Auftragsforschung : Profactor-CTO Andreas Pichler: "Bei uns fährt keiner einen Firmenwagen"

Andreas Pichler Profactor
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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Pichler, seit dem vorigen Sommer gibt es mit dem AIT einen neuen Mehrheitseigentümer. Einen Bauchladen für Forschungsdienstleistungen hätte sich der 1.500-Mitarbeiter-Riese nicht angetan, hört man. Bei Profactor aber stimme der Fokus.

Andreas Pichler: Auch andere forschen nicht ins Blinde. Aber wir stellten uns intern früh der Diskussion, welche Forschungsdienstleistungen wir anzubieten hätten, um erfolgreich in die Zukunft zu gehen. Die Anforderungen sind nunmal völlig konträr zu jenen früherer Jahre: Damals lief man von A nach B nach C. Und hatte von der Automatisierungstechnik bis zur Zerspanungstechnik alles im Portfolio. Heute behandeln wir die ausgewählten Themenfelder Industrielle Assistenzsysteme und Additive Mikro-/Nanofertigung. Und vernetzen diese auf Plattformen.

Offenbar mit Erfolg: Von Ihren Betriebserlösen erwirtschaften Sie fast 40 Prozent allein durch bilaterale Industrieprojekte. Der Rest kommt vom Fördergeber.

Pichler: Wir müssen zusätzliche Einnahmequellen schaffen. Die Fördergelder wachsen auch nicht in den Himmel. Die Chancen, im EU-Programm ein Projekt bewilligt zu bekommen, liegen zwischen fünf und zehn Prozent. Kein Vergleich zum vierten oder fünften Rahmenprogramm. Auch auf nationaler Ebene, im Programm Produktion der Zukunft, geht es kompetitiv zu. Und Overheadsätze sind jetzt pauschaliert. Werden Overheadkosten nicht vollständig abgegolten, braucht es also ein Alternativgeschäft, um Deckungsbeiträge aufzubauen. Das haben wir die letzten zwei Jahre getan. Und wir verschlankten die Kostenstruktur weiter. Den Vergleich mit der Privatwirtschaft brauchen wir nicht zu scheuen: Bei uns fährt keiner einen Firmenwagen.

1995 gegründet, setzte Profactor fortan auf den Technologietransfer in die Industrie. Heute mischt mit Unis, FHs und Kompetenzzentren eine Vielzahl an Playern um die Förderetats mit.

Pichler: Und man vergisst als GmbH allzugern den gemeinschaftlichen Gedanken der Community. Anderseits wird speziell im Umfeld der Professoren oft an einem Strang gezogen, wie wir auch in den tollen Kooperationen mit der FH Oberösterreich und der JKU bestätigt sehen. Aber es stimmt: Wir hören von Firmen öfter, man möge sich doch bitte mit den anderen F&E-Dienstleistern besser abstimmen und mit einem einheitlichen Portfolio auftreten.

Vor drei Jahren setzten Sie einen Technologiemanagementprozess in Ihrer Organisation in Gang, der auch dem AIT nicht entgangen ist. Was löste dieser aus?

Pichler: Das war eine spannende Optimierungsaufgabe. Wir entwickelten ein ganz neues Geschäftsmodell. Neben unseren Forschungsgruppen verankerten wir eine Abteilung für Business Development, die auch schon über Engineeringkompetenzen verfügt. Mit Mitarbeitern, die nicht nur in der akademischen Welt verhaftet bleiben, sondern problemorientiert denken. Die ihre Augen und Ohren beim Kunden aufsperren, wenn es um die zusätzliche Verwertung von Technologien bei diesem geht. Und das Gespräch weiterentwickeln, sodass sich daraus ein Nebengeschäft ergibt. Etwa bei einem ähnlich gelagerten Inspektionsproblem in einem anderen Bereich der Fertigung. Alle unsere Researcher sollen Business Developer sein.

Wie wird das angenommen?

Pichler: Im Idealfall ensteht ein richtiges Spannungsfeld in der Diskussion um die Möglichkeiten von Technologien und deren Einsatz in vier oder vielleicht schon zwei Jahren. Aber klar ist schon: Es geht nicht darum, dem Kunden irgendeine tolle neue Augmented Reality-Technologie aufzudrängen. Sondern Prozesse am Shopfloor besser zu verstehen, die richtigen Fragen zu stellen und Potenzial für Optimierung aufzuzeigen.

Und Ihre Mitarbeiter goutieren, dass jeder nun ein Geschäftsfeldentwickler ist?

Pichler: Unsere Scientists haben großteils einzig und allein Forschungsagenden wahrzunehmen. Unsere Researcher dagegen übernehmen auch Kundenverantwortung. Jeder einzelne von ihnen. Wichtig dabei sind klare Karrieremodelle. Vormittags Forschungsprojekte zu bearbeiten und nachmittags Industrieprojekte, wie wir das früher hatten, hat sich nicht optimal bewährt: Projektgeschäfte fahren mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Wie reichern Sie Ihre Plattformen mit neuen Informationen an?

Pichler: Jedes Forschungsprojekt ist inhaltlich so aufgesetzt, dass es einen Beitrag für die Plattformen liefert. Es geht uns also nicht nur ums Publizieren, sondern auch die Auskoppelung von Technologie auf unsere Robotik- oder Nano-Plattformen. Wie viel Erfolg wir dabei haben, evaluieren wir mehrmals pro Jahr.

Wie offen sind denn diese Plattformen für andere Forschungsdienstleister?

Pichler: Mit unseren Plattformen öffnen wir unser Portfolio. Man wird Teil des ganzen Ökosystems, der Forschungslandschaft mit all seinen Playern. Der Mehrwert für alle steigt.

Der AIT-Einstieg wurde mit mit dem Ziel der Portfolioerweiterung begründet. Gbt es die Sorge, an Eigenständigkeit zu verlieren?

Pichler: Synergetisch passt das alles voll zusammen und macht Sinn. AIT definiert klare strategische Ziele, die uns erlauben, uns mit einem eigenständigen Profil weiterzuentwickeln. Und was auch wichtig ist: Es gibt dort eine Reihe von Leuten, mit denen wir uns komplementär sehr gut ergänzen.

Sie sprechen das AIT-Center for Vision, Automation & Control an, mit dem man sich bisher inhaltlich matchte.

Pichler: Der Wettkampf wird uns bleiben. Es nötigt Respekt ab, wie die (AIT-Center-Leiter, Anm.) Kugi und Vrabl das Industriegeschäft nach Wien holen. Aber die Robotik ist multidimensional, es gibt soviele Aspekte, in denen wir ebenso erfolgreich sind. Um in Kompetenzfeldern schlagkräftig zu werden, braucht es allerdings kritische Größen. Und die fangen typischerweise bei 200 Personen an. Im Bereich Bildverarbeitung, Automatisierungstechnik und Robotik liegen wir zusammen jetzt weit darüber. Darauf kann man aufbauen.