Woltron : Klaus Woltron: „Euro-Regierung oder Euro-Ende“

Klaus Woltron
© Industriemagazin

Was der Physiker als den Zweiten Hauptsatz der Wärmelehre kennt, bezog Joschka Fischer auf Europa: „Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man entscheidet sich für eine Europäische Regierung oder man gibt den Euro auf“, sagte der ehemalige deutsche Außenminister am Industriekongress. „Es ist recht leicht, aus Eiern Omeletts zu machen, nicht aber vice versa.“ In diesem Zusammenhang geißelte er die herrschende Entschlusslosigkeit und empfahl dringend, sich klar für einen der beiden – seiner Ansicht nach einzigen – Wege zu entscheiden und alsdann mit aller Kraft daran zu arbeiten. In der engagierten Diskussion betonte Prof. Liessmann, bekanntester und konturenreichster Philosophieprofessor des Landes, das historische und kulturelle Erbe Europas und die Verpflichtung – auch Chance – der Europäer, dies zu einem der USPs der zukünftigen Entwicklung zu machen. Europa könne nicht nur auf einer wirtschaftlichen und ökologischen Basis neu gegründet werden, auch die geistigen und kulturellen Wurzeln samt den unschätzbaren Erfahrungen der Demokratie müssten sich in Idee und Praxis wiederfinden. Dieser Anstoß führte zu einem intensiven Diskurs über die Ressource Organisation, also das Potential einer Gesellschaft, die Fähigkeiten der Bürger optimal zu strukturieren und dadurch zur Effizienz zu bringen, was einen ganz wesentlichen Faktor der internationalen Konkurrenzfähigkeit ausmache. Claus Raidl, Präsident der OeNB, legte ein klares Bekenntnis zum Euro ab. Dessen Bestand sei allerdings untrennbar mit einem verantwortungsbewussten und autorisierten Regime zur Kontrolle der Finanzmittel verknüpft. Er bemängelte die unzureichende Sorgfalt der Österreicher betreffend die Auswahl des nach Brüssel entsandten Personals und äußerte starke Besorgnis darüber, ob es möglich sein wird, die demokratische Zustimmung der europäischen Bürger zu einer gemeinsamen Regierung zu erlangen. Die Diskussion berührte sodann zahlreiche in diesem Zusammenhang relevante Problemkreise, kulminierend in der (letztendlich unbeantworteten) Kernfrage: Welche der beiden Alternativen ist die nachhaltigere? Und gibt es nicht doch eine dritte? Auf den Punkt gebracht, stehen wir vor folgender Weggabelung: Entweder man entscheidet sich für die Variante United States of Europe. Dann hätte man den Euro durch eine gemeinsame Garantie aller EU-Staaten vorerst, allerdings stark geschwächt, gerettet. Für alle Südstaaten werden über Jahrzehnte Transferzahlungen erforderlich sein, die es abzuschätzen und auf den Prüfstand der Erschwinglichkeit zu stellen gilt: Bei jeder Fusion ist dies Grundbestandteil der Hausaufgaben und lässt sich angesichts der gemachten Erfahrungen und vorliegenden Zahlen auch für die EU anhand eines einseitigen Spreadsheets in einer Woche machen. Eine Best- und Worst-Case-Analyse wird sodann zeigen, ob sich das Experiment realisieren lässt. Wenn ja, soll man das Ergebnis den Europäern offen vorlegen und sie fragen, ob sie ihre nationale Souveränität teilweise nach Brüssel verlagern wollen und wie mit dieser dort umgegangen werden soll. Bleibt noch die nicht geringe Unsicherheit, ob es bis zu diesem Zeitpunkt nicht für einige Staaten schon viel zu spät ist. Im negativen Falle muss man die Euro-Einführung rückabwickeln – oder ein zweiteiliges Europa der zwei Währungen und zwei Geschwindigkeiten schaffen. Für dieses Szenario gilt es, zu berechnen, was es operativ kostet und welche Kollateralschäden in Kauf zu nehmen sind. Die Preisfrage ist: Welche Lösung ist die nachhaltigere? Diese wird man wohl oder übel spätestens bis zum Jahresende beantworten müssen.