Arbeitszeitflexibilisierung : Neue Arbeitszeiten: Ein Kampf mit harten Bandagen zeichnet sich ab

ÖVP und FPÖ haben sich auf eine Reform der Arbeitszeitregelung geeinigt. Die Regierungsparteien orientieren sich nach eigenen Aussagen an einem Papier der Sozialpartneraus dem Jahr 2017.

Schnelle Verabschiedung im Parlament

Einen Gesetzestext für die jetzige Reform haben die Koalitionsparteien als Initiativantrag ins Parlament eingebracht. Jetzt könnte es schnell gehen: Für die neue Regelung soll es keine normale Begutachtungsphase geben. Statt dessen planen ÖVP und FPÖ nur eine umfassende Begutachtung im Ausschuss im Parlament. Der Beschluss im Nationalrat ist für Juli geplant. Am 1. Jänner 2019 soll das Arbeitszeitflexibilisierungsmodell dann in Kraft treten.

Die wichtigsten Eckdaten

Die wichtigsten Punkte der Reform: Der Acht-Stunden-Tag soll gesetzliche Normalarbeitszeit bleiben. Auf freiwilliger Basis soll aber ab Jänner 2019 auch bis zu zwölf Stunden gearbeitet werden können.

Das heißt: Die Höchstgrenze der Arbeitszeit pro Tag steigt auf 12 Stunden und die Höchstgrenze pro Woche auf 60 Stunden.

Dabei soll es aber Einschränkungen geben: Für die 11. und 12. Stunde sollen Arbeitnehmer laut Papier das Recht haben, nein zu sagen, sofern "überwiegenden persönliche Interessen" wie etwa bei der Kinderbetreuung angeführt werden können.

"Norm" von 8h/Tag und 40h/Woche bleibt, 4-Tage-Woche neu

Die weiteren Eckpunkte der neuen Arbeitszeitregelung: Der 8-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit soll gesichert bleiben, zugleich die 4-Tage Woche gesetzlich ermöglicht werden. Neben der täglichen (8 Stunden) soll auch die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden beibehalten werden.

Kollektivvertragliche Regelungen der Normalarbeitszeit blieben ebenfalls unberührt, heißt es. Das Modell der Sozialpartner, das von Gewerkschaftsseite am Ende freilich nicht akzeptiert wurde, sah ursprünglich eine Erhöhung der gesetzlichen Normalarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden pro Tag vor.

Die Neuerungen auf einen Blick - zur Vergrößerung in die Grafik klicken:

Obergrenze von 48 Stunden pro Woche gilt weiter

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf laut den Plänen der Regierung wie bisher 48 Stunden nicht überschreiten. Keine Änderungen soll es bei den Zuschlägen geben. Ein weiterer Punkt: Entkriminalisierung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei freiwilliger Gleitzeit auf 12 Stunden, fünfmal pro Woche bei gleichbleibendem Regelungsregime.

Nicht übertragbare Gleitstunden werden am Ende der Gleitzeitperiode wie bisher mit Zuschlag - Zeit oder Geld je nach Vereinbarung - vergütet.

Ausnahmemöglichkeiten von der Wochenend- und Feiertagsruhe soll es maximal vier Mal im Jahr geben, allerdings nicht an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden. Die mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum soll durch Kollektivvertrag ermöglicht werden.

INDUSTRIEMAGAZIN berichtete 2016 zur derzeit geltenden Situation: Der Arbeitskrampf >>

Vor der Nationalratswahl 2017 haben wir alle Parteien gefragt, für welche Arbeitszeitregeln sie sind >>

Das sind die Ziele der Novelle

Ziel der Flexibilisierung ist laut den Regierungsparteien die "Anpassung an die modernen Lebensverhältnisse und Lebenswelten". Für Pendler und Familien soll es demnach mehr Freiheit und Freizeit geben, auch von besseren Möglichkeiten zum verlängerten Wochenende ist die Rede. Für die Wirtschaft ergebe sich aus dem Maßnahmen eine "Auftragssicherheit durch die Abdeckung von Spitzenzeiten".

Die Politik der Gewerkschaft, die bereits in den vergangenen Tagen gegen die Arbeitszeitflexibilisierungspläne der Regierung mobil gemacht hatte, sehen ÖVP und FPÖ im Gesetz verankert. Die Systematik der gewerkschaftlichen Betriebsvereinbarung, die jetzt gilt, werde zukünftig ins Gesetz geschrieben, heißt es in dem Papier.

Breite Zustimmung, massive Gegenwehr - die Reaktionen

Dieses Gesetz ist quer durch die Politik sowie bei den Sozialpartnern sehr umstritten - während aus der Wirtschaft und Industrie die Zustimmung überwiegt. Wir haben für Sie auf den folgenden Seiten die wichtigsten Reaktionen zusammengefasst. (apa/red)

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(1) Neue Arbeitszeiten: Die wichtigsten Eckdaten der Pläne >>

(2) Regierung: 40-Stunden-Woche soll die Regel bleiben >>

(3) Industrie: Endlich eine notwendige Modernisierung >>

(4) WKÖ: "Genereller 12-Stunden-Tag steht gar nicht zur Debatte" >>

(5) SPÖ: "Die behauptete Freiwilligkeit ist eine Pseudofreiheit" >>

(6) ÖGB: "Du sagst genau zwei Mal nein, und dann ist der Job weg" >>

Die Klubobleute von ÖVP und FPÖ, August Wöginger und Walter Rosenkranz, haben sich nach Einbringung des Initiativantrags zur Arbeitszeitflexibilisierung im Nationalrat hochzufrieden gezeigt. Es sei darum gegangen, eine "Win-Win-Situation" für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen, sagte Wöginger. Behandelt werden soll der Antrag im Wirtschaftsausschuss am 2. Juli.

Damit wird eine Ausschussbegutachtung von rund drei Wochen ermöglicht, sagte Wöginger. Dass das Paket mittels Initiativantrag und nicht via Regierungsvorlage eingebracht wird, begründeten die Klubchefs damit, dass die Materie maßgeblich von Abgeordneten der beiden Parlamentsklubs ausgearbeitet worden sei.

Überstunden werden wie bisher gezahlt - neu ist die Flexibilität

Das Paket bringe mehr Flexibilität, "auf der anderen Seite werden Überstunden wie bisher abgegolten", sagte Wöginger. Auch die Kollektivverträge bleiben unberührt, versicherte er. Die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes werde von vielen Arbeitnehmern gewünscht, um flexibler zu sein, meinte der VP-Klubchef.

Auch Rosenkranz betonte, dass die Neuerungen auch den Arbeitnehmern Vorteile bringen würden. So könnten etwa Pendler an vier Tagen länger (bis zu zwölf Stunden, Anm.) arbeiten, dafür aber einen zusätzlich Tag freinehmen. Das Gesetz werde dazu dienen, dass sich die Menschen ihre Zeit besser einteilen können. Auch betonten die Klubchefs, dass die Ablehnung der Überstunden - etwa aus Kinderbetreuungsgründen - rechtlich verankert werde.

"Aus sachlichen Gründen kein Protest zu erwarten - aus parteipolitischen schon"

Gefragt, ob sie mit Protesten der Gewerkschaft rechnen, sagte Rosenkranz, er erwarte aus sachlichen Gründen keinen Protest, "aus parteitaktischen Gründen sehr wohl". Er erwarte sich nun durchaus das Aufkommen von "Gräuelpropaganda" - etwa, dass der Zwölf-Stunden-Tag fix komme. Dies sei aber unrichtig, denn: "Der Acht-Stunden-Tag ist die Regel, die 40 Stunden-Woche bleibt die Regel." (apa/red)

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Die Industriellenvereinigung gibt sich erfreut über den Vorstoß der Regierung. Damit sei endlich die notwendige Modernisierung des Arbeitsrechts in Angriff genommen worden, so der Industrielle und IV-Präsident Georg Kapsch.

"Arbeiten, wenn Arbeit anfällt"

Der Vorschlag zur flexibleren Arbeitszeit bedeute "die Anpassung des Arbeitsrechts an gesellschaftliche Wünsche und Notwendigkeiten". Es gehe darum, "gemeinsame Flexibilitätsbedürfnisse von Beschäftigten und Unternehmen anzuerkennen". Künftig könne damit "gearbeitet werden, wenn Arbeit anfällt".

"Zentraler Schritt für den Standort"

Die Flexibilisierung sei ein "zentraler Schritt im Sinne eines starken und wettbewerbsfähigen Industriestandortes, der den Anforderungen einer globalen Vernetzung sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewachsen ist."

"Es geht nicht um längere Arbeit insgesamt"

Es sei noch einmal zu betonen, dass es nicht darum gehe, dass Menschen generell länger arbeiten sollen, so Kapsch weiter: "Der gesetzliche 8-Stunden-Tag sowie die 40-Stunden-Woche blieben erhalten."

Der Chef der IV zeigt sich auch überzeugt, dass längere Arbeitszeiten nicht nur für Unternehmen wichtig seien, sondern "dies wünschen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Hinblick auf längere Freizeitblöcke und mehr Zeit mit der Familie seit Längerem."

Wichtigster Faktor: "Gutes Einvernehmen mit Mitarbeitern"

Auf beiden Seiten gebe es einen Wunsch nach mehr Flexibilität, glaubt der Industrielle. Der vorliegende Gesetzesentwurf spiegle genau das wider und berücksichtige die Interessen beider Seiten.

Entscheidend sei dabei vor allem, dass der gesetzliche Rahmen für mehr Gestaltungsmöglichkeiten auf Betriebsebene erweitert werde. „Denn vor Ort und im guten Einvernehmen gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern lassen sich erfahrungsgemäß die besten, für alle Beteiligten sinnvollsten und praxistauglichsten Lösungen erzielen“, so Kapsch.

(red)

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Die WKÖ begrüßt den Vorstoß der Regierung eindeutig. Endlich werde das "dringende Thema 'flexiblere Arbeitszeiten' gelöst", so WK-Chef Harald Mahrer. Der Antrag werde bis 2. Juli im parlamentarischen Wirtschaftsausschuss beraten und biete die Chance, "zeitgemäße Arbeitsbedingungen umzusetzen, die Betrieben, Mitarbeitern und Kunden Vorteile bringen."

Sein Appell an die Sozialpartner und die Öffentlichkeit: "Ein genereller 12-Stunden-Tag steht nicht zur Debatte. 12 Stunden Arbeit am Tag bleiben die Ausnahme. Am generellen 8-Stunden-Tag wird ebenso wenig gerüttelt wie an der generellen 40-Stunden-Woche. Und: Die 11. und 12. Stunde sind grundsätzlich Überstunden mit Zuschlag."

Im Vorfeld hätten sich die Sozialpartner "leider" noch nicht auf eine solche Lösung verständigen, so Mahrer unter Verweis auf "Widerstand von Teilgewerkschaften gegen eine praktisch fertige Lösung." Mahrer: „Damals wurde noch von der SPÖ-/ÖVP-Regierung vereinbart, dass nun auf Regierungs- und Parlamentsebene das langjährige Problem gelöst wird. Das passiert jetzt.“

Mahrer: "Beruf und Familie werden besser vereinbar"

Der Chef der WKÖ sieht Vorteile für Betriebe und Mitarbeiter. Unternehmen könnten so flexibler auf Aufträge reagieren, Arbeitnehmer erhielten bei Überstunden entweder mehr Verdienst oder höhere Freizeitblöcke.

Damit könnten Menschen "Beruf und Familie besser vereinbaren", glaubt Mahrer. Niemand könne "gegen seinen Willen und seine zeitlichen Möglichkeiten zu Überstunden verpflichtet werden", glaubt Mahrer auch.

In weiten Bereichen seien "fallweise 11-oder 12-Stunden-Tage" sowieso schon Normalität, so der Präsident. Dies gebe es etwa in Krankenhäusern, im öffentlichen Dienst, im Verkehr und in der Industrie in Form von Sonderüberstunden.

Mahrer verweist auch auf Umfragen, wonach "fast drei Viertel der Arbeitnehmer" bereit seien, vorübergehend länger zu arbeiten: „Sie schätzen flexible Arbeitszeiten als eindeutig positiv ein, auch weil sie davon überzeugt sind, dass diese ihre Arbeitsplätze sichern.“

(red)

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Die SPÖ hat die Regierung davor gewarnt, über die Arbeitnehmer "drüberzufahren" und sie aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Eine derart weitreichende Maßnahme wie die Arbeitszeitflexibilisierung solle nicht von oben herab gegen die Interessen von Millionen von Beschäftigten beschlossen werden, sondern auf Augenhöhe verhandlet werden, sagte Parteichef Christian Kern.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und dem burgenländischen Landesrat Hans Peter Doskozil forderte Kern die ÖVP-FPÖ-Regierung auf, die ausgestreckte Hand der Arbeitnehmervertreter zu ergreifen und mit den Sozialpartnern an einer "vernünftigen Lösung" zu arbeiten, anstatt "im Schatten der Fußball-WM" in einer ruckartigen Aktion "einseitige massive Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen" zu beschließen.

Kern: Behauptete Freiwilligkeit ist eine "Pseudofreiheit"

"Ein derartiger Klassenkampf von oben ist nicht hinnehmbar", sagte er. Die Regierung sollte innehalten und darüber nachdenken, ob sie mit einer solchen Politik den Unternehmen etwas Gutes tue, so Kern. "Diese Umverteilung von unten nach oben wird Österreich schwächen."

Das Vorgehen der Regierung sei ein "eklatanter Bruch" mit der sozialpartnerschaftlichen Tradition, "die Österreich groß und stark gemacht hat". Die türkis-blaue Politik des "Drüberfahrens ist ein Zeichen enormer politischer Schwäche und Unreife, vielleicht auch persönlicher Unreife", sagte Kern in Richtung Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und: Die Behauptung, dass Arbeitnehmer den vom Arbeitgeber verordneten 12-Stunden-Tag ablehnen können, sei "ein völliger Blödsinn" und zeige, dass manche in der Regierung "keinerlei Erfahrungen in der Arbeitswelt" haben.

Er kündigte an, dass die Sozialdemokratie auf Seite der Arbeitnehmervertreter stehe und für Aufklärung und Bewusstseinsbildung sorgen werde: "Wir werden das nicht tatenlos hinnehmen." Von Streiks wollte er noch nicht sprechen und hoffte auf ein Einlenken der Regierung.

Doskozil: "Verwundert über industriefreundliche Klientelpolitik bei den Blauen"

Kaiser und Doskozil warnten ebenfalls davor, den Weg des "sozialen Friedens" zu verlassen. Doskozil, der im Burgenland mit der FPÖ in einer Koalition sitzt, zeigte sich verwundert darüber, dass die Blauen bei der "der Industrie verpflichteten Klientelpolitik der ÖVP mitmacht". Er machte zudem besonders auf die Nachteile für Pendler aufmerksam, die bis zu fünf Stunden täglich zu und von der Arbeit fahren. Für sie bedeute der 12-Stunden-Tag eine massive Verschlechterung.

Kaiser: "Profit gegen Lebensqualität"

Kaiser kritisierte das Vorgehen der Regierung als "bewusstes Auseinanderdividieren und Spaltung der Gesellschaft und des Landes" unter dem Moto "Profit gegen Lebensqualität". Die Regierung fühle sich der Wirtschaft verpflichtet und vergesse auf die Menschen, die Betreuungspflichten haben oder in Freiwilligenorganisationen tätig sind.

Die von der Regierung behauptete Freiwilligkeit sei eine "Pseudofreiheit", die kaum jemand einlösen werde können, so Kaiser. Das habe auch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zugegeben. Die Koalition solle zurück an den Verhandlungstisch und auf Augenhöhe mit den Sozialpartnern an einer Lösung arbeiten, forderten die SPÖ-Spitzenpolitiker. (apa/red)

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Der ÖGB sieht in den Regierungsplänen zur Arbeitszeitflexibilisierung den "größten Angriff auf ArbeitnehmerInnen seit Jahrzehnten". Die 60-Stunden-Woche werde für viele Arbeitnehmer der Normalfall, auch sei die Abhängigkeit von den Befehlen des Arbeitgebers zu befürchten, kritisierte Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. Kritisiert wird auch, dass es keine Begutachtung geben soll.

ÖGB-Präsident: Zwölf-Stunden-Tage und Vier-Tage-Wochen schon jetzt gesetzlich möglich

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sprach von einem Angriff auf die Gesundheit, die Geldbörse und auch die Freizeit der Arbeitnehmer.

Dass sich Arbeitnehmer beim Zwölf-Stunden-Tag ohnehin begründet entschlagen könnten, bezeichnete er als "lustig", denn: "Da lacht sich jeder Mensch, der jemals in der Privatwirtschaft gearbeitet hat, einen Ast, weil man definitiv weiß, das sagst du genau zwei mal, und dann ist der Job weg." Schon jetzt seien zwölf Stunden und eine Vier-Tage-Woche gesetzlich möglich, betonte er, allerdings mit klaren Regeln und unter Einbindung des Betriebsrates.

ÖGB kritisiert auch WKÖ und IV

Ein "schweres dunkelgelbes Foul" gegen die Sozialpartnerschaft sieht ÖGB-Präsident Katzian nicht nur im Handeln der Regierung, sondern auch seitens der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung. Beide hätten das Regierungsvorhaben unterstützt, noch bevor es vergangenen Donnerstag im Nationalrat eingebracht worden sei. Die "Sozialpartnerschaft, wie wir sie kennen", könnte bald Geschichte sein, warnte er: "Wenn man nicht mit uns redet, bleibt uns ja nichts anderes übrig, als über andere Maßnahmen zu reden."

Eckdaten zu den Vorwürfen des ÖGB

Bei der Regelung gehe es nur um Gewinnmaximierung statt einer Pleite-Verhinderung, so ein Schlagwort des Gewerkschaftsbundes. Die Freiwilligkeit im Arbeitsrecht sei eine reine Fiktion - der Arbeitgeber sitze immer auf dem längeren Ast. Wer nicht folge, werde entlassen. Freizeit gebe es nur, wenn Auftragsflaute herrsche und Überstunden würden "auf den Sankt-Nimmerleinstag" verschoben.

"Nur die zynischsten unter den Wirtschaftsvertretern können da von einem 'Freudentag für Arbeitnehmer' sprechen", zeigte sich Achitz verärgert. Auch dass die Neuerungen, wie von der Regierung "unterstellt", auf einer Sozialpartnereinigung aus dem Jahr 2017 beruhen, sei eine "grobe Unwahrheit". Bis 2017 sei zwar über eine Reihe von Forderungen der Arbeitgeber gesprochen worden. Über die Arbeitnehmerseite sei aber nicht verhandelt worden, stellte Achitz fest.

Der ÖGB kritisiert außerdem, dass es sich um keine Regierungsvorlage handelt und der Gesetzesentwurf ohne Begutachtung "durchs Parlament gepeitscht" werden soll.

Achitz gibt auch zu bedenken, dass Freiwilligkeit im Arbeitsrecht "reine Fiktion" sei: Wenn der Arbeitgeber einen Wunsch äußert, dem Arbeitnehmer nicht nachkommen, sind Nachteile zu erwarten - im schlimmsten Fall die Entlassung. Auch dass Arbeitnehmer ihre erworbenen Freizeitansprüche konsumieren können, wann sie wollen, sei realitätsfremd.

Die eingebaute Hintertür bei der Abrechnung der Überstunden

Von einer "Nebelgranate" spricht der Leitende Sekretär bei den Überstundenzuschlägen, da gleichzeitig von der Ausweitung der Durchrechnungszeiträume gesprochen werde: "Wenn man zusätzlich davon spricht, Mehrstunden von einem Durchrechnungszeitraum in den nächsten zu übertragen, werden diese Mehr- und Überstunden zuschlagsfrei 1:1 ausgeglichen oder eben gar nie." Abgesehen von den juristischen Details verweist Achitz darauf, dass überlange Arbeitszeiten, ob freiwillig oder unfreiwillig, schlecht für die Gesundheit sind. (red/apa)

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