Chiphersteller : Nvidia will Milliardenübernahme von ARM - scharfe Kritik von Hermann Hauser

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© APA/HELMUT FOHRINGER

Der US-Grafikkartenspezialist Nvidia will den britischen Chip-Entwickler ARM für bis zu 40 Milliarden Dollar (rund 34 Mrd. Euro) kaufen und könnte damit für große Umwälzungen in der Branche sorgen. Die Übernahme werde sein Unternehmen im Geschäft mit Chips für Rechenzentren und den Wettbewerb insgesamt stärken, sagte Nvidia-Chef Jensen Huang. Es sei das erste Mal in der Geschichte der Branche, dass es eine echte Alternative zu der Dominanz von Intel gebe.

Allerdings erfordert die Übernahme noch die Zustimmung von Wettbewerbshütern – und da könnte es angesichts der Bedeutung von ARM Widerstände geben, denn von ARM stammt die Grundarchitektur der Chips, die in fast allen Smartphones vielen Tablets verwendet werden.

Scharfe Kritik von Hermann Hauser

Scharfe Kritik kommt vor allem vom ARM-Mitbegründer, dem Österreicher Hermann Hauser. "Es ist eine Katastrophe für Cambridge, Großbritannien und Europa", so Hauser in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist das letzte europäische Technologieunternehmen mit globaler Bedeutung, und es wird an die Amerikaner verkauft." Er forderte die britische Regierung auf, eine Zustimmung an drei Bedingungen zu knüpfen: eine Garantie für Arbeitsplätze in Großbritannien, eine Garantie für das offene Geschäftsmodell und eine Ausnahme von der US-Sicherheitsüberprüfung der Kundenbeziehungen.

Der Verkauf bringe das neutrale Geschäftsmodell von ARM als "die Schweiz der Halbleiterindustrie" in Gefahr, sagte Hauser zu Reuters. Auch die Aufsichtsbehörden dürften die Pläne genau unter die Lupe nehmen, mit denen erstmals ein Schwergewicht der Branche die Kontrolle über den wichtigen Zulieferer von Apple, Samsung und anderen Technologiegrößen erhält.

Eckdaten zu ARM

ARM baut keine Chips, sondern stellt eine Befehlssatzarchitektur bereit, um eigene Computerchips herzustellen. Diese gilt als Standard in der Branche. Der Kaufpreis setzt sich aus 21,5 Milliarden Dollar in Aktien und zwölf Milliarden Dollar in bar sowie erfolgsabhängiger Zusatzzahlungen zusammen, wie Nvidia und der japanische Technologieinvestor Softbank als bisheriger ARM-Besitzer zu Wochenbeginn mitteilten. Softbank hatte ARM erst vor vier Jahren für 32 Milliarden Dollar gekauft und setzt nun seinen Verschlankungskurs fort.

Die ARM-Architekturen setzten sich in Smartphones gegen Chipsysteme des Halbleiterriesen Intel durch – unter anderem, weil sie deutlich stromsparender arbeiten. Jetzt steht die Technologie auch vor dem Sprung in den PC-Markt: Apple stellt seine Mac-Computer auf ARM-Technologie um, ein erstes Modell wird noch in diesem Jahr erwartet. Bisher konnte die Industrie gut mit ARM als neutralem Technologieanbieter leben, der sich aus den Konflikten zwischen einzelnen Playern der Branche heraushielt.

Der ARM-Deal könnte Insidern zufolge auch Gespräche über einen Rückzug von der Börse neuen Schub geben. Softbank ist wegen milliardenschwerer Abschreibungen auf Beteiligungen am angeschlagenen Bürovermittler WeWork und dem Fahrdienst Uber in Liquiditätsnot geraten, die über Veräußerungen gelindert werden soll. Erst im Frühjahr hatte der Investor seine US-Mobilfunktochter Sprint an die Deutsche Telekom und ihre Sparte T-Mobile US abgegeben.

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Nvidia-Chef versucht zu beruhigen

Nvidia-Chef Huang versicherte, am ARM-Hauptsitz im britischen Cambridge festzuhalten und die Forschungspräsenz dort sogar noch auszuweiten. "Cambridge wird ein Ort des Wachstums sein", sagte Huang. Er kündigte Gespräche mit der britischen Regierung an, die wegen der Brexit-Unsicherheiten unter erhöhtem Druck steht, Arbeitsplätze auf der Insel zu sichern.

Huang erklärte auch, das neutrale Lizenzmodell von ARM beizubehalten und durch eine erstmalige Lizenzierung von Nvidia-Angeboten auszubauen. So wolle der nach Marktkapitalisierung inzwischen größte US-Chipkonzern auch seine Flaggschiff-Grafikprozessoreinheit über das ARM-Netzwerk lizenzieren. Das Unternehmen werde auch Chips etwa für selbstfahrende Autos bauen, seine Technologie aber auch für andere verfügbar machen. ARM werde zudem im Rahmen des Abkommens nicht den US-Exportkontrollen unterliegen. (reuters/apa/red)

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