Coronavirus : SAP-Umstellung in Corona-Zeiten: Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter jetzt virtuell schulen

Das erste Etappenziel war im vorigen Juli erreicht. An insgesamt elf Rosenbauer-Standorten war der Umstieg auf SAP/4Hana für den Finanzbereich umgesetzt. Konzernweit soll im Rahmen des Projekts „Digit-All“ nun konzernweit ein gemeinsamer ERP-Standard geschaffen werden. Maßgeblicher Treiber des Aufsetzen eines integrierten Systems ist CFO Sebastian Wolf.

„Bisher hatten wir R/3 lediglich im Finanzbereich, eine eigenentwickelte ERP-Lösung ergänzte die Prozesswelt der Oberösterreicher seit den neunziger Jahren. Für heuer ist der weitere Rollout des neuen Finanzmoduls an Standorten wie der Schweiz geplant. „Noch im Frühjahr sollen die Schulungen starten - in Zeiten von Home Office eine Herausforderung, wenn auch einer bewältigbarer, glaubt Wolf: „Ein großer Teil der Maßnahmen lässt sich virtualisieren“, so der Manager.

“Kein Freibrief“

Bedächtiger beim Umsetzungstempo, loyaler zur Software der Walldorfer als deutsche Corporates: So skizziert Walter Schinnerer, Fachvorstand Österreich der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), das Profil heimischer SAP-Nutzer. Die Anwendergruppe mit weltweit über 60.000 Mitgliedern verfügt über Einfluss - und dürfte allem Anschein nach maßgeblich die Entscheidung mitbeeinflusst haben, Unternehmen nun doch mehr Zeit für die Migration auf S/4Hana zu geben: Anfang Februar verlängerte SAP die Wartungsgarantie für die ERP-Lösung Business Suite 7 und damit ERP 6.0 von 2025 auf 2027. Optional erfolgt die Wartung bis spätestens 2030.

Nicht als "Freibrief für Unternehmen, bei der Umstellung weiter zu warten", will die DSAG dies freilich verstanden wissen. Haben sich erste Unternehmen bereits daran gemacht, ihre Systeme zu migrieren, dürften die fetten Jahre für den deutschen Softwarehersteller wohl erst kommen. Noch nicht mal zehn Prozent der Unternehmen hätten laut Schinnerer die Umstellung vollzogen. Bei der DSAG hätte man die letzten Monate "oft geklopft", beim Jahreskongress in Nürnberg im September sei "gar ein heftiges Hämmern" ob der S/4Hana-Roadmap vernehmbar gewesen. "Jetzt aber stimmt der Fahrplan", sagt Schinnerer. Auch bei weiteren Produkten aus dem Haus SAP wie dem Supply-Chain-Modul Logistics, ohne das für viele eine Migration nur die halbe Miete ist, hört man.

Mehr als 13.800 Kunden hätten sich mittlerweile für S/4HANA entschieden, heißt es bei SAP. Im abgelaufenen vierten Quartal war der Zustrom der Neukunden besonders groß. Zwischen sieben und neun Monaten veranschlagt der Wechsel auf die neue Datenbank- und ERP-Generation bei kleineren mittelständischen Unternehmen lediglich, schildert SAP-Manager Uwe Grigoleit, Neukunden gingen „vorzugsweise in die Cloud“, so der Senior Vice President S/4HANA. Mit S/4HANA hätten sie erstmal eine moderne, agile und stark standardisierte SAP-Plattform, aus der sie in der Folge für transformatorische Prozesse aus dem Vollen schöpfen könnten“, so Grigoleit.

Kein Husarenritt mehr

Mitten in der Migation befindet sich der Landtechnikhersteller Pöttinger. Anfang März waren am Stammsitz in Grieskirchen die Arbeiten im ersten Teil des Projekts - „dem Wechsel von einer Oracle-Datenbank auf jene von SAP (HANA) - abgeschlossen", schildert Gerhard Wagner, der hiesige IT-Chef. Im Zuge des Ende 2018 zu absolvierenden Wechsels der Datenbankserver entschied man sich für einen weiteren Zyklus "on premise" - demnach läuft die neue Datenbank heute auf leistungsfähigen Servern im Pöttinger-Rechenzentrum und nicht in der Cloud.

Die Einführung der neuen Datenbank, die vor fünf Jahren "vielleicht noch eher ein Husarenritt gewesen wäre" (O-Ton Wagner), war fordernd, gewiss. Aber, auch dank eines ordentlich ausverhandelten Lizenzmanagements, "alles in allem kein Hexenwerk", sagt der IT-Mann. SAP sei mit der Datenbank mittlerweile "im Mainstream angekommen", so Wagner. Und: Pöttinger hätte sich mtinichten als "early adopter" mit vollem Risiko ins Feld gewagt.

Freilich: Um in den Genuss der Vorteile der neuen Datenbank - etwa der spaltenweisen physischen Speicherung von Inhalten - zu kommen, müsste einiges geschehen. So etwa hatte man die über die Jahre selbst geschaffenen Zusatzprogramme für den reibungslosen SAP-Betrieb – im Anwenderjargon „Z-Programmierung“ genannt – „im Zuge der Migration optimiert", heißt es bei Pöttinger.

Prozesse neuinterpretiert

Dort folgt im zweiten Schritt nun - mit Drei- bis Fünfjahreshorizont - die Migration der bei Pöttinger eingesetzten ERP-Zentralkomponente ECC 6.0 auf S/4HANA samt Berücksichtigung aller Subsysteme wie etwa des Lieferantenmanagements. Weil die Abbildung der Debitoren und Kreditoren auf eine neue Weise erfolgt und auch das Hauptbuch sich ändert, will der Maschinenbauer die Zeit nutzen, die unternehmensinternen Prozesse anzupassen.

Zielwert der Planrechnung sei am Ende, „bei der Schlankheit der Prozesse und den laufenden Kosten in einem guten Szenario anzukommen", sagt Pöttinger -IT-Mann Wagner. Den "sicheren Hafen SAP" (O-Ton Wagner) wollte seine Truppe jedenfalls nicht verlassen. Denn auch andere Softwaresysteme hätten Releasesprünge, sagt Wagner. Natürlich könnte man sich auch aus anderen Systemteilen ein ERP stricken. Irgendwann aber lande man möglicherweise in einer Sackgasse, Etwa dann, wenn der Ärger über die Komplexität der Wartung den möglichen Charme einer SAP-freien Lösung in den Schatten stellt, heißt es bei Pöttinger.

Gegen den Mainstream

„Wer sich - wie wir - bewusst gegen SAP entscheidet, läuft gegen den Mainstream an", meint ein IT-Leiter eines heimischen Produktionsbetriebs, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Da wäre zuallererst das Akzeptanzthema. Mit SAP, so lautet die einhellige Meinung - könne man am Ende kaum etwas falsch machen. „Darüber, dass die Kosten in der SAP-Welt gegenüber umfang- und funktionsmäßig überschaubareren Tools empfindlich höher liegen können“, werde dann Nachsicht geübt, meint er.

Auf welchen Anbieter die Wahl letztlich fällt: Ein ordentliches Change Management wird es begleitend zu einer Umrüstung brauchen. "Über den Produktwechsel erfolgt in der Regel auch eine Neuausrichtung der Unternehmensprozesse", weiß DSAG-Österreich-Vorstand Walter Schinnerer. Und das hieße auch: "Viel Definitionsarbeit wartet", so Schinnerer.