Interview : "Holding-Vertretern begegne ich fast nur in Seoul"

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Herr Schubert, ZKW zählt praktisch alle großen Autokonzerne zu seinen Kunden. In der langen Kundenliste findet sich aber kein einziger koreanischer Hersteller. Wie kommt‘s?

Oliver Schubert Ganz einfach: Sie sind noch keine Kunden. Aber wir arbeiten daran. Wir sehen es als eine neue Möglichkeit durch unseren neuen Shareholder LG, dass wir auch auf dem südkoreanischen Markt Fuß fassen. Es gibt ja zwei namhafte Hersteller: Hyundai und Kia. Und über den Türöffner LG haben wir den Zugang bekommen und führen intensive Gespräche.

Warum war ZKW für koreanische OEM-Ausschreibungen bislang nicht interessant?

Schubert Koreanische Hersteller zählten nicht zu unseren Zielkunden. Wir waren stets ausgelastet. Der Markt mit dem vorhandenen Kundenportfolio war so groß und im Premiumsegment so klar definiert, dass wir auf diese Märkte erstmal gar nicht den Fokus gelegt haben. Deswegen haben wir uns auf die europäischen Kunden und auf deren Joint Ventures in China konzentriert. Wir mussten ja irgendwo Prioritäten setzen.

Was ist an der aktuellen Situation anders?

Schubert Wir haben größere Kapazitäten aufgebaut. Jetzt können wir den einen oder anderen Neukunden mit dem einen oder anderen Projekt aufnehmen. Aber dies passiert auch begrenzt. Wir haben einen extrem hohen Auftragsbestand und sind eigentlich die nächsten drei Jahre ausverkauft. Das heißt, dass weitere Kundenprojekte weitere Investitionen in Werkskapazitäten bedeuten würden.

Der südkoreanische Elektrokonzern LG ist seit dem Closing des Kaufvertrages im August 2018 des Vorjahres 100-Prozent-Eigner von ZKW. Was ändert sich?

Schubert LG ist deswegen eine gute Wahl, weil ein Elektronik- und Technologiekonzern im Rücken die Zukunft wirklich sicherer macht. Als Erstes gilt es, die Marktvolumeneffekte eines Großkonzerns auf der Einkaufsseite zu nutzen. Da gibt es in der Elektronik und in der LED- Technologie Bereiche, wo wir natürlich die Einkaufskraft ganz intensiv nutzen. ZKW hat auf den ersten Blick nach dem LG-Deal personelle Umstellungen auf Vorstands- und auf Holdingebene gehabt: Es gibt einen koreanischen Finanzvorstand und wir haben jetzt zwei CFOs. Kyeong Ryeol Park ist als zusätzlicher CFO in den Vorstand gekommen, der für die Berichtslinie nach Seoul verantwortlich ist. Und Andrew Greenless ist nach wie vor für unsere operativen Finanzen zuständig.

Die ZKW Holding, in der die Anteile der ZKW Group verwaltet wurden, ist ausschließlich mit LG-Vertretern besetzt...

Schubert Klar. Der frühere Eigentümer und sein Vertreter sind nach dem Verkauf ausgeschieden. Den neuen Holding-Vertretern von LG begegne ich fast ausschließlich in Seoul. Physisch sind nur vier Kollegen aus Korea fix in Wieselburg.

ZKW hat über Jahre jegliche Verkaufsgespräche in Abrede gestellt. Verstehen Sie den Unmut, der in der Bevölkerung aufgekommen ist?

Schubert Klar. Aber wir haben hier fünf Jahre Beschäftigungsgarantie bekommen.

...die auch für das Management gilt...

Schubert: Das ist wirklich ein Commitment, das über das Übliche hinausgeht. Dies wird von der Belegschaft wirklich geschätzt. Unser Alteigentümer hätte dies wahrscheinlich nicht leisten können. Und es stimmen die Rahmenbedingungen: LG will mit dem Automotive-Geschäft in Europa wachsen. Der Konzern wird hier noch mehr Kapazitäten brauchen, die er bislang im automotiven Bereich nicht hat. Wie auch immer der Verkaufsprozess gelaufen ist: Sie wissen auch, dass durch entsprechende NDAs (non-disclosure agreement, Vertraulichkeitsvereinbarung, Red.) unter Androhung schärfster Sanktionen nicht gesprochen werden durfte. Erst recht in einem börsennotierten Umfeld.

Es gibt keine strategische Abstimmung, wie sich ZKW unter LG ausrichten wird?

Schubert Operativ hat sich durch die Übernahme nichts verändert. Und so war es auch vereinbart. Das heißt, wir sind als Marke eigenständig. Und ZKW ist in der LG-Struktur das Kompetenzcenter für automotives Licht, wo wir das von LG gestartete Rückleuchtengeschäft bei ZKW integrieren. Wenn Sie so wollen, gibt es im Berichtswesen im Finanzbereich Anpassungen. Wir sind jetzt Teil eines börsennotierten Unternehmens. Und wir haben im Bereich Risk Management, Internal Audit und Compliance die Regeln eines börsennotierten Unternehmens eingeführt. Das sind aber die einzigen Felder, die sich operativ verändern.

Hat sich ZKW durch die Integration der Rückleuchten-Werke vergrößert?

Schubert: Wir haben bislang nichts auf dem Gebiet gemacht. Wir hatten nur Hauptscheinwerfer und Auxiliary Lamps im Frontbereich als Kernprodukte. Rückleuchten fehlten in unserem Portfolio. In der Vergangenheit waren Rückleuchten technologisch einfachere Produkte. Das ist heute anders.

Werden Sie neue Werke brauchen?

Schubert: Wir werden erstmal in bestehenden Werken produzieren. Das LG-Rückleuchtenwerk in China integrieren wir in unseren Produktionsverbund. Da steckt sicherlich der Teufel noch im Detail. Aber diese Produktionsstätte mit ungefähr 300 Mitarbeitern wird im Laufe des Jahres Teil des ZKW-Netzwerkes. Wir werden aber den Footprint von LG nutzen und in Asien neue Kapazitäten im Rückleuchtenbereich aufbauen.

Wie wird sich der Wertanteil von Scheinwerfern am Gesamtsystem eines Autos verändern?

Schubert Die größte Veränderung bei Autos wird es beim Antriebsstrang geben. Motor und Getriebe repräsentieren heute einen erheblichen Wertanteil beim Auto. Bei einem Elektrofahrzeug ist dies völlig anders. Hier liegt der entsprechende Anteil bei einem Siebtel der gegenwärtigen Wertschöpfung. Wenn man das wieder im Verhältnis zur Wertschöpfung bei Scheinwerfern sieht, so wird unser Beitrag sicherlich anteilig an Wert wachsen. In Zukunft werden die Lichtsysteme Unterstützer der Kameratechnologie sein, die auch nachts sicher funktionieren muss. Damit haben wir ein sehr zukunftsfähiges Produkt.

Wie groß wird die ZKW-Gruppe sein, wenn die organisatorischen Verschiebungen innerhalb von LG umgesetzt sind?

Schubert Wir werden nach der Integration der Rückleuchtenproduktion bei circa 1,5 Milliarden Umsatz stehen (2018: 1,34. Mrd. Euro, Anm. d. Red.). Dazu kommt dann unser organisches Wachstum. Aber ich gehe davon aus, dass wir bis 2021 etwa 100 Mio. Euro an Umsatz dazubekommen.

ZKW ist unheimlich schnell gewachsen. Gibt Ihnen der neue Eigentümer Raum zur Konsolidierung?

Schubert Wir werden nicht in der Geschwindigkeit weiterwachsen, wie wir dies in den letzten Jahren gemacht haben. Eine weitere Expansion ist nur durch neue Werke möglich, die wir nur dann bauen, wenn ein Business hinterlegt ist. Das bedeutet, dass wir die Aufträge für die neuen Kapazitäten bereits im Haus haben, wenn wir Investitionen für Produktionskapazitäten freigeben.

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Werden in nächster Zeit neue Standorte hinzukommen?

Schubert Aktuell sind wir dabei, die neuen Strukturen zu optimieren. Profitables Wachstum zu managen, ist immer eine schwierige Aufgabe, ebenso die Entscheidung über Investitionen in neue Werkskapazitäten zu treffen. Wir machen eine ständige Gratwanderung. Unsere Kunden erwarten, dass wir Projekte gewisser Größenordnung umsetzen können. Wenn wir für ein entsprechendes margenträchtiges Premium-Produkt anbieten, müssen wir perspektivisch auch für ein weniger attraktives Volumenprodukt zur Verfügung stehen. Nur die Rosinen rauszupicken, wird uns nicht erlaubt. Deswegen müssen wir auch Stückzahlen und Kapazitäten einplanen. Da sind wir jetzt schon auf einem ganz guten Weg. Die Hauptscheinwerfer von Kunden wie Mercedes oder BMW werden bereits hier in Wieselburg gefertigt. Da reden wir von 8.000 Einheiten pro Woche.

ZKW hat in Mexiko in Silao eines von vier wichtigen Lichtwerken mit rund 600 Arbeitsplätzen. Spüren Sie da den Trumpschen Druck?

Schubert Momentan noch gar nicht. Wir haben Kunden, die in Mexiko selbst produzieren. Wir liefern nur mit einem geringen Volumen nach Nordamerika. Wir sind vorsichtig geworden. Wir reduzieren das Risiko, indem wir mit Kunden bevorzugt Geschäfte machen, die in Mexiko fertigen und das Gesamtfahrzeug nach Nordamerika vertreiben, als dass wir direkt in die USA verkaufen. Damit würden wir uns das Zollproblem ins Haus holen. In den USA unterhalten wir nur ein Entwicklungs- und Vertriebsbüro, da für Ford und GM eine lokale Präsenz relevant ist.

China ist für europäische Hersteller und Zulieferer der wichtigste Ertragsmarkt der Welt. Spürt ZKW die prognostizierte Abkühlung der chinesischen Autokonjunktur?

Schubert Der chinesische Markt ist der größte Automobilmarkt, der nach wie vor am stärksten wächst. Die Prognosedaten sind sicherlich schwieriger zu generieren als in Europa. Aber ich kann nicht sagen, dass sich das Wachstum in China bei unseren Kernkunden völlig anders entwickelt als geplant. Wir stellen fest, dass der Markt anfängt sich abzukühlen. Aber man darf in keiner Weise jetzt von Krise oder Rezession sprechen. Das wäre viel zu früh, so etwas zu behaupten.

Wie ist derzeit die europäische Autobranche unterwegs?

Schubert Ich rechne weiterhin mittelfristig mit Wachstumsraten von über sechs Prozent. Die Premium-Lichtsysteme und die Vorbereitung der Sensorik auf autonomes Fahren sind immer noch echte Treiber. Und deswegen sehe ich die Nachfragesituation entspannt. Lichtsysteme und Sensorik werden immer mehr Wert des Fahrzeugs einnehmen. Unser Anteil am Kuchen wächst.

Die Technologie des LED-Lichts im Scheinwerfer hat ZKW groß gemacht. Wohin geht der technische Trend?

Schubert LED hat nicht nur ZKW, sondern generell das Lichtgeschäft im Autobereich groß gemacht und revolutioniert. Die Zukunft liegt in Systemen, die noch hochauflösender werden, noch kleiner werden, noch leichter werden, noch energieeffizienter und auch intelligenter werden. Die Auflösung wird so hoch sein, dass man Signale projizieren kann. Zukünftig wird man mit Licht kommunizieren und anderen Verkehrsteilnehmern Signale senden. Man kann durch das Projizieren von Zebrastreifen beispielsweise auf die Fahrbahn zeigen: „Ich habe dich erkannt, du kannst die Straße queren.“

Welchen Stellenwert wird das autonome Fahren in der ZKW-Technologie einnehmen?

Schubert Für autonom fahrende Fahrzeuge brauchen Sie 30 bis 50 Sensoren. Wir werden als Subsystemanbieter entsprechende Systeme vorbereiten, in denen die neue Technologie neben den eigentlichen Lichtsystemen Platz findet. Dies werden wir in Vorbereitung auf autonomes Fahren auch liefern können. Wir werden gemeinsam mit Partnern die Sensoren in Lichtsystemen integriert liefern.

Diese Sensoren kommen von LG?

Schubert Dies kann leicht der Fall sein.