Erdgas : LNG nach Europa: Washington könnte einen groß angelegten Plan verfolgen

US-Präsident Donald Trump setzt die EU nicht nur bei Stahl und Autos massiv unter Druck. In Brüssel und Berlin sehen hochrangige Vertreter inzwischen einen großangelegten Plan, um bisher nicht konkurrenzfähiges US-Flüssiggas auf den europäischen Markt zu drücken - indem über die Iran-Sanktionen ein wichtiger Konkurrent ausgeschaltet wird und Washington massiven politischen Druck gegen die Russland-Pipeline Nord Stream 2 aufbaut.

Stehen hinter der Politik zu Iran und Nord Stream 2 einfach US-Exportinteressen?

Mit dem Ausstieg aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran führen die USA auch eine ganze Reihe von Wirtschaftssanktionen gegen Teheran wieder ein. "Die amerikanischen Sanktionen werden die iranischen Gas-Exporte Richtung Europa beeinträchtigen", sagt ein EU-Vertreter. "Es handelt sich um einen neuen Versuch, eine Versorgungsquelle zu begrenzen, damit amerikanisches Flüssiggas leichter und ohne Konkurrenz nach Europa eingeführt werden kann."

"Ich glaube nicht, dass dies das Hauptziel der Sanktionen gegen den Iran ist, aber sicher ein Nebeneffekt", sagt Marc-Antoine Eyl-Mazzega vom französischen Institut für internationale Beziehungen (Ifri). Klar sei, dass europäische Großkonzerne wegen der US-Sanktionen nun nicht mehr im Iran in die Gasförderung investieren würden.

Druck auf zwei Länder mit besonders viel Erdgas

Der Iran verfügt noch vor Russland über die größten Gasreserven der Welt. Das Land ist aber auf Unterstützung internationaler Konzerne angewiesen, um den Rohstoff-Schatz zu heben. Wegen der US-Sanktionen hat der französische Energieriese Total bereits erklärt, er werde ein milliardenschweres Gasprojekt aufgeben, wenn er nicht von Washington direkt eine Ausnahme bekomme.

Die USA haben ihrerseits die Produktion von Schiefergas in den vergangenen Jahren massiv hochgefahren und suchen weltweit Absatzmärkte. Im vergangenen Jahr wurden 17,2 Milliarden Kubikmeter exportiert. Lediglich 2,2 Prozent davon gingen in die EU. Das liegt auch daran, dass es in Europa bisher wenig Terminals zur Abnahme von Flüssiggas gibt. Denn nur in dieser Form lässt sich das US-Gas über den Atlantik exportieren. Der Transport macht das Gas aber vergleichsweise teuer.

EU ist ein sehr lukrativer Absatzmarkt für GasiImporte

Die EU-Staaten müssen ihrerseits zwei Drittel ihres Gasbedarfs importieren, die Hälfte davon kommt aus Russland. Nach Lieferunterbrechungen Richtung Europa wegen Streits zwischen der Ukraine und dem russischen Gazprom-Konzern im vergangenen Jahrzehnt ist es Ziel der EU-Kommission, die Abhängigkeit von Moskau im Energiebereich zu verringern. Der nicht in diese Strategie passende Beschluss zum Bau von Nord Stream 2 hatte deshalb Ende 2015 zu einer heftigen Kontroverse beim EU-Gipfel geführt.

Nun macht Washington massiv gegen die Pipeline mobil. "Ein weiterer Konkurrent im Visier ist Russland und sein Leuchtturmprojekt Nord Stream 2", sagt der EU-Vertreter.

Dass Trump das Projekt verhindern will, ist längst auch in Berlin angekommen. "Die Amerikaner träumen von einer Flüssiggas-Quote", also einer garantierten Abnahmemenge durch Europa, heißt es aus deutschen Regierungskreisen. Eine US-Delegation sei derzeit in Europa unterwegs, "um Stimmung zu machen gegen Nord Stream 2".

Auch Gerhard Schröder, früherer deutscher Bundeskanzler und heutiger Lobbyist im Dienste von Gazprom und Rosneft, vermutet Konkurrenzinteressen hinter dem Widerstand von EU und USA gegen die geplante Ostseepipeline Nord Stream 2. Ausführlich dazu auf der nächsten Seite >>

Die zwei noch ausstehenden Genehmigungen für Nord Stream 2

Im Fokus der Lobbyisten aus Washington dürften Dänemark und Schweden stehen. Beide Länder müssen den Bau der Pipeline durch die Ostsee noch genehmigen - ein Projekt unter maßgeblicher Beteiligung der OMV.

Abblocken will aber auch die deutsche Regierung Trumps Flüssiggasoffensive nicht. Die Europäer müssten Washington etwas anbieten, heißt es. Das haben die EU-Staats- und Regierungschefs im Streit um die Strafzölle auf Stahl- und Aluminium bereits. Bei ihrem Gipfel in Sofia vergangene Woche nannten sie Zugeständnisse bei der Lieferung von Flüssiggas als einen möglichen Bereich für künftige Handelsgespräche.

Die soll es nach bisheriger Strategie aber nur geben, wenn Trump der EU eine dauerhafte Ausnahme bei den Stahl- und Aluminiumzöllen gewährt. Noch vor Ende der vorläufigen Ausnahme am 1. Juni lässt der US-Präsident nun aber bereits höhere Zölle auf Auto-Importe prüfen. Jetzt muss sich zeigen, wer im großen Handels-Poker länger die Nerven behält. (afp/apa/red)

Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder vermutet Konkurrenzinteressen hinter dem Widerstand von EU und USA gegen die geplante Ostseepipeline Nord Stream 2. "Der Verdacht drängt sich auf, dass die USA nicht aus Solidarität mit einigen europäischen Ländern, sondern aus eigensüchtigen Interessen versuchen, Nord Stream 2 zu verhindern."

Das sagte Schröder als Präsident des Verwaltungsrates von Nord Stream 2 beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Die USA wollten ihr aus Fracking gewonnenes Erdgas "in den europäischen Markt drücken".

Unparteiisch ist allerdings auch Schröder keineswegs: Der deutsche Altkanzler wird wegen seines Engagements für die vom Kreml kontrollierten Konzerne Gazprom und Rosneft immer wieder scharf kritisiert.

"Noch nie eine rationale Begründung gehört"

Auch aus Brüssel habe er noch nie eine "rationale Begründung" der Einwände gegen das Projekt gehört, sagte Schröder. Westeuropa brauche das zusätzliche Erdgas aus Russland. "Man kann nur hoffen, dass die Europäische Union die Kraft findet, ihre eigenen Interessen und die Interessen ihrer Mitgliedsstaaten zu wahren", sagte Schröder.

Die neue Leitung von Russland nach Deutschland soll vom russischen Gasriesen Gazprom gebaut werden unter Beteiligung von fünf westeuropäischen Energiekonzernen. Die EU-Kommission befürchtet, dass damit die Abhängigkeit von russischem Gas wächst. Die Ukraine will nicht als Transitland ausgeschlossen werden. Die USA drohen mit Sanktionen gegen das Vorhaben.

Schröder lobte die "rationale Einigung" zwischen Kanzlerin Angela Merkel und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vergangene Woche, dass Europa alle Pipelines brauche, auch durch die Ukraine. (dpa/apa/red)