Eventmarketing : So geht Eventmanagement 4.0

Industriekongress 2015
© Matthias Heschl

Erinnern Sie sich noch an das erste Mal? An die Faszination, die etwa von einer Twitterwall ausging? Plötzlich war es möglich, parallel zu einem Vortrag live und öffentlich zu kommunizieren und damit direkt in den Verlauf einzugreifen. So fühlte sie sich an, die Zukunft des Kongresses. ie Twitterwall ist längst ein etabliertes Tool, das auch nicht mehr inflationär eingesetzt wird. Der Fokus der Begeisterung ist zu anderen Gadgets wie etwa den VR-Brillen weitergewandert, die noch vor Kurzem als Spinnerei von Konsolenspielern galten. Und der Fokus wandert immer schneller. Neue Technologien werden in erstaunlichem Tempo zu selbstverständlichen Komponenten von Tagungen und Kongressen.

Wohin diese Entwicklung möglicherweise führt, wie ein Event des Jahres 2030 aussehen könnte – damit beschäftigt sich intensiv das German Convention Bureau (GCB), das 2013 die Studie „Tagung und Kongress der Zukunft“ erstellte, die durch jährliche „Meeting- & Eventbarometer“ aktualisiert und ergänzt wird. Die GCB-Experten denken darin Megatrends aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich für ihre eigene Branche weiter. Und kommen zu Ergebnissen, die sich in der Praxis tatsächlich immer häufiger zeigen.

Technologie macht die Szene bunter

Neue Kombinationen, neue Formate: Allein die technologischen Möglichkeiten, Kongresse und Tagungen zu gestalten, werden deutlich vielfältiger. Die Verbindung von Cloud-Computing, Gebäudetechnik und dem Internet of Things wird Events radikal verändern – ohne dabei herkömmliche Formate obsolet zu machen. Die Befragung der Event-Experten zeigt allerdings auch eines sehr klar: Technologie wird sich nur als Ergänzung zum sozialen Geschehen durchsetzen; das fragile Verhältnis von „high tech“ und „high touch“, das John Naisbitt in „Megatrends“ beschreibt, wird weiterhin entscheidend sein. Eine Präsentation mit holografischer Unterstützung? Großartig – nur wird die Qualität der Präsentation auch in Zukunft mit den sozialen und rhetorischen Fähigkeiten des Vortragenden stehen und fallen.

Virtualität wird authentischer

Telefon- und Videokonferenzen sind meist anstrengend, da die simulierte Nähe nicht so recht spürbar wird. Neue Technologien werden virtuelle Referenten wesentlich unmittelbarer erlebbar machen. Letztlich sind sogar Tagungen denkbar, die buchstäblich über die ganze Welt verstreut stattfinden und sich dennoch halbwegs „echt“ anfühlen. Systeme, die verschiedene Orte und virtuelle Räume miteinander vernetzen, werden laut den GCB- Experten dementsprechend stark an Bedeutung gewinnen.

Teilnehmer greifen in den Ablauf ein

Schon heute gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, das Feedback von Event-Teilnehmern zu erfassen und in den Ablauf des Kongresses zurückzuspielen. Und das ist erst der Anfang: Interaktivität, meinen die Studienautoren, könnte sogar zu einem der zentralen Erfolgsfaktoren von Tagungen und Kongressen werden. Der gute alte Frontalvortrag wird seltener werden – stattdessen: Teilnehmer, die über mobile Devices in die Interaktion, den Ablauf und sogar die Steuerung von Kongressen und Tagungen eingreifen. Und damit wohl auch deutlich selbstbewusster auftreten werden.

Schnittstellen werden menschengerechter

Echte Interaktivität entsteht jedoch nur, wenn sie intuitiv erfolgt, und genau das zeichnet sich ab: Während Touchscreens längst die Texteingabe ersetzt haben, geht die Entwicklung nun in Richtung Sprach- und Gestensteuerung, die in den kommenden Jahren auch vermehrt unscharfe Eingaben verstehen wird. Die zunehmende Virtualisierung des Tagungs- und Kongressgeschehens wird allerdings auch ein Problem aufwerfen: Sicherheits- und Datenschutzaspekte werden in den Fokus der Veranstalter geraten.

Eventmanagement wird auch anstrengender

Für die Organisatoren bedeuten diese Prognosen: Sie werden immer mehr technologische Grundkompetenz brauchen, um die zahlreichen Möglichkeiten auch sinnvoll einzusetzen. Das gilt übrigens auch für sprachliche und interkulturelle Fähigkeiten.

Wettstreit der Eventlocations

Für die Veranstaltungsorte dürfte die Konkurrenz härter werden. Teilnehmer und Veranstalter erwarten zunehmend höhere technische Standards, Zertifizierungen, ein gutes Ranking. Der Energieverbrauch wird immer mehr zum Thema, ebenso die Barrierefreiheit. Weiter steigen dürfte auch die Sensibilität der Teilnehmer gegenüber der Atmosphäre der Location: Wer etwa kein Tageslicht bieten kann oder keine natürliche Belüftung, wird sehr bald ein Problem bekommen.

„Grün“ wird zum zentralen Kriterium

Die Biotonne und der Obstkorb reichen längst nicht mehr. Das Thema Nachhaltigkeit hat sich in der Gesellschaft so weit durchgesetzt, dass es auch für Tagungen und Kongresse hochrelevant wurde. Laut den Experten vom German Convention Bureau dürfte dies sogar zu einem entscheidenden Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit von Veranstaltungszentren – und auch Destinationen – werden: Gibt es eine entsprechende Zertifizierung? Welche energetische Bilanz hat die Veranstaltung? Wie gut ist die öffentliche Verkehrsanbindung? Letztlich könnte es sogar in Richtung temporärer Nutzung von Gebäuden gehen, die möglichst einfach rückgebaut werden können.