Event-Reporter : Quality Austria Forum legte Fokus auf „Tipping Points“

Austria Center Congress Entscheidung Forum Kongress Pilot Qualitaet Qualität Salzburg points quality tipping
© Anna Rauchenberger

"Das Quality Austria Forum hat sich in 25 Jahren stetig weiterentwickelt. Längst geht es nicht nur darum, wie etwas gemacht wird, sondern viel stärker als früher auch darum, wie etwas kommuniziert wird. Unsere Experten zeigen Wege auf, wie sich Unternehmen, Organisationen und Personen qualitätsvoll und nachhaltig weiterentwickeln können“, erklärte Konrad Scheiber, Geschäftsführer von Quality Austria. Scheiber ging in seiner Eröffnungsrede auf unterschiedliche historische Ereignisse ein, die unvorhersehbare positive wie negative Tipping Points erzeugt haben, wie beispielsweise der Trend von der analogen zur digitalen Fotografie, der vom früheren Platzhirschen Kodak verschlafen wurde. Oder die Erfindung des Internets, die unzählige neue Geschäftszweige nach sich zog und dessen Geschäftspotenzial anfangs selbst von Bill Gates unterschätzt worden war. „Managementsysteme sind nicht nur mächtige Instrumente bei der Steuerung von Unternehmen, sie helfen auch beim Umgang mit Tipping Points“, betonte Scheiber.

Der Pilot Philip Keil, der sich vor allem in Deutschland als Experte für Change-Management, Führung und Teamwork einen Namen gemacht hat, schilderte seinen persönlichen Tipping Point, bei dem trotz schönen Wetters, einer erfahrenen Crew und eines einwandfreien Flugzeugs ein Routineflug zu einem Beinaheabsturz geworden war. In einem weiteren von ihm angeführten Beispiel war den koreanischen Piloten eines verunglückten Flugzeugs eine steile Hierarchie zum Verhängnis geworden. „In 80 Prozent aller Abstürze saß der Kapitän am Steuer. Der Co-Pilot hat das Problem meist frühzeitig erkannt, aber aus Respekt vor dem Vorgesetzten nicht eingegriffen. Unternehmen und Flugzeuge stürzen nicht ab, weil der Einzelne einen Fehler macht, sondern weil niemand im Team den Fehler sieht – oder sehen will“, erklärte Keil. „Machtdistanz verhindert Teamwork“, lautete das Fazit, deshalb appellierte er an die anwesenden Fach- und Führungskräfte: „Nicht eine Fehlhandlung führt zum Absturz, sondern das Fehlen einer Handlung.“

Auch Johann „Hansi“ Hansmann war als Speaker geladen. Mit mehr als 70 Investments in Start-ups gilt Hansmann als einer der aktivsten und erfolgreichsten Business Angels in Europa und als Nummer 1 in Österreich. Er hält über seine Hansmen Group Beteiligungen an Unternehmen aus der Digital- und Gesundheitsbranche. Beim Forum in Salzburg sprach er über „die Kraft der Disruption durch Start-ups“, die in der ersten Phase ihres Bestehens laufend mit Tippings Points konfrontiert sind. Hansmann schilderte anhand welcher Kriterien er seine Investmententscheidungen trifft, um die Jungunternehmer auf ihrem Weg zum „Exit“ zu begleiten. „Die Digitalisierung ist keine Bedrohung, sondern ein Nährboden für Start-ups und schafft viele neue Chancen“, betonte Hansmann. Nicht umsonst seien die derzeit sieben größten und wertvollsten Firmen der Welt – Google, Amazon, Apple, Microsoft, Facebook, Berkshire Hathaway und Alibaba – digitale Firmen. „Von Gründern kann es gar nicht genug geben in unserem Land und das Wichtigste ist nach wie vor der Mensch“, schloss er seinen Vortrag.

Klare Strukturen und Prozesse als Prävention

Was Qualitäts-, Umwelt-, und Sicherheitsmanagementsysteme beisteuern können, um die dynamischen Kräfte und versteckten Chancen und Risiken der Tipping Points zu nützen, schilderten die drei Quality-Austria-Experten Anni Koubek, Axel Dick und Eckehard Bauer. Die Business Developerin für Qualität, Innovation Anni Koubek berichtete davon, was die Revision ISO 9001:2015 gebracht hat und wohin sich die Norm in Zukunft entwickeln werde. „Ein Managementsystem sollte niemals ein Alleingang der Qualitätsmanagement-Abteilung sein, sondern es müssen immer die richtigen Personen einbezogen werden. Zudem muss dem Ergebnis Vorrang vor der Methode eingeräumt werden“, plädierte Koubek. Axel Dick, Business Developer für Umwelt und Energie, CSR präsentierte Lösungsansätze gegen den globalen Klimawandel. „Bis 2030 sind wichtige Weichen zu stellen, um das Pariser Zwei-Grad-Ziel bis 2050 zu erreichen und mögliche irreversible Entwicklungen durch Kippeffekte auszubremsen“, warnte Dick. Der Experte skizzierte die potenziellen Kipppunkte und ihre Folgen, beschrieb die bereits stattfindenden Änderungen im externen Kontext der Unternehmen und ging auch darauf ein, wie die Managementsysteme ISO 14001 und ISO 50001, EMAS oder Produktzertifizierungen einen Beitrag leisten können. Eckehard Bauer, Business Developer für Risiko- und Sicherheitsmanagement, Business Continuity, Verkehr erklärte, wie mittels Managementsystemen in Unternehmen negative Ereignisse und Tipping Points wie zum Beispiel Unfälle, Produktionsausfälle, Krankheiten oder Fehlchargen vermieden werden können. „Vielen von uns ist gar nicht bewusst, wie wichtig klare Strukturen und Prozesse im täglichen Ablauf sind, um präventiv negative Ereignisse zu eliminieren bzw. zu minimieren“, erklärte Bauer.

Über „Exzellenz als künstlerisches Leitmotiv und als Unternehmensmaxime“, sprachen die beiden Vorstände des Wiener Konzerthauses, Matthias Naske und Johanna Möslinger. Das Konzerthaus hatte Ende 2016 als erste österreichische Kulturinstitution die ISO 9001:2015 Zertifizierung erhalten. Diese hat maßgeblich zur Erfolgskurve des Hauses beigetragen, das in den letzten 10 Jahren einen stetigen Besucheranstieg verzeichnen konnte. Mission der Wiener Konzerthausgesellschaft sei es möglichst viele Menschen nachhaltig mit exzellenter Musik in Bezug zu bringen und so Tag für Tag Tipping Points zu schaffen. „Eine anschauliche Betrachtung des phänomenologischen Geschehens während eines Konzertes bereitet den Weg, um die Prozesse zu verstehen, die die Faszination der Musik ausmachen“, so die beiden Intendanten. Darauf aufbauend erlaube eine weitere Differenzierung die dabei relevanten Wertschöpfungsketten und Wirkkreise zu verstehen und deren Auswirkungen in eine unternehmerische Wirklichkeit zu übertragen.

Jede Geste sendet ein Signal aus

Der Schauspieler, Psychologe und Regisseur Severin von Hoensbroech sprach in seinem Vortrag mit dem Titel „Kommunikation 1.0 – alles auf Anfang“ über die kleinen und oftmals unbewussten Signale, die wir mit jeder Kommunikation aussenden. „Wenn wir uns verlegen am Kopf kratzen, steckt hinter dieser Geste eine kommunikative Botschaft“, so Hoensbroech. Es sei ein fein austariertes Netz aus körperlichen Signalen, das uns als soziale Wesen gemeinschaftsfähig mache. Unbedachte kleine Gesten hätten hier oft große kommunikative Konsequenzen. „Diese evolutionäre Mechanik begleitet uns unweigerlich in die Industrie 4.0 und sie bleibt die Kommunikation 1.0“, schilderte Hoensbroech. „Wenn wir die Kontrolle über die Kommunikation verlieren entsteht ein Tipping Point.“