Energiewende : Netzbetreiber melden weniger Noteingriffe ins Stromnetz

Trotz der steigenden Ökostromerzeugung hat es im ersten Halbjahr weniger Noteingriffe zur Stabilisierung der deutschen Stromnetze gegeben. Die vier Übertragungsnetzbetreiber melden für Jänner bis Juni zurückgehende Zahlen. "Unsere Fortschritte beim Netzausbau tragen Früchte", sagte Tennet-Vorstandsmitglied Lex Hartman der Deutschen Presse-Agentur.

Wegen des starken Ausbaus der erneuerbaren Energien bleibe das Netz aber weiter extrem belastet.

Deutsche Energiekonzerne reservieren Kapazitäten in Österreich

Wenn viel Windstrom im Norden erzeugt wird, gibt es regelmäßig Engpässe beim Stromtransport nach Süddeutschland, da die Leitungen dafür nicht ausreichen. Das hat auch direkte Auswirkungen auf die von deutscher Seite in Österreich reservierten Reservekapazitäten für den Notfall.

Die Übertragungsnetzbetreiber lassen dann vor dem Engpass im Norden die Einspeisung von Strom aus konventionellen Kraftwerken senken und im Süden erhöhen. Reicht das nicht aus, müssen zusätzlich Windkraftanlagen ihre Leistung drosseln.

Verbraucher zahlen deutlich mehr

Bezahlen müssen die Noteingriffe die Verbraucher über den Strompreis. 2017 waren dafür Rekordkosten von 1,4 Milliarden Euro angefallen, davon knapp 1 Mrd. Euro bei Tennet. Setzt sich der Rückgang fort, könnten die Stromkunden heuer billiger davonkommen. Allerdings ist die zweite Jahreshälfte meist windreicher, sodass in den Übertragungsnetzen größere Belastungen entstehen.

In den ersten sechs Monaten dieses Jahres musste im Netzgebiet von Tennet, das in der Mitte Deutschlands von Schleswig-Holstein bis in den Süden Bayerns reicht, die Leistung von konventionellen Kraftwerken im Umfang von 3.600 Gigawattstunden gedrosselt oder erhöht werden, um Engpässe auszugleichen. Im Vorjahreszeitraum waren dafür noch 6.000 Gigawattstunden erforderlich.

Die zusätzlich nötige Reduzierung der Leistung von Windparks blieb von Jänner bis Mai mit 1.700 Gigawattstunden nahezu unverändert. Auch von österreichischen Unternehmen wurden im Winter 2017/18 Reservekapazitäten bereitgestellt.

Beim Netzbetreiber 50Hertz, der für das Übertragungsnetz in den ostdeutschen Bundesländern sowie in Hamburg zuständig ist, haben sich die Noteingriffe bei den konventionellen Kraftwerken mehr als halbiert. Sie gingen binnen Jahresfrist von rund 3.400 Gigawattstunden auf etwa 1.250 Gigawattstunden zurück. Die Leistung aus Windkraftanlagen musste im ersten Halbjahr 2018 um 300 Gigawattstunden reduziert werden. Im Vorjahreszeitraum waren es 415 Gigawattstunden.

Auch bei Amprion, dem Betreiber der Übertragungsnetze im Westen, sind die Eingriffe nach Angaben eines Sprechers "eher geringer ausgefallen". Neben dem im Vergleich zu 2017 milderen Winter habe sich auch die deutlich entspanntere Versorgungssituation in Europa ausgewirkt. Bei TransnetBW in Stuttgart hieß es, im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr sei der Umfang der Noteingriffe deutlich gesunken.

Noch keine echte Erleichterung

Eine generelle Trendwende bei den Noteingriffen ist nach Angaben von Tennet aber noch nicht erreicht. Bis alle beschlossenen neuen Leitungen gebaut seien, "werden wir das Stromnetz weiter mit teuren Notmaßnahmen stabilisieren müssen", sagte Hartman.

Zum Rückgang der Noteingriffe im ersten Halbjahr hätten eine neue Höchstspannungsleitung von Thüringen nach Bayern, eine stärkere Verbindung der Höchstspannungsnetze in Schleswig-Holstein und Hamburg sowie eine generell effizientere Nutzung vorhandener Stromleitungen beigetragen, sagte Hartman.

Eine durchgreifende Verbesserung wird von den großen Nord-Süd-Stromautobahnen erwartet, die als Erdkabel gebaut werden und ab 2025 große Mengen an erneuerbarem Strom aus dem Norden Deutschlands in die großen Verbrauchszentren im Süden des Landes transportieren sollen. (dpa/apa/red)