Portrait : "Mit der Ortner-Art habe ich Mitarbeiter in echte Krisen gestürzt"

Rolle von Iris Ortner bei IGO Industries und ihre wegweisenden Initiativen für nachhaltige Bauprojekte und die Förderung von Frauen in Führungspositionen. Wie sie die österreichische Wirtschaft beeinflusst und als Vorbild für zukünftige Generationen von Führungskräften dient.
© Hans Schubert

Wer einen Termin bei Iris Ortner sucht, muss nicht nach Tirol pilgern. Die 44-jährige Managerin ist zumeist nicht in Innsbruck, sondern in den Büros in Wien Liesing, dem südlichsten der Wiener Bezirke, zu finden. Im neuen Bürogebäude der Konzerntochter Bacon hat die Unternehmensholding IGO Industries einen Gebäudeflügel für sich abgezwackt. Dort werden heute die operativen Entscheidungen getroffen.

Arbeitsteilung

Zweckmäßig, aber modern. So wirkt das Gewerbegebäude, in dem Iris Ortner uns empfängt. Wer am Hauptempfang vorbei den Weg zum „Chefinnenflügel“ findet, endet anfangs in einem großzügigen Foyer. Dort haben Iris Ortner und Schwester Nina (39), die soeben aus einer dreijährigen Karenz zurückgekehrte Betriebswirtin, die sich auf den Immobilienbereich der Gruppe konzentriert, ihre Büros. Den Sitzungsraum schmücken zwei goldfarbene, abstrakte Gemälde bei blauem Spannteppich, großem Besprechungstisch und zweckmäßiger Rohrbestuhlung. Das Signal: Hier wird zwar nicht geknausert, aber bestimmt auch nicht geklotzt. Ganz nach der Unternehmensphilosophie des Vaters: So innovativ wie möglich, so konservativ wie nötig. Mit dieser Mentalität hat Senior Klaus Ortner (74) seine Unternehmensgruppe innerhalb von 50 Jahren auf eine internationale Ebene gebracht. Als Haupteigentümer mischt er in grundlegenden Fragen zwar immer noch mit, doch der Generationenwechsel schreitet voran.

Frau Ortner, Sie sind in allen Holdinggesellschaften der IGO-Ortner-Gruppe in der Geschäftsführung – stets an der Seite Ihres Vaters. Wie werden Entscheidungen heute gefällt?

Iris Ortner Mein Vater wird sich immer das Recht nehmen, seine Ideen einzubringen und seine Meinung zu sagen. Aber er wird weniger streng mit sich: Vor fünf Jahren ist er wirklich noch um sieben Uhr früh im Büro gesessen und war in sehr vielen operativen Details aktiv. Das ist heute nicht mehr so – auch wenn er sich dafür mitunter entschuldigt. Aus dem operativen Geschäft hat er sich aber sehr weit zurückgezogen. Und wichtige Entscheidungen treffen wir gemeinsam.

Wie verändert Ihre Führung die Kultur der Entscheidungsfindung?

Ortner Mein Vater hat mit seinem Team ständig Gespräche geführt und diskutiert. Am Ende des Tages hat er aber allein die Entscheidungen getroffen. Das war effizient und praktisch immer richtig. Aber das geht heute mit unserer Unternehmensgröße nicht mehr. Wir haben dafür nicht nur zu viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern verfügen auch über zu viele Standorte und Tätigkeitsbereiche, um mit dieser Führungskultur weiter erfolgreich zu sein. Das weiß er und das wissen wir. Wesentliche Teile unserer Gruppe werden von familienfremden Managerinnen und Managern geführt. Und wir haben unsere Entscheidungsstrukturen dem- entsprechend angepasst.

Ihr Unternehmen hat in den letzten Jahren extrem expandiert. Mittlerweile beschäftigt die IGO-Gruppe rund 23.500 Mitarbeiter. Soll das Wachstum so rasant weitergehen?

Ortner Die große Aufgabe, die wir jetzt anpacken, ist, zueinander zu finden. Große Wachstumsschritte haben wir nicht geplant. Ich will in fünf Jahren ein profitables, gut funktionierendes Unter- nehmen haben. Wenn es dabei mehr Umsatz an mehr Standorten gibt, ist mir das recht. Aber wir werden nicht aus Prinzip expandieren.

Wie schwierig ist es, die verschiedenen Firmenkulturen zusammenzuführen?

Ortner Es sind die Details, die Zusammenarbeit behindern. Wenn Sie bei einem Ortner-Betrieb ein- und ausgehen, dann wird sehr selten die Hand geschüttelt. Wir grüßen einander, aber wir geben uns kaum die Hand. Das hat keinen Grund und ist eigentlich auch nicht wichtig. Wenn Sie bei Bacon oder bei ELIN zu einem der regelmäßigen Treffen kommen, dann schüttelt jeder jedem die Hand. Und als ich 2014 in die Geschäftsleitung von Bacon gegangen bin, da habe ich meine Ortner-Art mitgebracht. Dadurch habe ich unbewusst meine Mitarbeiter in echte Krisen gestürzt. Da tauchten Fragen auf wie: Ist sie böse? Habe ich etwas falsch gemacht? Sie sehen, wie unterschiedliche Kulturen auch im Kleinen zu Missverständnissen führen. Da sind wir dabei, ein gemeinsames Denken aufzubauen.

Und wie wird jetzt gegrüßt?

Ortner Noch immer unterschiedlich, aber wir können darüber schmunzeln.

Nicht viele Frauen studieren Maschinenbau – und absolvieren ihr Studium an der renommierten ETH in Zürich. Wie schwierig ist es, immer die einzige oder eine von ganz wenigen Frauen im Geschäft zu sein?

Ortner Es war für mich immer Normalität. Wir waren schon im Kalksburger Gymnasium zu meiner Zeit 50 Mädel zu 500 Burschen. Die Geschlechterfrage hat in meiner Karriere nie eine große Rolle gespielt. Aber freilich war ich als Tochter des Eigentümers immer privilegiert.

Erfahrungen mit geschlechterspezifischen Herabsetzungen mussten Sie nie machen?

Ortner Sicher weniger als die „Durchschnitts“-Karrierefrau in unserer Branche. Aber ab und zu bekam auch ich Dinge zu hören, die schwierig zu verdauen waren. Einmal hat jemand auf einer Baustelle gemeint, das sei jetzt nicht der Zeitpunkt, ein Problem mit Augenaufschlag zu lösen. Das hat mich sehr getroffen. Ich war damals so wütend, dass es mir beinahe die Tränen in die Augen getrieben hat. Ich habe mich dann auch zu wehren gewusst. Das waren aber wenige Ausnahmen. Ich war natürlich durch meine Stellung immer in einem günstigen Umfeld, das mir erlaubt hat, derartige Dinge gar nicht an mich heranzulassen.

Haben Frauen in Entscheidungsfunktionen immer noch einen Startnachteil?

Ortner Die geringe Zahl an Frauen in Führungspositionen ist Tatsache. Aus meiner Beobachtung schließe ich, dass es vermehrt Familienbetriebe sind, in denen Frauen die Geschäftsführung erreichen. Ich habe immer den Anspruch gestellt, die gleichen Chancen zu haben wie ein Mann. Aber eins ist klar: Viele Frauen – auch in privilegierter Position – sehen sich vor die Wahl gestellt, ob sie intensiv Familie oder intensiv das Unternehmen leben möchten. Diese Lebensentscheidung muss kein Mann treffen.

Frau Ortner, Ihre Gruppe war immer so ertragreich, dass Ihr Vater ständig auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten war. Wie wird man so liquide?

Ortner Dazu sollte man schon wissen, dass die Familie jahrzehntelang keine Dividende aus der Firma gezogen hat. Das meine ich auch, wenn ich von solider Basis spreche. Und nur so sind dann Investments wie bei der Porr erklärbar. Meine Schwester und ich sind der Meinung, dass wir daran nichts ändern wollen.

Welchen Stellenwert hat das Porr-Investment für Sie persönlich?

Ortner Ich weiß, dass die Porr-Beteiligung für meinen Vater mitunter sehr aufreibend war – speziell in den Anfängen. Wir haben immer an das Unternehmen und dessen technische Kompetenz geglaubt. Nach dem Umbau der Porr und der Überführung in die neue Eigentümerstruktur hat sich unser Glauben an das Unternehmen bestätigt. Ich bin auch überzeugt, dass es dem Unternehmen gut tut, mit dem Syndikat Ortner-Strauss über klare Eigentümerstrukturen zu verfügen.

Zur Person

Iris Ortner, 44, hatte ihren Lebensmittelpunkt immer in Wien, auch wenn sie sich in der Wahl zwischen Tirol und Bundeshauptstadt als „Reisende der Herzen“ bezeichnet: Sie maturierte am Kalksburger Gymnasium und studierte an der ETH Zürich Maschinenbau. „Die Technik liegt mir im Blut“, meint Iris Ortner in der Selbstbeschreibung. Nach Abschluss des Studiums ging die 23-Jährige 1997 nach Polen, um beim Aufbau der dortigen Niederlassung – ausgestattet mit weiten Entscheidungsbefugnissen – mitzuhelfen. Sie lernte die Landessprache und formte die Grundstrukturen der heutigen TKT, der wichtigsten Auslands- tochter der IGO-Ortner-Gruppe. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich war sie in verschiedenen Positionen im Unternehmen tätig, bis sie 2010 in die Geschäftsführung der Beteiligungsholding IGO Industries und in die Geschäftsführung und Aufsichtsräte aller operativen IGO-Ortner-Divisionen (Porr, UBM Development, Elin) aufrückte. Nach einem vollständigen Rückzug ihres Vaters gilt Iris Ortner als Nachfolgerin in der Alleingeschäftsführung. Sie hält – ebenso wie ihre Schwester Nina (39) – je 12,5 Prozent der IGO Industries, der Beteiligungsholding der IGO-Ortner-Gruppe. 72 Prozent kontrolliert Vater Klaus, 74.