Autotest : Schöne Länge

Hernstein Eva-maria Ayberk
© Thomas Topf

So hehr das Versprechen mit der Freude am Fahren auch ist, so schwer fällt manchmal, es auch einzulösen. "Es ist halt schon ein bisschen schade, dass man hier auf der Höhenstraße nur mehr 50 fahren darf. Das war früher einmal die ideale Strecke, um ein Auto auszuprobieren", seufzt EvaMaria Ayberk. Ignorieren lässt sich die gesetzliche Freudenbremse ausgerechnet im Sportcoupé schwer: Mit der Zuverlässigkeit eines Schweizer Kantonalspolizisten projiziert das Headup-Display ein kleines, mahnendes Verkehrsschild in die Windschutzscheibe. Dort sind neben der aktuellen Verbotslage auch die eigene Geschwindigkeit und die Anweisungen des Navigationssystems abzulesen. Wer in die Tiefen des aufgeräumten Bord-Entertainment-Systems eintaucht, kann diese Funktionen bestimmt phantasievoll umkonfigurieren. Bei unserer Ausfahrt mit der Chefin des Hernstein Institute für Management und Leadership begnügen wir uns damit, vom Fahrassistenz-Paket ein bisschen angetan zu sein. Es sorgt nämlich dafür, dass das Lenkrad wie ein Playstation-Controller vibriert, sobald man über die Seitenlinie fährt. Außerdem bringt es eine neue Perspektive in jeden Einparkvorgang: "Surround View" nennt sich die Sicht von oben auf das Auto, die aus den Bildern der Kameras seitlich und hinten errechnet wird.

Generation 3er-Golf

Die Beschreibung von Rückspiegel, Tacho und Autoradio bei einem 120.000-Euro-Sportwagen hätte wohl vor 20 Jahren unweigerlich zum Jobverlust des Autotesters gehört. Heute stehen derartige Dinge schon beim Hersteller selbst auf der Highlight-Liste. Und sie sorgen dafür, dass sich auch ein 300-PS-Bolide im Alltag wie ein pragmatisierter Dienstwagen anfühlt. Es sei denn, man weckt ihn auf – was Frau Ayberk zuweilen gerne tut. Als Managerin fährt sie selbst einen BMW X3 und entstammt der Generation 3er-Golf, für die nach dem Schulabschluss mit dem motorisierten Individualverkehr ein neuer Lebensabschnitt begann. Ayberk studierte auf der Wirtschaftsuniversität und absolvierte Finanzierung und Finanzmärkte als Spezielle BWL. Dass ihr Herz nicht für Futures und Optionen schlägt, stellte sie bei einem Studentenjob in einer Marketingagentur fest. "Ich habe damals gemerkt, dass es viel spannender ist, Kundenbeziehungen aufzubauen und mit Menschen zu arbeiten, als in der stillen Kammer Derivative zu konzipieren", sagt sie heute. Was folgte, war eine gelungene Karriere bis zur strategischen Personalentwicklerin beim Verbund.

Seit zwei zwei Jahren leitet die gebürtige Salzburgerin nun das Hernstein Institut für Management und Leadership. Das Institut ist ein selbstständiger Geschäftszweig der Wirtschaftskammer Wien, der sich mit Trainings, Coachings und Entwicklungsprogrammen ausschließlich um Führungskräfte kümmert. Mittlerweile macht Ayberk fast die Hälfte des Umsatzes in Deutschland. Dort gehören Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder große Autohersteller zu ihren Kunden. "Das Schöne ist, man braucht sich als Dienstleister gar nicht zu internationalisieren, man muss nur mit seinen Kunden mitgehen“, meint sie zurückhaltend. Tatsächlich brauchten wir doch einige Anläufe, bis wir die rührige Netzwerkerin zwischen Tirol, Deutschland und den USA zur Ausfahrt trafen.

In ihrem Geschäft hat Ayberk freie Hand – zumal sie wohl von Beginn an gute Zahlen geliefert hat. Einfacher wird die Umsetzung des Hernstein-Prinzips in Umsatz nicht. "Ein guter Name alleine reicht nicht mehr", erklärt sie. "Auch bei Trainings betreiben Unternehmen immer mehr Erfolgsmessung und wollen den Wert einer Maßnahme möglichst genau wissen." Im Umkehrschluss tut wirkungsvolle Führungskräfteentwicklung öfters auch mal weh: "Bequem ist es selten bei uns. Die Trainings bekommen immer mehr Laborcharakter, vieles wird hinterfragt und in Frage gestellt. Wer sich nur berieseln lassen möchte, ist bei uns falsch", betont sie streng.

Unspürbarer Diesel

Bald stellen wir fest, dass auch der 6er-BMW etwas mehr Aufmerksamkeit fordert. Angetrieben wird das sportliche Coupé von einem Reihensechszylinder-Diesel mit 313 PS und unglaublichen 630 Newtonmetern Drehmoment. Nachdem selbst Maserati schon Geländewagen baut, ist auch ein Sportwagen mit Selbstzünder kein Widerspruch mehr. "Den Diesel spürt man überhaupt nicht", urteilt Ayberk erfreut und fügt hinzu, „genauso wenig wie die Automatik." Das 8-Gang-Steptronic-Getriebe hat mit den Altherrenschlupfwandlern von einst nichts mehr zu tun. Das Schaltwerk von ZF ist schnell, komfortabel und hat kaum mehr Schlupf. "Man fragt sich halt schon, warum man da noch mit der Hand schalten sollte", sagt Frau Ayberk und freundet sich auch schon mit dem SportPlus-Modus an.

So ein Allradantrieb ist in vielerlei Lebenslagen von begehrenswerter Nütlichkeit. Aber richtig lustvoll wirkt er beim Aufbau von Traktion zur Beschleunigung. Gerade einmal 5,1 Sekunden braucht der 6er von 0 auf hundert, selbst auf dem glatten Kopfsteinpflaster fährt der BMW wie eine Jahrmarktattraktion um die engen Kurven. Der Dieselmotor bringt hingegen die wenigen Schwachstellen der deutschen Sprache zum Vorschein: Ein Normverbrauch von 5,5 bis 5,8 Litern ist das unaussprechliche Gegenteil von durstig. In München wird wie andernorts der Verbrauch gemessen – wir kommen auf rund sieben Liter, für über 300 PS immer noch ein asketischer Wert.

Schöne Länge

Was ist neu an diesem 6er? Nicht sehr viel, innen stehen ein paar neue Ledervarianten bereit, außen neue LED-Scheinwerfer. Außerdem wurden Niere-, Front- und Heckschürzen umge staltet. Wir haben übrigens die klassische Coupé-Variante ausgefasst, die sich durch zwei Türen auszeichnet. Es gibt in dieser Serie noch einen Viertürer, der sich trotzdem Coupé nennen darf. Allen gemeinsam ist die derzeit wohl schönste und längste Kühlerhaube aus deutscher Produktion. Mit dem sanften Redesign betone man nun noch stärker "Karosseriebreite, Kraft und Solidität", sagt BMW. Und was meint Frau Ayberk zu all dem? "Ich habe ihn mir eigentlich protziger vorgestellt." Sie beurteilt das Design des 100.000-EuroWagens mit druckreifen Attributen: "unaufgeregt, edel, sportlich – und trotzdem noch in der Limousinenklasse." Im Innenraum findet neben dem feinen Lederbezug die Kombination aus komplett weißem Interieur und schwarzem Dachhimmel Ayberks Gefallen. "Eine ungewöhnliche Kombination, sehr spannend", sagt sie. Wir kommen mit unserer Testerin überein, dass die einzige auffindbare Schwachstelle dieses Wagens der nicht motorisierte Kofferraumdeckel ist.

Verwöhnte Organisation

Und was ist neu beim Coachen von Managern? "Führung verändert sich gerade grundlegend", erklärt Ayberk, "die alten Modelle passen nicht mehr zu den digitalisierten Unternehmen von heute." Und was nun? "Doch eine Universallösung dafür, wie sich Firmen in Echtzeit managen lassen, gibt es leider nicht", bedauert sie. Anstelle traditioneller Hierarchen, so Ayberk, bräuchten Unternehmen Strukturen, die auf wechselnden, projektbezogenen Rollen der Personen aufbauen. Das Problem ist, dass sich die betriebliche Welt nicht mehr ausschließlich in Abteilungen und Gruppen einteilen lassen will. Stattdessen geht es in Ayberks Welt um Scrum-Master, Prozesse, Agilität, um Führen ohne Vorgesetztenfunktion und um die Frage: "Wie mache ich mein ganzes Unternehmen zur Innovationsabteilung?" Wer ihr zuhört, wird im Handumdrehen gefesselt von der Idee, dass Unternehmenserfolg nur eine Frage der Führung ist. Und er bemerkt auch, dass hier die Praxis der Theorie durchaus die Hand reicht. Einer der jüngst angebotenen, offenen Kurzworkshops trägt den Titel "Führen in der verwöhnten Organisation." Die Veranstaltung war ein großer Erfolg.

Die letzten Kurven mit ausgeschaltetem DSC über das polierte Kopfpflaster gleitend, kommen wir zu dem Schluss: Der richtige Ort für den BMW 640D wäre eine Rennstrecke, kein Verkehr und das Motto: "Fahren ohne verpönte Diskussion."