Supply Chain : Neue steuerliche Hürden im Einkauf: So optimieren Sie Ihre Supply Chain

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Was für ein Start in die Woche. Andreas Prock ist Leiter der Einkaufsabteilung eines global agierenden Konzerns mit Sitz in Österreich – und sein Vorstand hat ihn gerade informiert, dass die Kompetenzen des Einkaufsbüros in Asien, das mittlerweile eine zentrale Position in der Supply Chain hat, beschnitten werden sollen. Es umfasst sechs Mitarbeiter und ist immerhin für ein jährliches Einkaufsvolumen von 200 Millionen Euro verantwortlich. Für den Vorstand ist die Niederlassung nun auf einmal ein Steuerrisiko, welches zu einer potenziellen Steuerlast im siebenstelligen Bereich pro Jahr führt. Prock versteht die Welt nicht mehr: Wie kann es sein, dass die Steuern die Aufstellung der Einkaufsabteilung determinieren?

Einkaufsabteilung = Betriebsstätte

Nach einem kurzen Telefonat mit einem Kollegen der Steuerabteilung wird der Hintergrund klar: Die Finanzverwaltungen vieler Länder haben die zunehmende Bedeutung des Einkaufs erkannt und wollen den durch die Supply Chain geschaffenen Mehrwert besteuern. Die sogenannte „Base Erosion“ und das „Profit Shifting“ (die geplante Verminderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und das grenzüberschreitende Verschieben von Gewinnen) soll damit erschwert werden. Befreiungsregeln, die in der Vergangenheit typischerweise für den Einkauf gegolten haben, wurden unlängst von der OECD gestrichen, die automatische Einstufung des Einkaufes als vorbereitende Tätigkeit wurde aufgehoben und das Konzept der Vertreterbetriebsstätte ausgeweitet. Einkaufsaktivitäten begründen in Zukunft regelmäßig eine steuerliche Präsenz (eine „Betriebsstätte“). Das multilaterale Instrument („MLI“) sorgt für eine besonders kurzfristige Umsetzung dieser Neuerungen. Hunderte Doppelbesteuerungsabkommen – darunter auch bereits einige österreichische Abkommen – enthalten bereits die verschärften Regelungen.

Einkommenssteuerpflicht für lokale Einkäufer

Für Unternehmen entstehen damit komplexe steuerliche Berichtspflichten sowie eine empfindliche Abgabenbelastung. Dies betrifft den Konzern selbst, der die lokalen Einkaufsaktivitäten auch lokal versteuern muss. Zur Berechnung der lokalen Steuern müssen Verrechnungspreise ermittelt und dokumentiert werden, daneben bestehen auch Berichtspflichten zur Supply Chain an die Finanzverwaltungen. Zudem wird das Bestehen einer lokalen Betriebsstätte auch für die lokal tätigen Mitarbeiter in Zukunft eine Einkommensteuerpflicht begründen – was sowohl für das Unternehmen als auch für die Mitarbeiter Kosten und Komplexität erhöht. Bei Nichtbefolgung der neuen Regelungen drohen empfindliche Strafen. Drei Tipps, wie Sie Ihre Supply Chain unter Berücksichtigung von Berichts- und Abgabepflichten in Zukunft optimieren und sich damit vor unangenehmen Überraschungen schützen.

1. Prüfen Sie Potenziale durch die Zentralisierung (oder Dezentralisierung) von Einkaufsfunktionen!

Ohne entsprechende Anpassung des Operating Models Ihres Unternehmens ist die Vermeidung der Abgabenlast nicht möglich. Zentralisierung ist dabei das Mittel der Wahl. „Diese muss sich dabei nicht auf alle Einkaufstätigkeiten, sondern vor allem auf wertschöpfende Tätigkeiten des strategischen Einkaufs beziehen“, sagt Christian Massoner, Steuerberater und Senior Manager bei EY Wien. Das bedeutet, etwa bei der Lieferantenauswahl, die Entscheidung im Rahmen eines Beschaffungsvorgangs oder die Auswahl einer Verhandlungsstrategie in die Konzernzentrale zurückzuholen. „Routineaufgaben, von der Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen bis zum Marktscreening, können innerhalb eines gewissen Rahmens weiter dezentral erfolgen“, sagt Massoner. Analysieren Sie Ihren Spend: In welchen Kategorien würde sich durch Zentralisierung Wert generieren lassen? Gibt es Kategorien, bei denen ein globaler Kategorieverantwortlicher Bündelungseffekte bei global agierenden Lieferanten erzielen könnte? Welche Kategorien haben ein Volumen, das eine globale Beschaffungsstrategie rechtfertigt?

2. Vereinfachen Sie Prozesse und verbessern Sie die Prozess-Compliance!

Nutzen Sie die steuerlichen Änderungen als Anstoß für eine generelle Optimierung der Prozesse im Einkauf. „Die Einführung von sogenannten Quality Gates kann die Compliance durch die Einbindung des Zentraleinkaufs sicherstellen“, sagt Christoph Pressleitner, Senior Manager und Supply-Chain-Experte bei EY Wien. Dazu ist es zunächst notwendig, sich einen Überblick über Verantwortlichkeiten in der Organisation über eine RACI-Matrix zu erarbeiten und dann gezielt die relevanten wertschöpfenden Prozesse durchzusprechen. Wer in der Organisation soll in die Lieferantenauswahl involviert werden, wer trifft die Entscheidungen, wie wird der Prozess dokumentiert? Quality Gates können an Schwellwerte gebunden werden, sodass nicht jede kleine Entscheidung zentral getroffen werden muss. Analog dazu wäre es auch möglich, die Prozesse komplett ohne Einbindung des Zentraleinkaufs zu gestalten. „Stellen Sie auch sicher, dass diese Prozesse in einem Einkaufshandbuch dokumentiert sind, die Systeme angepasst werden und die Prozess-Compliance überwacht wird. Die Dokumentation ist für die steuerliche Rechtfertigung der Verrechnungspreise ohnehin unerlässlich“, sagt Pressleitner.

3. Berücksichtigen Sie die Steuerplanung in Ihren Organisationskonzepten, denn die neuen Regeln können auch vorteilhaft sein!

Abhängig von zahlreichen Faktoren – wie etwa den lokalen Steuersätzen, dem anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen und der steuerlichen Gesamtsituation des Konzerns – kann das Begründen (oder Nicht-Begründen) einer lokalen Betriebsstätte steuerlich sogar vorteilhaft sein. „Ist der Steuersatz für Unternehmen und Mitarbeiter im Ausland niedrig und sieht das anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen die Befreiungsmethode vor, so kann dies bei einem entsprechenden Volumen den erhöhten Aufwand für die Compliance schnell wieder wettmachen“, sagt Christian Massoner von EY Wien. Befindet sich hingegen das gesamte Unternehmen in einer Verlustsituation, so kann die Besteuerung eines fiktiven Gewinns der Betriebsstätte zu einem empfindlichen Kostenfaktor werden. Letztendlich ist aus steuerlicher Sicht stets eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände erforderlich, um eine solide Steuerplanung durchzuführen.