Interview : Kirchdorfer Industries stellt sich neu auf

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Die Zeit war reif. Bei einem Umsatzvolumen von 100 Millionen Euro, der vorhandenen Organisation und Struktur und einem weltweiten Netzwerk fiel die strategische Entscheidung, aus DeltaBloc heraus eine eigene schlagkräftige Sparte zu bilden. Was 2000 als Start-up begann, erhält jetzt den Raum, sich rund um das Thema Verkehrssicherheit weiterzuentwickeln. Aktuelles Aushängeschild ist der Großauftrag in Rumänien, 1000 Kilometer Nationalstraßen mit Betonschutzwänden auszustatten. 2018 konnte sich Kirchdorfer bei der europaweiten Ausschreibung als Bestbieter durchsetzen, diesen Sommer wurden die ersten Elemente geliefert.

Die Weichen sind auch bei Concrete Solutions, dem niederösterreichischen Fertigteilspezialisten, auf weiteres Wachstum gestellt. An ihren niederösterreichischen Standorten wird ebenfalls groß investiert und die Sparte Road & Traffic wird schon bald ihr neues Headquarter in Wöllersdorf beziehen.

Die Geschäftsführer der beiden Sparten, Michael Wardian (Concrete Solutions) und Thomas Edl (Road & Traffic), im Doppelinterview.

Kirchdorfer präsentiert sich stolz als Innovationstreiber in mehreren Bereichen. Was ist der Erfolgsfaktor?

Michael Wardian Die Kirchdorfer-Gruppe hat von der Rohstoffsparte über ihr Zementwerk, Systembauteilen aus Beton für verschiedenste Anwendungsbereiche bis hin zur fertigen Lösung eine beispiellose Wertschöpfungskette. Das ermöglicht eine durchgängige Produktentwicklung. Concrete Solutions hat sich in den letzten Jahren, zum Beispiel mit der Entwicklung der Holz-Beton-Verbunddecke, sehr stark auf den Hochbau konzentriert. Aktuellstes Beispiel ist das HoHo Wien. Auch im Bahnbereich, wo Sensorik eine große Rolle spielt, laufen einige Forschungsprojekte in diesem Umfeld. Die Neugliederung der Gruppe ist nun ein wesentlicher Schritt dazu, nicht nur die einzelnen Märkte optimal zu bedienen, sondern auch das jeweilige Know-how und die F&E-Ressourcen zu bündeln.

Thomas Edl Unser Beispiel zeigt herausragend die Innovationskraft von Kirchdorfer. Das Produkt DeltaBloc – die Betonschutzwände, die jeder von unseren Autobahnen her sehr gut kennt – ist in den 90er-Jahren in Niederösterreich entwickelt worden. Über die Jahre hinweg haben sich eine große Produktpalette und eine sehr starke Marke in Europa herausgearbeitet. Wir realisieren Projekte in jeder Größenordnung in der gesamten EU und bauen auch Betonschutzwände in Südamerika, Südafrika und selbst in Australien.

Man meint, dass ein Rückhaltesystem in jedem Land ungefähr die gleiche Anforderung hätte. Tatsächlich ist es so, dass in jedem Land der Verkehr unterschiedlich ist – Österreich hat ein sehr hohes Schwerverkehrsaufkommen, andere Märkte sind durch Pkw-Verkehr geprägt. So hat jedes Land seine eigene Straßenbaurichtlinie mit unterschiedlichem Technologielevel. In Ländern

wie beispielsweise Rumänien gibt es bei der Verkehrssicherheit noch sehr viel aufzuholen. Da kann man am meisten bewirken, wenn man mit kostengünstigen Systemen sehr große Volumina an Fahrzeugrückhaltesystemen erzeugt. Die Breite, von A bis Z alles abzudecken und auf jeden Markt einzugehen, ist die Stärke vom One-Stop-Shop DeltaBloc.

DeltaBloc ist nun Teil der neuen Sparte Road & Traffic. Was ist dort noch zusammengefasst?

Edl Mit großem Entwicklungsaufwand haben wir in den letzten Jahren mit Steelbloc eine komplett neue Stahlschutzplanken-Palette entwickelt. Selbst bei Stahlschutzplanken, wo man meinen möchte, da ist alles schon erfunden, ist

es uns gelungen, in diesem Jahr ganz besondere Innovationen auf den Markt zu bringen. Das macht uns zuversichtlich, dass Road & Traffic über DeltaBloc hinausgehen wird. Verkehrssicherheit ist für uns ein ganzheitliches Konzept: Betonschutzwände, Stahlschutzplanken, Lärmschutzsysteme, all das geht Hand in Hand. Wir sind nun das erste europäische Unternehmen, das mit Eigenprodukten alles anbieten kann.

Wie stellt sich für Sie das Arbeitsmarktumfeld dar? Viele klagen, keine oder zu wenige qualifizierte Mitarbeiter zu bekommen.

Wardian Wir müssen nicht jammern, ganz im Gegenteil. Wir sind etwas außerhalb des Speckgürtels von Wien sehr gut aufgestellt. Der Raum Wr. Neustadt bringt mit dem Technopol, mit FH, HTL etc. ganz ausgezeichnete Mitarbeiter hervor. Wenn wir gute Leute suchen, finden wir sie. DeltaBloc bietet mit der Internationalisierung und den weltweiten Aktivitäten ein sehr attraktives Umfeld. Bei Concrete Solutions ist es etwas konservativer, durch unsere Großinvestitionen wird sich in den nächsten Jahren jedoch sehr viel in den Fertigungshallen verändern: Genau jetzt bricht der Zeitpunkt der Robotik wirklich an. Natürlich gibt es jetzt schon die Mechatroniker und Steuerungstechniker, aber wir merken, dass wir für die Bedienung und Entwicklung der Anlagen andere Qualifikationen brauchen als noch vor 10, 15 Jahren. Das sind sehr attraktive Arbeitsplätze. Der schwierigste Bereich ist der des Schichtführers oder Vorarbeiters. Dieser hat vielleicht nicht jenes Image wie die Berufe mit universitärem Hintergrund, ist aber genauso wichtig; vor allem bei Projekten wie der Herstellung einer Tunnelröhre in einer Feldfabrik, die wir durchführen. Die Berufsgruppe der Schichtleiter und Vorarbeiter ist derzeit wahrscheinlich jene, die am gefragtesten ist. Glücklicherweise haben wir in diesem Bereich so gut wie keine Fluktuation.

Edl Da wir als DeltaBloc in einer Nische tätig sind, setzen wir ganz explizit auf hausinterne Ausbildung. Neue Mitarbeiter schätzen die Möglichkeit, in einem bestimmten Bereich Fachexperten werden zu können. Das machte es auch dem Unternehmen leichter, sich langfristig mit den richtigen Leuten auszustatten. Unterm Strich: Wenn man das richtige Umfeld anbietet und auch den Zeitgeist eines modernen Unternehmens einfangen kann, ist der schwierige Arbeitsmarkt zu bewältigen.

Wardian Im gewerblichen Bereich haben wir in den letzten Jahren sehr intensiv auf die Lehrlingsausbildung gesetzt und wollen sie noch stärker ausbauen. Auch das führt zu einer starken Bindung zum Unternehmen.