Preisgestaltung : Pricing im Wandel der Zeit

Seit seiner Gründung vor 30 Jahren hilft Simon-Kucher & Partners Unternehmen dabei, die richtigen Preise für ihre Produkte zu finden. Und seit damals ist die Bedeutung des Preises allgemein weiter gestiegen. Früher galt es als moralisch inakzeptabel, für bestimmte Leistungen Preise zu verlangen. Heute dringen Preise immer stärker in alle Lebensbereiche vor. Fakt ist: Der Preis ist die wichtigste Stellschraube für ein Unternehmen. Ausgaben lassen sich nicht so einfach verändern. Preise schon. Schon leichte Steigerungen oder Senkungen können enorme Auswirkungen auf den Gewinn haben.

Als ich Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre studiert habe, herrschte an den Universitäten genau die Lehrmeinung "Angebot und Nachfrage regeln die Preise von alleine" vor. Die Kunden, so dachte man damals, stellten stets rationale Vergleiche an und entschieden sich dann ganz vernünftig für die jeweils sinnvollste Variante. Dem ist nicht so, wie wir heute durch Behavioral Pricing wissen: Es geht nicht unbedingt um den tatsächlichen, sondern um den empfundenen Nutzen.

Zahlungsbereitschaften ermittelt man, indem man die Leute fragt. Das ist allerdings gar nicht so einfach. Fragt man direkt, was bist du denn bereit zu zahlen, dann stößt man den Kunden mit der Nase auf den Preis und das führt zu atypischen Reaktionen. Denn in der Realität betrachtet der Kunde nie den Preis allein. Vielmehr wägt er ab: Was genau kriege ich für wie viel Geld? Nehme ich das teurere Markenprodukt oder greife ich doch lieber zum No-Name? Der Preis ist außerdem immer auch ein Statussymbol. Keiner gibt gerne zu, dass er nur das Billigste kauft. Wenn ich den Leuten einen No-Name-Füller hinlege und daneben einen Montblanc, der doppelt so viel kostet, dann entscheiden sich in den Befragungen mehr Leute für den Montblanc als in der Realität. Will man die Zahlungsbereitschaft solide ermitteln, muss man solche Umfragen mit anderen Methoden ergänzen.

Dynamic Pricing

Inzwischen arbeiten viele Branchen auch schon mit Dynamic Pricing. Beispielsweise in der Luftfahrt, wo es das so genannte Yield Management gibt, das Auslastungsmanagement. Da reagieren die Preise unmittelbar auf den jeweiligen Buchungsstand. Wenn man dort eine halbe Stunde später bucht, bekommt man schon einen ganz anderen Preis. Auch bei Hotels gibt es das. Da gibt es in diesem Sinne gar keinen Festpreis mehr. Am Londoner Flughafen gibt es inzwischen Parkhäuser, bei denen der Preis vom Belegungsstand abhängt. Je mehr freie Parkplätze existieren, desto günstiger ist das Parkticket.

Durch Internet und Flatrates kommen wir einem orientalischen Basar immer näher: Dort schaut sich der Basarhändler den Kunden erst einmal genau an. Schätzt er ihn für kaufkräftig ein, fordert er einen entsprechend hohen Preis. Er versucht, genau die individuelle Preisbereitschaft zu treffen. Dann wird verhandelt, und Käufer und Verkäufer kommen zu einem Ergebnis - oder eben nicht. Heute haben wir im Internet eine ähnliche Situation. Die Anbieter verfügen über sehr viele Informationen. Sie analysieren, ja durchleuchten die Kunden, um so ihre Zahlungsbereitschaft zu ermitteln. Aber die Kunden haben eben auch ihre Mittel. Und die entscheidende Frage bei Flatrate-Modellen ist immer: Gibt es eine Begrenzung für den Konsum? Ich erinnere mich noch daran, als in den 1970er Jahren in den USA die ersten Salatbüffets aufkamen. In Deutschland war das damals noch unvorstellbar, und auch ich habe damals gedacht, dass sich das für das Restaurant niemals rechnen könne. Aber es ist ja letztlich so, dass die Leute immer nur so viel essen können, wie in den Bauch passt. Und dass man, auch wenn es im Schnellrestaurant freie Softdrinks gibt, trotzdem keine drei Liter Cola trinkt. Eine Flatrate ist also immer dort möglich, wo es eine natürliche Grenze für den Konsum gibt. Die Datenmengen im Internet haben so ein Limit aber nicht, sie werden immer größer.

Doch ob nun Behavioral Pricing, Dyamic Pricing, Flatrate oder Rabatt – einfach ausgedrückt: Für den Käufer ist ein Preis gut, wenn er ihn als fair empfindet, wenn er den empfundenen Nutzen des Produkts widerspiegelt. Für das Unternehmen ist ein Preis gut, wenn er die Zahlungsbereitschaft des Kunden ausschöpft. Daran hat sich im Grunde nichts geändert.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon gilt als „Pricing-Papst“ und ist Gründer von Simon-Kucher & Partners.