Betriebliche Forschung : Österreichs Ausnahmeforscher

Wer ihn einmal gesehen hat, den Johammer, der vergisst ihn nicht so schnell wieder. Ein extrem elegantes Stück Elektromobilität, das auch einer Science-Fiction-Serie entstammen könnte. Tatsächlich kommt das Motorrad aus einer Gegend, die man mehr mit rauem Klima und groben Granitblöcken verbindet – dem oberen Mühlviertel. In Bad Leonfelden, unweit der tschechischen Grenze, wurde das Gefährt ersonnen. Johannes Kaar, kaufmännischer Leiter bei Johammer und der Hammerschmid Maschinenbau GmbH, in der die Entwicklungsarbeit geleistet wurde, kennt die erforderlichen Zutaten für erfolgreiche F&E: Die Basis ist aus seiner Sicht das profunde Grundwissen in der entsprechenden Disziplin – in diesem Fall Maschinenbau. „Technisches Know-how ist erforderlich, um innovativ sein zu können“, erklärt Kaar. „Dazu gehört auch eine gewisse Sturheit.“

Im Mittelfeld

Die österreichischen Bruttoinlandsausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) betrugen im Jahr 2014 rund 9,3 Milliarden Euro. Etwas mehr als 60 Prozent dieser Kosten trug der Unternehmenssektor und finanzierte damit den Weg in Richtung Wissensgesellschaft. Doch bei aller Euphorie über die heimischen Leistungen, darf nicht vergessen werden, dass sich Österreich in punkto F&E in der Liga der Topnationen nur im gesicherten Mittelfeld befindet. Im „Innovation Union Scoreboard“ der EU-Kommission rangiert die Alpenrepublik auf Platz 10 der 28 EU-Mitgliedsstaaten. Es gibt einiges aufzuholen im Vergleich zu den Innovationsführern aus Skandinavien, Deutschland oder der Schweiz. Dafür braucht es weniger von der gemütlichen Mentalität und mehr vom Geist der im Folgenden porträtierten drei Unternehmen.

„Vor zehn Jahren haben wir erkannt, dass ein großer Teil der Bevölkerung von der mobilen Kommunikation ausgeschlossen war“, erklärt Eveline Pupeter, CEO von Emporia. Je kleiner und komplizierter die Handys wurden, desto größer wurde die Hemmschwelle der Senioren, diese Geräte auch zu verwenden. „Hier haben wir zu arbeiten begonnen und den Gegentrend gesetzt“, so Pupeter, „mit Mobiltelefonen, die sich auf das Wesentliche konzentrieren und von allen genutzt werden können.“ Technik und Machbarkeit wurden bewusst reduziert, Nutzerfreundlichkeit und Usability in den Vordergrund gerückt. Das Prinzip „eine Taste, eine Funktion“ war geboren. „Wir haben uns immer mit der Zielgruppe weiterentwickelt“, erklärt Pupeter. „Zuerst stand für uns Einfachheit im Mittelpunkt. Wir haben aber sehr schnell gesehen, dass einfach und intuitiv alleine nicht ausreicht. Unsere Kunden wünschen sich auch ein attraktives Design. Ein Handy ist doch auch ein Lifestyle-Produkt, das man im Kaffeehaus auf den Tisch legen möchte.“ F&E bezeichnet Pupeter als das Kernstück ihres Unternehmens. Ein Drittel der Belegschaft arbeitet in der Entwicklung und diese produzieren sowohl Hard- als auch Software selber. Innovative, neue Ansätze wurden nicht durch das bloße Wegstreichen von Funktionalität erreicht. In den einfach erscheinenden Geräten steckt viel Kreativität.

Vom Handy zum Smartphone

Dabei ist das Unternehmen langfristige Partnerschaften mit unterschiedlichen Forschungseinrichtungen eingegangen. Etwa dem Engineering Design Centre der Universität Cambridge, der FH Oberösterreich oder der Johannes Kepler Universität Linz. Je nach Forschungsschwerpunkt kommt es auch zu punktuellen, projektbezogenen Kooperationen. Gemeinsam mit Experten aus dem Bereich der Materialforschung der Linzer Uni wurde etwa ein neuartiges Tastencover entwickelt. Eine Innovation, die mit einem Handgriff aus einem Handy mit traditionellem Tas- tenfeld ein Smartphone für Senioren macht. Das emporiaSMART wurde Anfang März beim Mobile World Congress in Barcelona präsentiert.

Passion für die Zielgruppe

Auch hier war Pupeter die absolute Orientierung an der Zielgruppe wichtig: E-Mail und Surfen für die ältere Generation, aber ohne komplexe Menüs oder Appstores. „Wir haben alle eine Passion für die Zielgruppe und arbeiten durch sämtliche Abteilungen mit ihr.“ Das manifestiert sich auch darin, dass Fokusgruppen und direkte Interaktion mit der Generation 55plus die Basis für die F&E-Arbeit bei emporia sind. Jeder Mitarbeiter des Unternehmens hat einen sogenannten „Supersenior“ zur Seite. Eine ältere Person, zumeist aus dem persönlichen Umfeld, mit der man sich regelmäßig über Mobiltelefonie, Technik und neue Entwicklungen austauscht, um den direkten Input im Unternehmen zu verwerten.

Gutes Betriebsklima, klare Kommunikation und kurze Wege. „Bei uns gibt es keine internen politischen Diskussionen wie in Großkonzernen, die sich sehr viel mit sich selbst beschäftigen“, erzählt Johannes Kaar. Dafür aber viel Leidenschaft und den unbedingten Willen zum Erfolg. Das serienreife E-Motorrad stößt auf enormes Medieninteresse. Die Reichweite beträgt bis zu 200 Kilometer, die Anzeigeinstrumente sind in die beiden Rückspiegel integriert und der Antrieb ist wartungsfrei. Die garantierte Lebensdauer des Akkus beträgt 200.000 Kilometer oder vier Jahre, bei einer Restkapazität von mindestens 85 Prozent. Sind neue, noch leistungsfähigere Technologien vorhanden, bietet Johammer diverse Austauschmöglichkeiten.

Zwei Millionen Euro investiert

In Summe waren Investitionen von mehr als zwei Millionen Euro nötig, bis der Johammer verkaufsfertig war. Mit externen Partnern aus der Auftragsforschung oder Unis arbeitet man bei Hammerschmid nur selten zusammen. „Wir machen das teilweise bei Förderprojekten, aber das hält sich sehr in Grenzen“, so Kaar. Die Erklärung dafür ist sowohl simpel als auch überraschend und bringt den großen Vorteil des wendigen Unternehmens mit kurzen Entscheidungswegen auf den Punkt: „Wir sind einfach zu

schnell für Partner. Wir können Dinge sehr rasch umsetzen, auch ohne große Meetings. Beim Mittagessen sprechen wir Dinge durch und am Nachmittag wird das ausprobiert.“

30 hoch qualifizierte Techniker arbeiten in der F&E-Abteilung von Baumit. Aus- reichend kreativer Freiraum stellt sicher, dass dort auch „verrückte“ Dinge ausprobiert werden können. „Ich hoffe nicht, dass alle meine Mitarbeiter verrückt sind“, scherzt Jürgen Lorenz, F&E- Leiter bei Wopfinger Baustoffindustrie, einem Unternehmen aus dem Baumit-Konzern. „Aber neben den definierten Forschungsprogrammen, wo entsprechende Ergebnisse zu liefern sind, haben wir selbstverständlich auch Freiräume, wo man Verrücktes machen kann“, ergänzt er. Dabei wird seine Arbeit an einem recht herausfordernden quantitativen Ziel gemessen – Ausdruck der Tatsache, dass F&E fest in Unternehmen und Strategie verankert sind: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir 20 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten machen, die nicht älter als fünf Jahre sind. Das ist eine interne Benchmark, an der wir uns messen“, erklärt Lorenz. Es sei daher wichtig, permanent genügend Produktneuentwicklungen in der Pipeline zu haben.

Ein Schwerpunkt der F&E-Arbeit in Wopfing ist die Entwicklung gesundheitsfördernder Baustoffe. „Wir sind gut beraten, dass wir Baustoffe verwenden, die nicht nur eine statische oder ästhetische Komponente haben, sondern auch einen gesundheitsfördernden Aspekt“, so Lorenz. Um diesen zu untersuchen, startete Baumit im Februar das Forschungsprojekt „Gesundheitsfördernde Baustoffe der Zukunft“. Dazu wurden im niederösterreichischen Wopfing zehn Forschungshäuser errichtet – es entstand der größte Baustoff-Forschungspark Europas mit dem Ziel, Wohnsituationen zu simulieren und den Zusammenhang zwischen Baustoffen und deren Auswirkungen auf den menschlichen Organismus zu ermitteln.

Kooperationen

In der Entwicklung dieser Baustoffe kooperiert Baumit eng mit externen Partnern. Im konkreten Projekt sind die Medizinische Universität Wien, die Fachhochschule Pinkafeld und das Österreichische Institut für Baubiologie und -ökologie mit von der Partie. Dass man in dem eher abgeschiedenen Ort auch Personal mit dem notwendigen Know-how findet, liegt laut Lorenz an den guten Rahmenbedingungen. „Es ist generell nicht leicht, gute Techniker zu finden. Aber wenn die sehen, dass sie hier gut aufgehoben sind und das Umfeld passt, dann kommen die auch nach Wopfing“, so Lorenz. „Der Eigentümer setzt stark auf Innovation und Forschung. Daher gibt es gute Karten, dass die Arbeit rasch zu zählbaren Ergebnissen und Erfolgserlebnissen führt.“