Brexit : Mehrheit im britischen Unterhaus billigt den Brexit: "Große Zukunft ohne EU"

London Tower Bridge
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Gerade noch rechtzeitig vor dem endgültigen Ausscheiden Großbritanniens aus der EU hat das britische Unterhaus dem Brexit-Handelspakt zugestimmt. Mit überwältigender Mehrheit votierten die Abgeordneten des House of Commons für das entsprechende Ratifizierungsgesetz - mit 521 zu 73 Stimmen. Zum Jahreswechsel in der Nacht auf Freitag endet die Brexit-Übergangsphase und damit Großbritanniens Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion.

Ein sichtlich gut gelaunter Premierminister Boris Johnson unterzeichnete den Vertrag in seinem Amtssitz in der Downing Street, hinter ihm vier britische Flaggen - und kein EU-Symbol weit und breit. "Ihr fragt Euch alle, ob ich ihn gelesen habe. Die Antwort lautet: Ja", scherzte der Regierungschef mit den Journalisten, bevor er seine rechte Hand auf das knapp 1.250 Seiten dicke Vertragswerk legte. Er bezeichnete es als Grundlage für eine "wundervolle Beziehung". Für Johnson bedeutet der Abschluss der Brexit-Verhandlungen einen großen Triumph.

In Kraft treten sollte das Gesetz erst, wenn auch das Oberhaus dafür votiert und Queen Elizabeth II. ihre formelle Zustimmung gegeben hat. Das wurde für die frühen Morgenstunden am Donnerstag erwartet. Es galt als sicher, dass das Gesetz auch in der zweiten Kammer, dem House of Lords, eine Mehrheit finden würde. Der Vertrag kann dann vorerst nur vorläufig angewendet werden, weil für eine Ratifizierung durch das Europaparlament vor dem Jahresende die Zeit fehlte. Das Europaparlament will den Text noch genau prüfen. Anvisiert wird eine Abstimmung im neuen Jahr.

Die EU-Spitze hatte den Brexit-Handelspakt bereits zuvor unterzeichnet. Nachdem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel das Dokument signiert hatten, wurde es mit einer Maschine der britischen Luftwaffe nach London geflogen.

Das knapp 1.250 Seiten starke Handels- und Partnerschaftsabkommen regelt die wirtschaftlichen Beziehungen nach der Brexit-Übergangsphase ab dem 1. Jänner. Damit werden Zölle vermieden und Reibungsverluste im Handel möglichst gering gehalten. Zugleich werden viele andere Themen geregelt, darunter Fischfang und Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei.

Am Vormittag hatte der Premierminister mit viel Pathos im Unterhaus für den Deal geworben - als historische Chance und nationale Erfüllung gleichermaßen. Nun hätten die "alten, ausgetrockneten, müden, ausgelutschten Argumente" ein Ende, die das Land seit Jahren verfolgten, sagte Johnson. Endlich könne Großbritannien in eine "neue und große Zukunft" vorzudringen.

"Im Kern dieses Gesetzesentwurfs steckt eines der größten Freihandelsabkommen der Welt", sagte Johnson zum Auftakt der Debatte im Unterhaus in London. Es werde Unternehmen ermöglichen, den Handel mit der EU noch zu intensivieren, so der Regierungschef. Auch die größte Oppositionspartei Labour stimmte zähneknirschend zu. Ihr Chef Keir Starmer sagte, das Abkommen sei "dünn" und "mit vielen Makeln behaftet". Es sei jedoch besser als ein No Deal, der Preissteigerungen zur Folge hätte und Unternehmen an den Rand der Existenz bringen könnte.

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Scharfe Kritik kam vor allem aus Schottland: Regierungschefin Nicola Sturgeon wetterte vor dem Regionalparlament in Edinburgh gegen den "faulen Brexit, den Schottland die ganze Zeit abgelehnt hat". Das schottische Parlament lehnte daraufhin den Brexit-Handelspakt ab. Die Abgeordneten stimmten mit 92 zu 30 Stimmen für eine Entschließung, nach der das Abkommen "Schottlands ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen ernsthaften Schaden" zufüge. Das Votum hat keinen Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess im britischen Parlament in London.

Der britische Staatsminister Michael Gove warf Sturgeons Schottischer Nationalpartei (SNP) vor, ihren "engstirnigen" Nationalismus über das nationale Wohl des Landes zu stellen. Die SNP strebt die Loslösung von Großbritannien an - der Brexit könnte dabei helfen. Denn die Schotten hatten beim Brexit-Referendum 2016 für den Verbleib in der EU gestimmt, in Umfragen spricht sich seit Monaten eine Mehrheit für die Unabhängigkeit von Großbritannien aus.

Großbritannien und die EU hatten sich erst am 24. Dezember auf den Vertrag geeinigt. Großbritannien war bereits Ende Jänner 2020 aus der EU ausgetreten, zum neuen Jahr endet auch die Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. (dpa/reuters/apa/red)