei Elektro-Schuster in Pöchlarn gibt es übrigens vielleicht doch noch ein Happy End. Erst kürzlich habe sie eine junge Frau kennengelernt, die sich für den Beruf des Elektrikers interessiert und nun zum Schnuppern eingeladen ist, sagte Renate Scheichelbauer-Schuster. Es wäre in der 70-jährigen Firmengeschichte die erste Elektrikerin, die Elektro-Schuster ausbildet.

Asylwerber in Lehre

Das Market-Institut hat im Rahmen der Initiative auch erhoben, wie die Gesellschaft zum Thema Asylwerber in Lehre steht. Demnach ist eine Mehrheit von 56 Prozent dafür, dass Asylwerber, die eine Lehre machen, ein Bleiberecht in Österreich erhalten. Frauen und 16- bis 29-Jährige sind mit 62 Prozent aufgeschlossener als Männer und 30- bis 49-Jährige, wo nur jeder zweite für ein Aufenthaltsrecht ist.

Kürzlich hat sich das erste Industrieunternehmen zum Thema zu Wort gemeldet: Der oberösterreichische Gehäusetechniker Schinko beschäftigt vier geflüchtete Lehrlinge – nun soll einer abgeschoben werden. Das hat INDUSTRIEMAGAZIN zum Anlass genommen, ob das überhaupt Thema in der Industrie ist, Asylwerber als Lehrlinge zu beschäftigen, und ob sie die Antwort auf den Fachkräftemangel sein könnten. (red/apa)