IM-Expertenpool : Korruption, Steuerhinterziehung & Co.: Was können sich Unternehmen heute „leisten“?

Lange Zeit galt es als ein Grundsatz des Strafrechts, dass nur natürliche Personen strafrechtlich belangt werden konnten. Dies bedeutete in der Praxis: Bei strafrechtlichen Verstößen von EntscheidungsträgerInnen und MitarbeiterInnen, die beispielsweise bei ihrer beruflichen Tätigkeit im Auftrag des Unternehmens massiv die Umwelt verschmutzten oder Steuern hinterzogen, konnten nur die betreffenden Personen selbst bestraft werden, obgleich sie im Auftrag und möglicherweise zum Vorteil des Unternehmens handelten. Mit der Einführung des Unternehmensstrafrechts sollte hier für mehr Gerechtigkeit gesorgt werden.

Es geht hier um ein neues Verständnis alter dogmatischer Konzepte und ein Aufbrechen alter Denkmuster des Strafrechts, das vorab nur an Menschen anwendbar ist. Wir haben die Anwendbarkeit strafrechtlicher Grundsätze auf Unternehmen untersucht. Entgegen so mancher kritischen Stimmen wird dabei deutlich, dass es kriminalpolitisch geboten und sehr wohl mit den geltenden strafrechtlichen Grundsätzen vereinbar ist, dass Unternehmen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Mangelhafte Organisation oder unredliche Geschäftspraktiken können einem Unternehmen durchaus vorgeworfen werden, weil sie sich vielfach aus einer mangelhaften Unternehmensorganisation ergeben. Damit ein Unternehmen allerdings bestraft werden kann, muss ein ausreichender Zusammenhang zwischen der Handlung des Menschen und dem Unternehmen bestehen. Nach dem österreichischen Recht können strafbare Handlungen sowohl von EntscheidungsträgerInnen als auch von MitarbeiterInnen zur Strafbarkeit des Unternehmens führen. Die Tat muss außerdem zum Vorteil des Verbandes begangen worden sein oder es müssen Pflichten des Verbandes verletzt worden sein.

Prävention als primäres Ziel

Bei Verurteilung drohen den Unternehmen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Geldbußen bis zu 1,8 Millionen Euro – gerade für Großkonzerne ein verhältnismäßig niedriger Betrag und leicht verkraftbar. Dennoch zeigt sich in der Praxis, dass das Unternehmensstrafrecht vielfach eine positive Wirkung erzielt. Es dient in erster Linie der Prävention. Unternehmen sollen Organisationsstrukturen und Sicherheitssysteme schaffen, welche die Begehung von Straftaten aus dem Unternehmen heraus verhindern. Die Angst vor einer Verurteilung und den dadurch entstehenden Imageschäden ist bei vielen Unternehmen so groß, dass sie schon vorweg passende Compliance-Maßnahmen setzen. Wichtig wäre eine Vereinfachung der Berechnung und eine deutliche Erhöhung der Geldbußen, um auch Unternehmen, die nicht von sich aus bereit sind, sich rechtskonform zu verhalten, mit effektiven Sanktionen belegen zu können. Die derzeit vorgesehenen Geldbußen können von großen Unternehmen „aus der Portokasse“ bezahlt werden.

Gleichzeitig halte ich aber auch die Ausweitung anderer Sanktionen gegen Unternehmen für wesentlich. So sollten die diversionellen Möglichkeiten im Unternehmensstrafrecht, also eines Verzichts auf ein förmliches Strafverfahren bei Erfüllung bestimmter Maßnahmen, ausgeweitet werden. Verfahren gegen Unternehmen sollten eingestellt werden können, wenn Unternehmen bestimmte Auflagen einhalten. Zu denken wäre dabei etwa an die Leistung einer Schadensgutmachung an die Opfer oder Auflagen zur Umstrukturierung und zur Errichtung interner Sicherungssysteme. Auch im Falle einer Verurteilung des Verbandes wären konkrete Weisungen und eine entsprechende Beaufsichtigung der Unternehmen wünschenswert, damit diese organisatorische und personelle Maßnahmen setzen, um entsprechende Mängel in der Unternehmensorganisation zu beheben.

Robert Kert ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der WU und Vorstand des Instituts für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht.