Industriekonjunktur : Industriekonjunktur in Deutschland: Aussichten bleiben verhalten

Die Schwäche der lange boomenden Industrie hat die deutsche Wirtschaft um ein Haar in die Rezession gestürzt. Handelskonflikte, Probleme der Autoindustrie mit dem neuen Standard zur Abgasmessung und die unter Niedrigwasser leidende Chemiebranche ließen das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal stagnieren.

Ein Rückgang hätte Europas größte Volkswirtschaft erstmals seit dem Jahreswechsel 2012/13 in eine Rezession gedrückt, hatte es doch schon im Sommerquartal ein Minus von 0,2 Prozent gegeben. Auch wenn die meisten Experten für das laufende erste Vierteljahr mit einer deutlichen Erholung rechnen, dürfte es 2019 insgesamt wegen vieler Risiken wie dem Brexit oder dem Handelsstreit mit den USA nur zu einem mageren Zuwachs reichen.

"Die wahrscheinlichste Variante ist, dass es moderates Wachstum gibt", sagte der Chef des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach, der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Prognosen von rund einem Prozent Wachstum für 2019 sind realistisch." Das wäre das kleinste Plus seit 2013. Im Gesamtjahr 2018 fiel das Wachstum den Angaben vom Donnerstag zufolge wegen der Schwäche im Schlussquartal mit 1,4 Prozent etwas schwächer aus als zunächst mit 1,5 Prozent geschätzt.

"Auftragsbücher sind noch gut gefüllt - Erwartungen verschlechtern sich"

"Die Auftragsbücher sind noch gut gefüllt, aber die Erwartungen verschlechtern sich", warnte Wambach. Rekordbeschäftigung, steigende Löhne und Sozialleistungen sowie Steuer- und Abgabenentlastungen dürften die Konjunktur allerdings gegen Unbill aus dem Ausland abschirmen. "Zusätzlich weitet der Staat seine Ausgaben für Investitionen und Verteidigung aus, so dass der Impuls in diesem Jahr bei insgesamt 24 Milliarden Euro liegen dürfte", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Niedrige Zinsen sollten zudem den Baumboom befeuern.

Die jüngste Schwäche Deutschlands strahlte auf die Eurozone aus. Diese halbierte ihr Wachstum im vierten Quartal auf 0,2 Prozent. Die Stagnation in Deutschland trug dazu maßgeblich bei - aber auch Italien, dessen Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent schrumpfte. Die anderen beiden großen Euro-Länder Frankreich und Spanien schafften dagegen jeweils ein überdurchschnittliches Plus. Eine rasche Abkehr der Europäischen Zentralbank von ihrer Nullzinspolitik wird durch die Flaute unwahrscheinlicher. "Eine Leitzinswende der EZB bleibt für 2019 möglich, die Felle schwimmen derzeit aber schneller davon", sagte der Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, Alexander Krüger.

Verhindert wurde eine Rezession in Deutschland vor allem durch Investitionen - insbesondere in Bauten, aber auch in Ausrüstungen wie Maschinen. "Während die Konsumausgaben der privaten Haushalte leicht anstiegen, erhöhte der Staat seine Konsumausgaben zum Jahresende deutlich", erklärten die Statistiker zudem. Die außenwirtschaftliche Entwicklung habe dagegen keine Wachstumsimpulse geliefert.

"Deutschland ist mit einem blauen Auge davongekommen", sagte DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. "Selbstverständlich war das nicht angesichts der belastenden Sonderfaktoren wie der Zulassungsprobleme der Automobilindustrie oder des Niedrigwassers." Ein starkes Comeback im laufenden ersten Quartal ist Experten zufolge keine ausgemachte Sache, auch wenn einige Experten ein Wachstum von gut einem halben Prozent für möglich halten. "Die Frühindikatoren sind zuletzt weiter gefallen und voraus haben wir mit dem Brexit und dem Handelsstreit zwei gewichtige Risiken", warnte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert.

Das Risiko eines ungeordneten EU-Austritts Großbritanniens bereitet den deutschen Unternehmen zunehmend Sorgen. Nur noch jede fünfte Firma bewertet ihre Geschäfte im Vereinigten Königreich als gut, wie aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter 1500 Betrieben mit Geschäftsverbindungen zu Großbritannien hervorgeht. Demnach erwarten 70 Prozent der Betriebe für 2019 eine Verschlechterung. "Der Brexit ist bereits jetzt eine hohe Belastung für die deutschen Unternehmen", bilanzierte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Handel und Investitionen befänden sich seit dem Brexit-Referendum Mitte 2016 "auf einem gewissen Rückzug". (reuters/apa/red)