Deutschland : Kritik der deutschen Industrie an Merkel und AKK wird lauter

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Tag der Industrie auf Kritik der Industrie reagiert, wonach Unternehmen in Deutschland zu viel Steuern bezahlen müssten. Sie kündigte an, dass die Regierung über eine Entlastung der Unternehmen nachdenken werde: "Ich werde Herrn Scholz noch heute eine SMS schreiben", sagte sie mit Verweis auf Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

Sie verwies darauf, dass die Steuersenkungen in den USA erst ein Jahr her seien. "Die Wettbewerbsverhältnisse haben sich erst vor kurzem sehr zu unseren Ungunsten verschoben", sagte Merkel. Sie verteidigte zudem die steuerliche Absetzbarkeit für Forschungsausgaben gerade mittelständischer Firmen. Zudem werde die Regierung jetzt die verabredete Abschmelzung des Solidarbeitrags (Soli) für 90 Prozent der Bürger angehen.

Merkel musste die Arbeit ihrer Regierung gegen Kritik aus der Industrie verteidigt. "Wir sehen die Herausforderungen", sagte Merkel am Dienstag auf dem Tag der Industrie in Berlin und verwies auf zahlreiche Initiativen der Berliner Regierung im Bereich des Netzausbaus, Arbeitsmarkts und der Digitalisierung, von denen die Unternehmen profitieren würden.

Ablehnung von Merkel und AKK bei Familienunternehmen

Gleichzeitig üben auch Deutschlands Familienunternehmer immer stärkere Kritik an der neuen CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die deutsche Familienunternehmerin Astrid Hamker sagt gegenüber dem "Handelsblatt": "Das schlechte Wahlergebnis bei der Europawahl kommt nicht aus heiterem Himmel, ist Folge der inhaltlichen Entkernung seit über einem Jahrzehnt.

Reinhold Würth, Gründer des gleichnamigen Herstellers von Baumaterialien, sagt gegenüber der "Bild-Zeitung", CDU von Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer sei für ihn nicht mehr wählbar. Er habe deshalb bei der Europawahl die Grünen unterstützt. AKK habe "von Wirtschaft nicht viel Ahnung und das elegante, glatte Parteipolitikreden haben wir genug im Land.“

"Ablehnung bei der Jugend, Desinteresse im Bürgertum und Befremden bei der Wirtschaftselite"

Der Kommentar des deutschen Publizisten Gabor Steingart dazu: "Die CDU-Funktionäre in Präsidium, Vorstand und Fraktion sollten sich über die Tiefe und Breite dieser Anti-AKK-Bewegung nicht täuschen. Die Frau stößt bei der Jugend auf Ablehnung, im Bürgertum auf Desinteresse und bei der Wirtschaftselite auf Befremden. Auf diesem Fundament lässt sich keine neue Kirche bauen."

Schwere Kritik des BDI an Merkels Kurs

Zuvor hatte der Chef des einladenden Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, Merkels Politik schwer angegriffen. Die große Koalition stehe für das "mutlose Abarbeiten kleinteiliger Sozialpolitik und ein ungesundes Maß an Umverteilung", kritisierte Kempf. "Die Regierungspolitik schadet den Unternehmen."

Auf diesen Vorwurf erwiderte Merkel: "Ich will nicht sagen, wie viele Stunden ich in den vergangenen Monaten mit den Regelverletzungen der Autoindustrie verbracht habe". Sie erinnerte die versammelten Chefs der deutschen Wirtschaft: "Wir haben eine gemeinsame Verantwortung".

Die Regierung tut laut Merkel viel, um die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft zu verbessern. So werde in dieser Woche im Bundestag ein Gesetz beschlossen, mit dem ausländische Fachkräfte leichter einwandern können, wenn sie in Mangelbranchen arbeiten.

Die Regierung kümmere sich um eine bessere Internetverbindung in Wohn- und Gewerbegebieten sowie Schulen und habe auch die Versteigerung der Frequenzen für den neuen Mobilfunkstandard 5G auf den Weg gebracht. "Wir sind dabei nicht die letzten in Europa", betonte Merkel. Im "Kampf um die besten Köpfe" für die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) stellten Bundesregierung und Länder viel Geld bereit.

Merkel kritisiert zurück: Mittelstand und Industrie nicht innovativ genug

Bei der Plattformwirtschaft, also Geschäftsmodellen wie die der US-Konzerne Amazon oder Google, sei Deutschland allerdings "hoffnungslos hinten dran", räumte die Kanzlerin ein. Das liege jedoch auch daran, dass die Unternehmen nicht innovativ genug seien. So warf die Kanzlerin dem Mittelstand vor, dass er nicht genügend in die Verarbeitung der eigenen Daten investiere. Sie warnte die Industrie zudem davor, angesichts nach wie vor voller Auftragsbücher den rasanten technologischen Wandel zu verschlafen.

Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu verbessern, sei aber auch eine Reform des EU-Wettbewerbsrechts nötig. Sie wundere sich über Urteile der EU-Wettbewerbsbehörde, etwa beim Verbot der Siemens-Alstom-Fusion in der Bahntechnik. Die Entscheidung über einen Markteinstieg Chinas in Europa sei nicht richtig beantwortet worden. Man könne auch nicht einfach Wettbewerber fragen, ob sie mit der Fusion der Konkurrenten einverstanden seien.

(red mit AFP/Reuters/APA)