Industrieproduktion : Seitwärtsbewegung bei der chemischen Industrie in Österreich

Die chemische Industrie hat 2016 das fünfte Jahr in Folge keinen Aufschwung erlebt. Der Branchenumsatz ging leicht um 0,6 Prozent auf 14,8 Mrd. Euro zurück, auch die Ausfuhren waren in dieser exportintensiven Branche um rund 1 Prozent rückläufig.

In die EU brachen die Exporte um 7 Prozent ein, negative Ausreißer waren der Hauptabsatzmarkt Deutschland, Frankreich, Polen, Tschechien und Ungarn.

Zweitgrößter Industriezweig in Österreich

Nach der Maschinen- und Metallindustrie ist die chemische Industrie der zweitgrößte Industriezweig in Österreich. Zu den größten Firmen der Branche gehören etwa Sandoz, Shire, Lenzing, Borealis und Boehringer Ingelheim.

Vor allem bei den Chemikalien gingen die Umsätze gegenüber 2015 deutlich zurück, aber auch Kunststoffe und Pharmazeutika waren weniger gefragt. "Vergangenes Jahr war ein richtig zaches Jahr", räumte Hubert Culik, Obmann des Fachverbandes der chemischen Industrie, vor wenigen Tagen bei einem Hintergrundgespräch ein. Die Wahlen, nicht zuletzt der Ausgang der US-Wahl, sowie die Entscheidung der Briten, aus der EU auszutreten, sorgten für Unsicherheiten.

Zuwächse bei Fasern und Lacken

Doch es gebe auch Positives zu vermelden. Umsatzzuwächse verzeichnete die Branche bei Chemiefasern und Lacken. Der Handel mit der Schweiz, Italien sowie Großbritannien sei gut gelaufen.

Die Zahl der Beschäftigten stieg 2016 um 1,4 Prozent auf rund 44.000, obwohl die Zahl der Betriebe rückläufig war (-1,7 Prozent auf 245). Die Investitionen erhöhten sich von etwa 400 Mio. Euro im Jahr 2015 auf knapp 600 Mio. Euro im Vorjahr.

Das erste Quartal 2017 sei vielversprechend gelaufen, so Culik. "Die Unternehmen sind wieder optimistischer, die konjunkturelle Talsohle scheint durchschritten."

Digitalisierung als einer der wichtigsten Trends

Als eines der wichtigsten Zukunftsthemen sieht der Branchenvertreter die Digitalisierung (Stichwort Industrie 4.0). "Wer sich dieser Entwicklung nicht stellt, bleibt hintenan", sagte Culik.

Eine Umfrage unter den 50 größten Firmen des Fachverbandes habe ergeben, dass die Mehrheit der Betriebe das Thema Digitalisierung bzw. Industrie 4.0 als Teil der Unternehmensstrategie ansieht und bereits konkrete Projekte implementiert hat. Als größte Chancen werden von den Firmen neben der Steigerung der Produktivität auch die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit gesehen. Daten bzw. IT-Sicherheit wurden als größtes Risiko angegeben.

Handlungsbedarf sieht der Fachverband bei den rechtlichen Fragenstellungen, die sich für die Unternehmen bei der Vernetzung von Daten ergeben, etwa im Bereich des Datenschutzes oder der Haftung.

Industrie 4.0: "Chance, nicht Bedrohung"

Befürchtungen anderer Experten, dass die Digitalisierung auch mit großen Jobverlusten einhergeht, teilt Culik nicht. "In einer innovativen Branche wie unserer ist es eine Chance", meinte Fachverbands-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger.

Die chemische Branche hat daher den Lehrberuf "Chemieverfahrenstechniker" modernisiert und um den Bereich Industrie 4.0 erweitert. Ab Herbst 2018 sollen die ersten Lehrlinge in diesem neuen Zweig starten können. Derzeit bildet die chemische Industrie mehr als 1.500 Lehrlinge aus. (apa/red)