Autoindustrie : Prevent gegen VW: Im "Zulieferkrieg" kommen die Zulieferer unter die Räder

Nach vier Wochen Streik und zähen Verhandlungen zeichnet sich beim deutschen Autozulieferer Neue Halberg Guss (NHG) weiter keine Lösung des Konflikts ab. Die IG Metall und das Management der Prevent-Tochter konnten sich in Frankfurt auf keinen Sozialtarifvertrag einigen, wie beide Seiten bestätigten.

Die Verhandlungen waren von Protesten begleitet worden, an denen rund 600 Beschäftigte aus Saarbrücken und Leipzig teilnahmen.

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Darum geht es

Die Neue Halberg Guss, gegründet im Jahr 1756, ist heute ein Spezialist für die Herstellung von Motorblöcken und Antriebswellen. Anfang 2018 kaufte Prevent den traditionsreichen Hersteller auf, und zwar über seine Finanzfirma Castanea Rubra Assets.

Genau damit haben die Probleme angefangen - die inzwischen existenzbedrohend für den alteingesessenen deutschen Hersteller geworden sind. Zwischen Prevent und Volkswagen findet ein Kampf mit harten Bandagen statt, den Beobachter inzwischen als "Zulieferkrieg" bezeichnen.

In den Konflikt von Prevent gegen VW hineingezogen

Der Feldzug von Prevent gegen Volkswagen begann 2015 in Brasilien, als Prevent den Sitzbezug-Hersteller Keiper übenahm. Es folgen Lieferstopp, Preiserhöhungen und schließlich die Kündigung durch Volkswagen. Der Ärger bringt Volkswagen 160 Tage Produktionsstopp, ein Minus von 140.000 Fahrzeugen und Zwangsurlaub für rund 18.000 Beschäftigte ein.

2016 lässt ein Lieferstopp beim Prevent-Ableger ES Automobilguss und Car Trim wegen geplatzter Liefervereinbarungen Bänder in mehreren VW-Fabriken still stehen, so in der Golf-Produktion des Stammwerks Wolfsburg. Und das trotz einstweiliger Verfügung des Landgerichts Braunschweig, die zur Wiederaufnahme verpflichten sollte. Für Volkswagen eine neue Erfahrung - bei rund 40.000 Lieferanten weltweit und einem Einkaufsvolumen von etwa 80 Milliarden Euro.

Prevent kauft systematisch alteingesessene Zulieferer in Deutschland auf

Seit geraumer Zeit greift Prevent nicht mehr nur vor Gericht und über seine Tochterfirmen an, sondern kauft neue Zulieferer - besonders gern jene, die Volkswagen nicht so leicht ersetzen kann. Genau dazu gehört die Neue Halberg Guss. Ihre Kurbelgehäuse, Zylinderköpfe und Kurbelwellen kann Volkswagen offensichtlich nicht so schnell anderswo herbekommen.

Dann folgt die altbekannte Strategie der Bosnier

Danach folgt die altbekannte Strategie der Bosnier: Die ehemals enge Zusammenarbeit zwischen VW und einem (frisch übernommenen) deutschen Zulieferer nutzt Prevent für hohe Preisforderungen. In diesem Fall ging es um Aufschläge bis zum Faktor 10 auf das vereinbarte Niveau als "Auflaufpreise". Das geht aus einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief von Volkswagen an Barbaros Arslan, Geschäftsführer der Neuen Halberg Guss, hervor.

Das Ergebnis: Volkswagen fährt seine Bestellungen bei NHG zurück, sofern das möglich ist - und der Zulieferer, der seit dem 18. Jahrhundert erfolgreich Produkte aus Metall fertigt, sieht sich in seiner Existenz bedroht.

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Jetzt will das neue Management das NHG-Werk Leipzig mit 700 Beschäftigten Ende 2019 schließen. Im Stammwerk Saarbrücken mit rund 1.500 Beschäftigten wurde zuletzt ein Abbau von 300 Jobs erwogen. Die Beschäftigten streiken seit dem 14. Juni für einen Sozialtarifplan.

"Wir wollen arbeiten"

Der IG-Metall-Vertreter Jürgen Kerner warf Prevent und deren Eignerfamilie Hastor vor, das Unternehmen leer räumen zu wollen. Die Gewerkschaft verlange eine vernünftige Perspektive für die Beschäftigten. "Wir lassen uns nicht mit Almosen abspeisen. Eigentlich wollen wir arbeiten. Aber wenn ihr die Arbeit kaputt macht, zahlt wenigstens anständig", verlangte Kerner.

Standort Leipzig soll ganz geschlossen werden

Die Proteste richten sich gegen massive Kündigungen und die nach Ansicht der Mitarbeiter sehr geringe Höhe der Abfindungen und Sozialleistungen für Beschäftigte, die gekündigt werden sollen. Der Standort Leipzig soll zum Ende kommenden Jahres geschlossen werden.

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Betriebsrat und Gewerkschaft wehren sich

Ein neuer Gesprächstermin wurde laut IG Metall nicht vereinbart, dafür sehen sich die Streitparteien aber bereits wieder bei einer Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Frankfurt. Das Management will den Arbeitskampf für nicht rechtmäßig erklären lassen.

Das Unternehmen hatte ein neues Angebot vorgelegt. Das Management bot nach eigenen Angaben den zur Kündigung stehenden Mitarbeitern Abfindungen an, wenn der seit vier Wochen andauernde Streik umgehend beendet werde. Auch sollte eine Transferagentur eingerichtet werden. Die verbleibenden Beschäftigten im Saarbrücker Stammwerk sollten bis zum Ende des kommenden Jahres vor Kündigungen geschützt werden und zu den Regelungen des IG-Metall-Flächentarifvertrags mit der 35-Stunden-Woche zurückkehren können, teilte das Unternehmen mit.

Die IG Metall sprach von einer Verschlechterung des bisherigen Angebots. Die Geschäftsführung habe sich nicht einen Millimeter nach vorn bewegt, sondern zurück, erklärte Verhandlungsführer Uwe Schütz. "So hat die heutige Verhandlung das Klima zwischen Management und IG Metall weiter belastet: Es scheinen ausschließlich wir zu sein, die eine schnelle Lösung des Konfliktes anstreben, die Arbeitgeberseite hat dazu heute nichts beigetragen". Ein Sprecher der NHG erklärte sein Bedauern über das Scheitern.

Bei den Abfindungen hat NHG nach eigenen Angaben am Donnerstag einen Faktor von 0,4 Bruttogehältern pro Jahr der Betriebsangehörigkeit angeboten. Laut IG Metall war in früheren Gesprächen von einem Faktor 0,6 die Rede. Bei einem beispielhaften Monatsgehalt von 5.000 Euro ergäben sich bei einem seit 20 Jahren bei der NHG Beschäftigten je nach Faktor eine Abfindung von 40.000 beziehungsweise 60.000 Euro.

NHG-Chef befürchtet den Verlust weiterer Aufträge

NHG-Geschäftsführer Alexander Gerstung forderte ein Ende des Streiks, um nicht weitere Aufträge zu verlieren. In den vergangenen Tagen hätten mehrere Kunden angekündigt, die für die Produktion notwendigen Werkzeuge aus den NHG-Werken abzuziehen. "Entscheidend ist jetzt, unverzüglich den Betrieb wieder aufzunehmen und unsere langjährigen Kunden wieder zu beliefern. Nur so können wir die Arbeitsplätze sichern", erklärte Gerstung laut einer Mitteilung.

Derzeit beschäftigt sich das Arbeitsgericht Frankfurt mit der Angelegenheit.

(red mit dpa/apa)