Strategie : Mercedes-Benz: Elektroantriebe, Einschnitte und höhere Preise

Daimler will bei seiner Pkw-Tochter Mercedes-Benz mit Einsparungen und höheren Verkaufspreisen beim Umschwung zu Elektromobilität profitabel bleiben. "Wir werden die Strukturkosten angehen und wollen eine starke und nachhaltige Profitabilität erreichen", erklärte Konzernchef Ola Källenius, der auch Vorstandschef der Mercedes-Benz AG ist, bei einer Strategiekonferenz.

Bis 2025 will der zuletzt stark schlingernde Autobauer Fixkosten, Investitionen und Entwicklungsausgaben um mehr als 20 Prozent oder rund sechs Mrd. Euro gegenüber 2019 senken. Die Marke mit dem Stern treibt zugleich den Ausbau ihres Angebots an Elektroautos voran mit mehr als 20 reinen batterieelektrischen Modellen bis 2030.

Deutlicher als bisher setzte sich Källenius, der seit Mai 2019 an der Spitze des Konzerns steht, von seinem Vorgänger Dieter Zetsche ab. Mercedes habe vieles richtig gemacht und die Position als weltweit führende Premiummarke mit der höchsten Verkaufszahl errungen. Doch der Absatzerfolg, den Mercedes auch dank der weniger rentablen Kompaktwagen erzielte, sei nicht genug in Gewinn umgemünzt worden.

Daimler will führender Elektroautobauer werden

Daimler soll nach den Worten seines Vorstands in den kommenden Jahren zum weltweit führenden Elektro-Autobauer werden. Man strebe "die führende Position" bei Elektroantrieben und Fahrzeug-Software an, teilte der deutsche Konzern bei einer digitalen Investorenkonferenz in Stuttgart mit. In diesem Zuge kündigte das Unternehmen neue Elektrofahrzeuge an.

Zugleich will Daimler die Fixkosten bei Mercedes-Benz - etwa durch Einsparungen beim Personal - im Vergleich zu 2019 um 20 Prozent drücken. Obendrein sollen bis zum Jahr 2025 auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben deutlich sinken. Im zweiten Quartal hatte Daimler rund zwei Milliarden Euro Verlust eingefahren. Standortübergreifend war zuletzt der Abbau von 10.000 bis 15.000 der weltweit rund 300.000 Daimler-Stellen kolportiert worden. Medien hatten sogar von bis zu 30.000 Stellen berichtet. Die Zahlen kommentierte der Autobauer bisher nicht.

Die neue Strategie solle dazu führen, das Unternehmen technologisch und finanziell zu neuer Stärke zu führen, teilte der Konzern mit. Man strebe bis 2025 bei Mercedes-Benz eine Umsatzrendite "im mittleren bis hohen einstelligen Prozent-Bereich" an. Die Umsatzrendite ist Maßstab für die Profitabilität eines Unternehmens; je höher die Prozentzahl ist, desto mehr Gewinn holt das Unternehmen aus jedem Euro Umsatz heraus.

"Kein Wettbewerber der Volumenhersteller"

Der 51-jährige Schwede setzt deshalb stärker auf Klasse statt Masse: "Wir wollen kein Wettbewerber der Volumenhersteller werden", erklärte Källenius. "Wir steigen aus dem Kompaktsegment nicht aus, aber wir werden wählerischer." Das bedeute, die vielleicht 100.000 oder 200.000 Autos, die sich nicht lohnten, "schneiden wir ab". Zetsche selbst machte kürzlich einen Schnitt beim Kapitel Daimler. Der Topmanager mit dem markanten Schnauzbart hätte eigentlich 2021 den Vorsitz des Aufsichtsrats übernehmen sollen. Er gab den Plan nach massiver Kritik von Investoren und deren Ruf nach einem Neuanfang auf.

Finanzchef Harald Wilhelm gab als Parole aus, im Vordergrund stehe jetzt die Marge. Das Unternehmen müsse auch in sonnigen Marktphasen die Kosten im Zaum halten, um dann auch in stürmischen Zeiten profitabel zu sein, betonte Wilhelm. Auch mit höheren Preisen und mehr wiederkehrenden Umsätzen mit digitalen Diensten wollen die Schwaben die operative Rendite wieder nach oben schrauben. Mit gerade dreieinhalb Prozent trug Mercedes-Benz im vergangenen Jahr die rote Laterne in der deutschen Autoindustrie.

Bis 2025 strebe Mercedes eine Umsatzrendite von acht bis zehn Prozent an, ergänzte Wilhelm. In besonders guten Zeiten mit einem Jahresabsatz von etwa 2,5 Millionen Fahrzeugen hält er mehr als zehn Prozent Umsatzrendite für möglich. Eine so hohe Rendite hatte Mercedes unter Führung Zetsches bisher nur 2015 erreicht.

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Die Entwicklung von Elektroantrieben und Fahrzeug-Software soll beschleunigt werden. Ein spezielles Entwicklerteam soll dafür sorgen, die Reichweite des Elektroantriebs zu steigern und ihn kostengünstiger zu machen. Mitte des Jahrzehnts sollen die Kosten des Elektroantriebs deutlich unter 100 Dollar pro Kilowattstunde sinken und damit auf ein Niveau, das Experten zufolge bei den Kosten einen Gleichstand mit den noch viel billigeren Autos mit Verbrennungsmotor bringt.

Neue Plattform für Elektrofahrzeuge

Ab 2021 will Mercedes vier neue Fahrzeuge auf der neuen Elektro-Plattform EVA bauen: Jeweils eine Limousine und ein SUV der beiden teuersten Baureihen S- und E-Klasse. Bis 2030 wollen die Schwaben mehr als 20 reine E-Autos und zwei Dutzend Plug-in-Hybride im Angebot haben und damit, wie schon länger angekündigt, mehr als 50 Prozent des Absatzes bestreiten. Für kleine und mittelgroße E-Autos wird eine eigene Plattform entwickelt. Mercedes mache jetzt den Sprung vom Verbrenner- zum Elektroautounternehmen, sagte Entwicklungschef Markus Schäfer.

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Die Investitionen in Verbrennungsmotoren sollten schnell zurückgehen und die Zahl der Varianten bis 2030 um 70 Prozent sinken. "Wir sind zuversichtlich darüber, wo wir im Vergleich mit der Konkurrenz stehen." Daimler wird von Investorenseite vorgeworfen, sich zuletzt zu sehr auf den Erfolgen der zurückliegenden Jahre ausgeruht und wichtige Weichenstellungen vor allem für den Umstieg auf die E-Mobilität verschlafen zu haben. Die derzeitige Krise sei - einmal abgesehen von unmittelbaren Folgen der Coronapandemie - hausgemacht. Die Krise hatte die Transformation von Verbrenner- zu Elektromotoren in der ganzen Autobranche zuletzt beschleunigt.

Wieder keine Angaben über Zahl der Arbeitsplätze, die verschwinden sollen

Wie viele Arbeitsplätze im Zuge der Neuausrichtung abgebaut werden sollen, bezifferte das Management erneut nicht. Hier wird über den Abbau von 20.000 bis 30.000 der weltweit rund 300.000 Stellen spekuliert. Bisher hätten fast 5.000 Beschäftigte ein Abfindungspaket zum freiwilligen Ausscheiden akzeptiert, sagte Wilhelm. Der Betriebsrat des größten Komponentenwerks Untertürkheim hatte kürzlich bekannt gegeben, dass der Plan ein Wegfall von rund 4.000 der 19.000 Jobs bedeutet.

Betriebsratsvorsitzender Michael Häberle kündigte Widerstand an. Daimler wolle jetzt schnell Verbrennertechnologie aus Deutschland nach Osteuropa verlagern, biete aber nicht genug alternative Beschäftigungsmöglichkeiten mit dem geplanten Kompetenzzentrum für Elektromobilität. "Wir brauchen die Zeit, um uns auf den Wandel einzustellen", forderte Häberle. (reuters/dpa/apa/red)

Der Gesamtbetriebsratschef des deutschen Autobauers Daimler, Michael Brecht, warnt seinen Arbeitgeber vor einer reinen Fokussierung auf die Elektromobilität. Man dürfe nicht alles auf diese Karte setzen, sagte Brecht der "Automobilwoche". "Elektromobilität ist wichtig, ja. Es ist aber auch ein Hype darum entstanden, der politisch und gesellschaftlich befeuert wird."

Man dürfe herkömmliche Verbrennungsmotoren nicht immer verteufeln. "Die Gesamtklimabilanz ist wichtig, nicht die Antriebsart. Wer ohne Verbrenner plant, schlägt all denjenigen Kolleginnen und Kollegen ins Gesicht, die seit Jahrzehnten in diesen Bereichen eine hervorragende Arbeit leisten und diese Technik weiter verbessern."

"Gesamtklimabilanz ist wichtig, nicht die Antriebsart"

Elektromotoren seien kein Allheilmittel für die Zukunft, auch hier stellten sich viele Grundsatzfragen - beispielsweise, ob die Batterien in ausreichender Stückzahl verfügbar seien, woher die Rohstoffe dafür kämen, wie die Ladeinfrastruktur vorankomme.

Der Daimler-Vorstand will den kriselnden Konzern laut einem vorgestellten Konzept zum weltweit führenden Elektro-Autobauer umbauen. In diesem Zusammenhang sollen elektrifizierte Fahrzeuge schon bis 2030 mehr als 50 Prozent des Absatzes ausmachen, zugleich soll der Bestand an Verbrennermodellen im gleichen Zeitraum um 70 Prozent reduziert werden.

Zugleich will das Unternehmen - auch angesichts tiefroter Zahlen im zweiten Quartal - sparen, nicht zuletzt beim Personal. Zuletzt war der Abbau von 10.000 bis 15.000 der weltweit rund 300.000 Stellen kolportiert worden. Einzelne Medien hatten sogar von bis zu 30.000 Stellen berichtet. Die Zahlen kommentiert Daimler nicht. Brecht sagte, faktisch machten die Personalkosten weniger als 15 Prozent der Gesamtkosten aus. "Da muss dem Unternehmen mehr einfallen, als uns jedes Mal die Personalkosten um die Ohren zu hauen." (dpa/apa/red)