EU-Strategie : Kreislaufwirtschaft: Der Masterplan der EU

Abfall-Recycling
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Verdoppelte Wiederverwendungsraten bei Altmaterial im nächsten Jahrzehnt, Beschrän­ungen für Einwegsysteme, Kampf gegen vorzeitigen Verschleiß und Greenwashing: Das sind wesentliche Eckpfeiler des neuen Aktionsplans für eine europäische Kreislaufwirtschaft, der Mitte März in Brüssel vorgestellt wurde. Laut Prognosen wird bis 2050 die jährliche Abfallproduktion weltweit um 70 Prozent steigen. Derzeit produziert jeder EU­-Bürger pro Jahr fast eine halbe Tonne an Siedlungsabfall. Für die Kommission ist die neue Strategie ein Kernstück ihres „Green Deal“, mit dem die Europäische Union bis 2050 die Klimaneutralität erreichen will.

Ressourcenintensive Sektoren im Fokus

Die Kreislaufwirtschaft­-Strategie soll dazu führen, dass durch die Wiederverwendung weniger Rohstoffe abgebaut werden müssen. Bei deren Abbau und Verarbeitung entstehe laut der EU­-Behörde die Hälfte aller klimaschädlichen Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig wird die Kreislaufwirtschaft als Wachstumschance gesehen. Bis 2030 könnten durch die ehrgeizigen Maßnahmen laut den Berechnungen der EU-­Behörde die Wirtschaftsleistung der EU um zusätzliche 0,5 Prozentpunkte steigen und 700.000 neue Jobs entstehen.

Dabei setzt die EU-­Kommission bei den besonders ressourcenintensiven Sektoren an. Dazu gehören Verpackungen, Batterien und Fahrzeuge, Plastik und Textilien, die Bau­ und Lebensmittelbranche. Priorität räumt die EU­Kommission aber der Elektronik, Informations-­ und Telekommunikationstechnologie ein. Der sogenannte Elektroschrott – ausgediente Smartphones, Laptops und andere elektronische Geräte – macht EU-­weit einen immer größeren Anteil an den Abfällen aus. Gleichzeitig würden zwei von drei EU­-Bürgern ihre Geräte länger verwenden, wenn die Leistung nicht bedeutend eingeschränkt sei, so die Kommission. In der EU erhältliche Produkte sollen daher in Zukunft eine längere Lebensdauer haben, einfacher zu reparieren und nachzurüsten sein sowie besser recycelt und wiederverwendet werden können. Im Rahmen der Ökodesign­ Richtlinie will die EU­-Kommission daher ein „Recht auf Reparatur“ für die Konsumenten verankern.

Maßnahmen gegen Greenwashing

Auch dem von Herstellern geplanten vorzeitigen Verschleiß und dem sogenannten „Greenwashing“ soll Einhalt geboten werden. Dar­ unter versteht man die Praxis, Produkte als „grün“ oder „nachhaltig“ zu vermarkten, obwohl sie nicht den grundlegenden Standards entsprechen. Zudem sollen Anreize, dass das Produkt im Eigentum des Herstellers bleibt, und dieser während der Lebensspanne dafür verantwortlich ist, geschaffen werden. „Product­-as-a­service“ heißt dieses Konzept auf Englisch.

Für EU-­Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sei die Strategie „wirtschaftliches Herz“ des Green Deals der EU­-Kommission, mit dem die Klimaneutralität bis 2050 erreicht werden solle. „Der einzige Weg ist es, Wirtschaftswachstum vom Abbau von Rohstoffen und dessen ökologischen Auswirkungen zu entkoppeln“, ist Sinkevičius überzeugt.

Töpfe des EU-Kohäsionsfonds angezapft

Um den Übergang zu einer europäischen Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen, will die EU­-Behörde Gelder aus den Töpfen des EU­-Kohäsionsfonds, des Fonds für Regionalentwicklung und dem Instrument für Umwelt­ und Klimamaßnahmen (LIFEprogramme) bereitstellen. Auch private Mittel sollen über das Programm zur Förderung von Investitionen InvestEU mobilisiert werden. Auf internationaler Ebene schlägt die EU-­Kommission eine „globale Allianz für Kreislaufwirtschaft“ vor und will eine Diskussion über ein internationales Abkommen zum Management von natürlichen Ressourcen anstoßen sowie eine Einigung über die Verwendung von Plastik erzielen.

Umweltschützer üben Kritik

Kritik gab es von Umweltorganisationen. Greenpeace begrüßte den Aktionsplan als „ambitionierte Absichtserklärung“. Die einzelnen Vorhaben müssten erst in einem nächsten Schritt in Verordnungen und Richtlinien konkretisiert werden. Doch „gerade das Kapitel Verpackungen und Plastik ist sehr vage“, kritisierte Greenpeace-­Konsumexpertin Lisa Panhuber die neue Strategie. Es würden klare Reduktionsziele und verpflichtende Quoten zur Wiederverwendung fehlen. Die EU müsse Mut zeigen und die Visionen rasch in bindende gesetzliche Regelungen umsetzen. „Die Abfallmengen wachsen ungebremst, während Klimakrise und Ressourcen­-Raubbau unseren Planeten akut bedrohen.“ Der Verbrauch von Plastik werde sich laut EU­-Kommission weltweit in den kommenden 20 Jahren noch verdoppeln.

Rekordhoch bei Plastikverpackungen

In Europa hat demnach 2017 der anfallende Verpackungsmüll mit 173 kg pro Kopf ein Rekordhoch erreicht. Die EU­-Kommission will daher im Rahmen der neuen Kreislaufwirtschaftsstrategie Einwegverpackungen soweit als möglich auslaufen lassen. Einweggeschirr und ­-besteck, Wattestäbchen, Strohhalme und Rührstäbchen aus Plastik werden bereits ab 2021 EU­-weit verboten sein. Auch die Verwendung von Mikroplastik soll limitiert werden. Die winzigen Plastikteilchen würden laut Umweltexperten sowohl Weltmeere als auch Binnengewässer und deren Bewohner belasten.

„Wichtiger Beitrag“

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) begrüßt den Vorschlag der EU­-Kommission für eine neue EU-­Industriestrategie. Die neue Strategie werde die globale Wettbewerbsfähigkeit von Europas Industrie stärken und die richtigen gemeinsamen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft schaffen, so die Ministerin.

>> Wir haben Ministerin Schramböck auch zum Podcast-Gespräch zu den Verwerfungen in den globalen Warenströmen und der Notwendigkeit, systemrelevante Produktion wieder nach Europa zu holen, gebeten. Die Corona-Krise sei nicht nur für die Produktion im Medizinischen im Hygienebereich ein „Weckruf für uns alle“, sagt sie dabei im Interview.

Samt dem „Green Deal“ bilde die neue EU-­Industriepolitik die Grundlage für einen Übergang zu einer nachhaltigen europäischen Industrie. Wichtige Beiträge würden dabei von der geplanten Entkarbonisierung der energieintensiven Industrie, der Kreislaufwirtschaft und der Allianz zu sauberen Wasserstofftechnologien kommen.