Außenhandel : Iran sehr pessimistisch über die Zukunft des Wiener Atomabkommens

Das Wiener Atomabkommen von 2015 steht aus Sicht des Irans wegen der jüngsten amerikanischen Öl-Sanktionen kurz vor seinem Ende. "Wir haben der Diplomatie ausreichend Zeit gegeben, aber genug ist genug", sagte Vizeaußenminister Abbas Araqchi der Tageszeitung "Etemad". Er ist einer der Architekten des Abkommens und bisher Befürworter des Atom-Deals.

Die jüngsten Öl-Sanktionen der USA und die Machtlosigkeit der anderen Vertragspartner, etwas dagegen zu unternehmen, hätten zu Hoffnungslosigkeit im Iran geführt. "Das Atomabkommen bewegt sich daher rapide Richtung Endpunkt", so Araqchi.

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Kritik übte Araqchi nicht nur an den USA, sondern auch an den anderen fünf Vertragspartnern - das sind die UN-Vetomächte Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland. Diese hätten dem Iran versprochen, dass der Deal - besonders der wirtschaftliche Teil - auch ohne die USA umgehend umgesetzt werde. "Aber passiert ist in der Praxis nichts", prangert Araqchi an.

Das Wiener Atomabkommen wurde im Juli 2015 geschlossen. Die Vereinbarung soll es dem Iran mit strengen internationalen Kontrollen unmöglich machen, Atomwaffen zu entwickeln. Im Gegenzug stellte der Westen einen Abbau von Sanktionen und eine Normalisierung von Wirtschaftsbeziehungen in Aussicht. Nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA hat sich der Iran seit Jänner 2016 an den Deal gehalten, und es wurden keine Verstöße gegen die Auflagen festgestellt.

Die USA traten Anfang Mai 2018 einseitig aus dem internationalen Abkommen aus. Sie werfen der Führung in Teheran unter anderem vor, sie finanziere Terrorismus und destabilisiere die Nahost-und Golfregion. Ein weiterer Kritikpunkt: Das Abkommen beinhalte nicht das iranische Raketenprogramm. Die US-Regierung wies den Vorwurf zurück, Ziel der Sanktionen sei letztendlich ein Regimewechsel im Iran.

Die USA setzten vergangenen November ihre bisher härtesten Wirtschaftssanktionen gegen den Iran in Kraft. Diese zielen in erster Linie auf die Ölindustrie ab, die größte Einnahmequelle des Landes. Bisher hatte die US-Regierung acht Ländern erlaubt, dass sie zunächst für sechs Monate ungestraft weiter iranisches Öl importieren können. Zu diesen Ländern gehörten Irans größte Öl-Exportländer wie China und Indien. Diese Ausnahmeregelung läuft jetzt ab. Ab diesem Donnerstag gilt: Wer Öl aus dem Iran kauft, kann praktisch nicht mehr mit US-Firmen in Geschäftsbeziehungen stehen.

Der Iran steckt wegen der erneuten US-Sanktionen schon seit Monaten in einer Wirtschaftskrise. Aus diesem Grund muss Teheran auch Benzin rationieren. Von diesem Donnerstag an bekommen die Iraner zum bisherigen Preis von 10.000 Rials (0,22 Euro) nur noch 60 Liter Benzin im Monat, meldete die Nachrichtenagentur Tasnim. Für den Rest müssten sie dann mehr als das Doppelte - 25.000 Rials (0,54 Euro) - bezahlen. Die neuen Preise sind zwar für europäische Verhältnisse niedrig, für die Perser mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von ungefähr 300 Euro aber ein großes Problem.

Zudem könnte ein weiter eingeschränkter Ölexport nicht nur die Wirtschaftskrise verschärfen, sondern auch zu politischen und militärischen Spannungen führen. Der Iran hat im Falle der Sanktionen mit einer Blockade der Straße von Hormuz gedroht. Das ist der wichtigste Seeweg für den Ölhandel weltweit. Durch die Straße von Hormuz wird fast ein Drittel der globalen Öl-Exporte verschifft.

Eine Blockade wäre nicht nur ein schwerer Schlag für den internationalen Ölhandel, sondern sie würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in militärische Auseinandersetzungen münden.

Auch innenpolitisch könnte es zu Spannungen kommen. Präsident Hassan Rouhani und die Reformer im Land hätten keine Rechtfertigung mehr für ihre Entspannungspolitik und den Dialog mit dem Westen. Die Hardliner hoffen daher nach sechs Jahren Abstinenz auf ihr politisches Comeback. (dpa/apa/red)