Digitalisierung : IoT in der Industrie: Erst gehen lernen, dann laufen lernen

Wohin bewegt sich das Internet der Dinge? Und welche Geschäftschancen eröffnen sich damit für die Industrie? Einige erwähnenswerte Antworten auf diese Fragen kommen von der Software AG. Das Unternehmen hat vor mehr als 45 Jahren begonnen, seine Kunden mit geeigneter Software zu beliefern – in einer Zeit also, als weder Oracle noch Microsoft noch Apple existierten und SAP gerade erst gegründet wurde. Heute ist die Software AG mit rund 4.500 Mitarbeitern in 70 Ländern aktiv.

In diesen Tagen rührt der Konzern gerade in Österreich, Deutschland und der Schweiz die Werbetrommel für neue IoT-Plattformen aus dem eigenen Hause. Aber auch jenseits von Werbeveranstaltungen geben Experten des Anbieters den interessierten Herstellern einige Tipps mit auf den Weg. Denn das Potenzial von IoT für die Industrie sei gerade immens, sagt Gerald Friedberger, Geschäftsführer der Software AG in Österreich: „Allmählich kommen die ersten Lösungen auch tatsächlich im Markt an. Die Monetarisierung von Ideen beginnt.“

IoT im eigenen Unternehmen einführen: Wichtigste Treiber

Bei der Einführung von IoT gebe es für die Wirtschaft mehrere große Treiber, sagt Bernd Groß, Geschäftsführer der Firma Cumulocity, die auf IoT-Plattformen spezialisiert ist und zur Software AG gehört. Der erste und wichtigste Treiber seien Kostensenkungen. Beispielsweise lasse sich die gesamte Logistik optimieren, wenn man den genauen Füllstand seiner Container kenne.

Ein anderer Treiber sind völlig neue Verhältnisse zum Kunden, die mit IoT möglich werden – und damit wiederum neue Einnahmen. Etwa im Maschinenbau: „Vor fünf Jahren haben uns die Maschinenbauer noch weggeschickt. Jahrzehntelang stand für sie die Produktion der besten und präzisesten Maschinen im Mittelpunkt. Genau das wird immer schwieriger – die Fertigungstoleranzen bewegen sich im Bereich von Mikrometern, und die Chinesen holen sehr schnell auf. Und nun erkennen Maschinenbauer, dass sie mit neuen, digitalen Services einen Vorsprung vor der Konkurrenz gewinnen können. Also wollen sie nicht einfach nur ihre Maschine verkaufen, sondern auch wissen, was macht diese Maschine in der Fabrik, wie wird sie bedient, wie ist der Service?“ Genau bei den dann folgenden Dienstleistungen, etwa im Bereich der vorausschauenden Wartung, biete IoT ein Differenzierungsmerkmal, so Groß.

Plattform Adamos: Maschinenbauer kooperieren

Einer der jüngsten Schritte in die Praxis war für die Software AG die Gründung der offenen IoT-Plattform Adamos. Als Partner dieser auf industrielle Anwendungen spezialisierten Plattform konnte das Unternehmen namhafte Maschinenbauer wie DMG Mori, Dürr, Zeiss, Engel, Karl Mayer oder ASM gewinnen – die allein etwa ein Zehntel der deutschen Maschinenbaubranche auf sich vereinigen. Der Name Adamos steht für "Adaptive manufacturing open solutions". Gerade dieser Aspekt der Offenheit gegenüber unterschiedlichen Herstellern und Anwendungen sei besonders wichtig, sagt Groß. Nun lautet das Ziel der Allianz, die Kenntnisse aus dem Maschinenbau, der Produktion und der IT zu bündeln und die Plattform als den neuen globalen Branchenstandard zu etablieren – in Konkurrenz übrigens zu Siemens und dessen Plattform Mindsphere.

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IoT-Plattformen für die Industrie: Es gibt nicht mehr als zehn

Apropos konkurrierende IoT-Plattformen: Meldungen in der Industrie, wonach es mehr als 400 gebe, seien falsch, meint Groß: „Wenn ein Kunde eine echte Plattform will und keine App, dann gibt es weniger als zehn, die wirklich relevant sind. Alle von ihnen haben ihre Stärken und Schwächen. Man muss also überlegen, was man mit der Einführung erreichen will.“

Bei der Wahl der geeigneten Plattform sei auf jeden Fall die Schnelligkeit ein wichtiges Kriterium, so Groß: „Wenn eine Plattform erlaubt, schnell und mit einem nicht allzu großen Aufwand mit einem Produkt loslegen zu können, dann ist Schnelligkeit ein Mehrwert.“ Ein anderes zentrales Kriterium sei die Offenheit eines Systems: „Hier geht es um eine offene Schnittstellenstruktur, die es den Kunden erlaubt, eigene Anwendungen zu behalten.“

Sonderproblem China

Ein gesonderter Punkt sei hier die Unabhängigkeit von einem bestimmten Cloudanbieter. So sei in China für westliche Industriebetriebe die Zusammenarbeit mit nichtchinesischen Cloudanbietern verboten, erzählt Groß – ein gewichtiges Problem für viele Exporteure. Wer nun eine offene IoT-Plattform nutze, könne sie in China beispielsweise beim chinesischen Internetriesen Alibaba ansiedeln.

Drei Phasen bei der Einführung

Die Einführung schließlich passiere am besten in drei Phasen, meint Groß: Zuerst gehe es darum, das richtige Konzept der einzelner IoT-Anwendungen zu finden. Das Wichtigste sei hier, zunächst nur zu lernen und die Komplexität zu managen, etwa indem man eine Applikation nur für eine bestimmte Anwendung betreibe. Die zweite Phase sei die Einbindung einer Plattform in die Abläufe im eigenen Unternehmen. Und erst in der dritten Etappe könne man mithilfe von Machine Learning und künstlicher Intelligenz neue Geschäftsfelder erschließen.

Aber auch Schnelligkeit ist nicht alles. Ein Ratschlag von Bernd Groß an industrielle Anwender: „Gehen Sie schrittweise vor. Versuchen Sie nicht zu laufen, bevor Sie nicht gehen gelernt haben.“