Krisenbewältigung : Siemens-Boss Hesoun: „Man hat die Unvernunft unterschätzt“

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© Photo Simonis Wien - Austria

Die Coronakrise trifft so einige Unternehmen. Ob Siemens dazu gehört, muss relativ gesehen werden. Die Gewinnprognosen wurden zuletzt übertroffen. Doch wen lässt eine Pandemie schon kalt? Wolfgang Hesoun, Generaldirektor von Siemens Österreich, ärgert sich beim Interview mit INDUSTRIEMAGAZIN merklich über Impfgegner und Impfverweigerer. „Man hat die Unvernunft unterschätzt“, sagt er. „Und was nicht zu übersehen ist: All das ist ein hochgefährlicher Nährboden für in ihrer Substanz radikale Parteien. Trump-Amerika ist da nur die Blaupause für etwas, das sich leider auch bei uns herausgebildet hat.“

Eigentlich hatte Hesoun auf die weit entfernte Herdenimmunität gehofft. Dass es jetzt wieder einen Lockdown gibt, überrascht ihn wenig. „Ich bin Befürworter der Impfpflicht. Alleine deshalb, weil es sich dabei eben nicht um reine Eigenschutzaktionen handelt. Warum sollte es anders sein als im Straßenverkehr. Dort gibt es auch gesetzliche Regeln für Gefährder.“

Bei Siemens derweil gibt es eine Durchimpfungsrate höher als in Portugal – beeindruckende 92 Prozent in Hesouns Mitarbeiterstab von 8.800 Menschen. Auch mit viel Testen wurde das Virus weitestgehend von der Organisation ferngehalten. „Das ist ein Verdienst, der auf die Vernunft der Mitarbeiter zurückzuführen ist. Aber auch auf die Überzeugung, als Unternehmen alles erdenkliche tun zu müssen, um die Mitarbeiter zu schützen, indem wir die Notwendigkeit von Impfschutz in den Vordergrund gerückt haben.“

„Beim Erfolg kommt es auf die Vertrauensfrage an“

Hesoun ist damit anderer Meinung als Thomas Salzer, Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich, der es nicht als Aufgabe der Unternehmen sieht, die Mitarbeiter vom Impfen zu überzeugen. Bei Siemens hingegen wurden Plakate aufgehängt, im Betrieb geimpft und der Generaldirektor persönlich schickte Rundschreiben aus.

Gerade wenn die öffentliche Hand es verabsäume, müsse die Unternehmensführung klare Informationspolitik leben. „Informationsportale, die alternative Fakten streuen, regionale Gruppen, die ihre eigene radikale Agenda verfolgen – das ist alles Unsinn“, sagt Hesoun deutlich. Der 300.000 Mitarbeiter starke Konzern gibt ihm Rückendeckung.

Einer davon ist CEO Roland Busch, der in seinem ersten Geschäftsjahr einen höchst erfolgreichen Start hinlegte. Die strategische Neuausrichtung des Konzerns ließe die guten Ergebnisse zu, erklärt Hesoun. „Und Roland Busch nutzt diese Dynamik. In unseren Kernsegmenten der digitalisierten Industrie und der smarten Infrastruktur.“ Worauf es beim Erfolg ankommt, ist die Vertrauensfrage, die sich Kunden regelmäßig stellen. „Ist Siemens immer noch das Unternehmen, das man an die Kernprozesse heranlassen will? Die Frage können wir in unserer Region sehr klar beantworten: Im Konzern erzielen wir die mit Abstand größte Durchdringung des Markts.“

„All das ist ein hochgefährlicher Nährboden“

Der Erfolg lässt auch zu, dass der Konzern den Mitarbeitern gegenüber Sicherheit vermitteln kann – selbst in Zeiten von Corona und Engpässen in den Lieferketten. Laut Hesoun gab es keinen einzigen Tag Kurzarbeit in seinem Betrieb. Dass sich an dem guten Kurs schon bald wieder etwas ändern könnte, wenn die Schuldenbremse gezogen wird – etwa von einem großen Abnehmer wie den ÖBB –, glaubt er nicht. „Ich sehe im öffentlichen Verkehr auch weiterhin keinen Rückgang. Vielmehr ist der Nachholbedarf der letzten Jahrzehnte evident. Die ÖBB investiert massiv. Aber eigentlich immer noch, um ihren Fuhrpark auf das 21. Jahrhundert auszurichten. Das schafft für uns unendlich viele Möglichkeiten.“

Und Siemens ist tatsächlich viel beschäftigt. Dieses Jahr brachte das Unternehmen den ersten industriellen 5G-Router heraus, mit dem sich lokale Industrieanwendungen mit öffentlichen Mobilfunknetzen verbinden lassen können. Und für BMW in Steyr liefert das Unternehmen eine neue Generation von CNC-Steuerungen für die Herstellung von E-Antriebsgehäusen.

„Warum sollte es anders sein als im Autoverkehr“

Zudem ist – mit Blick auf die digitale Industrie und smarte Infrastruktur – der Bedarf an Prozessneuerungen zur Produktionssteigerung weiterhin sehr hoch. Eine Flaute in naher Zukunft wittert Hesoun hier eindeutig nicht.

Was Produktionen betrifft, gibt es auch noch ein ganz anderes Thema. Denn kaum wo auf der Welt wird so wenig klimaschädlich produziert wie in Österreich. Hesoun hält eine CO2-Bepreisung für sinnvoll, wenn sie Schieflagen im Markt korrigiert. Die Realisierbarkeit sei mangels definierter Ziele aber oft eine andere Frage. Und nennt als Beispiel das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz: „Der Gesetzgeber fordert bis 2030 die Steigerung der jährlichen Stromerzeugung aus Wasserkraft um fünf Terawattstunden. Wenn man weiß, wie viel Zeit die Umsetzung von Wasserkraftprojekten in Anspruch nimmt, dann fehlt einem der Glaube an die Realisierbarkeit.“

Das ausführliche Interview mit Wolfgang Hesoun lesen Sie hier: Die Methode Hesoun